Eine empirisch-medizinische Studie zur Nahtodesforschung fordert zum Umdenken auf Kurz vor Weihnachten veröffentlichte das renommierte britische Journal THE LANCET eine Studie zur Nahtodesforschung, die eine neue Ära in
der Erforschung des menschlichen Bewusstseins einläuten könnte. 1 In der noch relativ jungen Geschichte der Nahtodesforschung hat der
Herzspezialist Pim van Lommel aus Arnheim als Erster eine so genannte prospektive Studie vorgelegt und kam für die Schulmedizin zu einem
interessanten Schluss: »Was wir (nun) wissen, ist, dass die üblichen Erklärungen für Nahtodeserfahrungen nicht stimmen. Sie treten nicht
aufgrund von absterbenden Hirnzellen oder einer Veränderung in der Blutzufuhr auf. Auch das Alter, Geschlecht, der Beruf oder die Religion
spielen keine Rolle«, erklärte der 58-Jährige gegenüber dem Telegraaf, einer der zahlreichen Tageszeitungen, die von der Veröffentlichung in
dem medizinischen Fachblatt sogleich berichteten. 2
Als Mitte der siebziger Jahre Ärzte und Überlebende - allen voran Raymond Moody, Elisabeth Kübler-Ross und George Ritchie - mit den ersten
Berichten von Nahtodeserfahrungen an die Öffentlichkeit traten, ging es zunächst einmal darum, das neu entdeckte Phänomen genauer zu
untersuchen und eine Umgebung zu schaffen, die es Betroffenen ermöglichte, über ihre oft jahrelang verdrängten Erfahrungen zu sprechen. So
entstanden zahlreiche so genannte retrospektive Untersuchungen: Berichte von Nahtodeserlebnissen wurden dann in eine Studie aufgenommen,
wenn von sich aus jemand mit einem solchen Erlebnis auf die Nahtodesforscher zuging. Das geschah oft viele Jahre nach dem einschneidenden
Erlebnis und wurde in der Wissenschaft mit großer Skepsis betrachtet.
Die Szene um die Nahtodesforschung wurde in den 80er Jahren eine Art neue religiöse Bewegung mit dem Anspruch, wissenschaftlich zu sein.
Das Leben nach dem Tod schien »bewiesen«. Dem Sterbeprozess war das Furchteinflößende und seine Kälte genommen, als Menschen auf
einmal davon sprachen, dass sie während einer Operation, eines Verkehrsunfalls oder beim drohenden Ertrinken, ihren Körper verlassen
konnten, durch einen Tunnel schwebten, nahen Verstorbenen begegneten, auf ihr vergangenes Leben zurückblickten und grenzenlose Liebe in
Form einer Lichtgestalt erlebten, die je nach Glaube mit Christus oder mit einem Energieball assoziiert wurden. Wer Überlebenden mit
Nahtodeserlebnissen begegnet ist, hat die Veränderungen mit eigenen Augen sehen können, die das transzendente Erlebnis bei ihnen auslöste. Es
hat sie zu der einschneidenden Transformation ihres Lebens bewegt, und niemand wird jemals an ihrer Überzeugung rütteln können, dass das, was
sie erlebt haben, real war.
Die Skeptiker, insbesondere viele Fachwissenschaftler, hörten sich die Berichte über all die Jahre mit einem müden Lächeln an und fegten den
Schluss, die Nahtodeserfahrung beweise die Existenz einer Seele, damit vom Tisch, sie sei allein das Produkt des Gehirns. Der verbreitetsten
Theorie im Kreise der Skeptiker zufolge machte man den Sauerstoffmangel im Gehirn des klinisch Toten für das Nahtodeserlebnis
verantwortlich. Damit schien der physiologische Verursacher dieser »Halluzination« gefunden. Andere zogen psychologische und medizinische
Faktoren wie die Angst vor dem Tod oder die Wirkung von bestimmten Medikamenten als Ursache für die Nahtodeserlebnissen heran.
Nur eine prospektive Untersuchung kann solchen Theorien den Wind aus den Segeln nehmen. Der Herzspezialist Pim van Lommel befragte
deshalb 344 Patienten, die nach einem Herzstillstand erfolgreich reanimiert worden waren. Dreiviertel der Patienten konnten innerhalb von fünf
Tagen nach der Wiederbelebung befragt werden. Zwei und acht Jahre später wurden diejenigen, die eine Nahtodeserfahrung hatten, noch einmal
befragt und auf die Nachwirkungen hin untersucht. Das quantitative Ergebnis ist vielleicht auf den ersten Blick enttäuschend. Nur 61 der 344
Wiederbelebten konnten von einer Nahtodeserfahrung berichten (das entspricht 18 Prozent); nur 41 Patienten hatten eine »tiefe«
Nahtodeserfahrung (12 Prozent). Die Enttäuschung legt sich aber gleich wieder, wenn man in der Interpretation zu Beginn der Studie liest: »Wir
wissen nicht, warum so wenige Herzpatienten nach einer CPR (Reanimation) von einer Nahtodeserfahrung berichten... Erklärt man die
Nahtodeserfahrung rein physiologisch wie etwa durch den Sauerstoffmangel im Gehirn, müssten die meisten der Patienten, die klinisch tot waren,
auch von einer solchen berichten.« - Dies reicht hoffentlich dazu aus, in der wissenschaftlichen Welt eine neue Diskussion über die Ursprünge des
menschlichen Bewusstseins in Gang zu bringen. Wir befragten Pim van Lommel über seine Vorgehensweise und Beweggründe.
Info3: Können Sie noch einmal kurz erläutern, was genau an Ihrer Untersuchung neu war?
van Lommel: Sie war prospektiv. Bisher waren die Studien retrospektiv, das heißt, man befragte Leute, ob sie eine Nahtodeserfahrung hatten
und ließ sie sich dann genau beschreiben. So hört man Geschichten, die zehn Jahre und älter sein können. Oft weiß man auch nicht mehr genau,
was damals die medizinische Diagnose war. In unserer Studie wussten wir zum einen genau, was los war, und zum anderen wählten wir eine
medizinische Diagnose, bei der kein Zweifel besteht, dass der Patient sterben wird, wenn man nicht innerhalb von fünf bis zehn Minuten mit der
Reanimation beginnt. Letzteres war deshalb wichtig, weil man häufig bei Fällen von Ertrinken oder Schock von Nahtodeserfahrungen hört, aber
man eigentlich nie genau weiß, wie lebensbedrohlich diese Situationen wirklich waren. Alle 344 Patienten hatten einen Herzstillstand aufgrund
eines Herzinfarkts. Sie waren klinisch tot. Wenn das Herz aufhört, zu schlagen, fällt der Blutdruck, die Atmung stoppt und man verliert das
Bewusstsein. Beginnt man nicht innerhalb von 5 bis 10 Minuten mit der Wiederbelebung, stirbt der Patient am Zerfall der Hirnzellen.
Waren Sie über die geringe Anzahl von Patienten mit einer Nahtodeserfahrung enttäuscht?
van Lommel: Nein, bisher hatte man aufgrund retrospektiver Studien auf eine höhere Prozentzahl geschätzt. Statistisch gesehen sind solche
Studien jedoch nicht sehr verlässlich. Man braucht die Ergebnisse einer Studie, wie wir sie durchgeführt haben, um die genaue Prozentzahl
bestimmen zu können.
Was ist Ihrer Meinung nach die Hauptaussage Ihrer Studie?
van Lommel: In unserer Studie wurde gezeigt, dass 18 Prozent der Patienten, die die physiologischen Reaktionen eines Herzstillstandes zeigten,
d.h. kein Bewusstsein mehr hatten, ein klares Bewusstsein und Bewusstsein von sich selbst hatten. Sie hatten Gedanken und Gefühle und
konnten sich an ihre frühe Kindheit erinnern. Sie hatten auch Wahrnehmungen außerhalb ihres Körpers und konnten ihrer Reanimation
zuschauen. Die Theorie einer physiologischen Ursache muss also ausgeschlossen werden. Das ist der einzige Schluss, zu dem man kommen muss,
wenn man auf unsere Ergebnisse schaut. Bisher dachte man, dass das Bewusstsein und die Erinnerungen das Produkt des Gehirns sind. Wenn es
jedoch keine Gehirnfunktion mehr gibt, wie ein flaches Elektroenzephalogramm (EEG) aufzeigt, gibt es doch noch 18 Prozent der Patienten, die
ein volles Bewusstsein und Wahrnehmungs- und Erinnerungsvermögen haben.
Kritiker behaupten, Ihre Studie sei ungenügend, weil sie kein EEG bei den Patienten vorgenommen hätten, das allein beweisen könnte, dass das
Gehirn tatsächlich nicht mehr funktionierte.
van Lommel: Es ist richtig, dass wir bei einem Herzstillstand kein EEG vornehmen. Wir machen ein Elektrokardiogramm (EKG), das die
Herzaktivität aufzeigt. Doch es gibt drei Untersuchungen, die wir in der Studie anführen, die zeigen, dass unter bestimmten Umständen, nämlich
wenn die Funktion eines internen Defribillator bei einem herbeigeführten Herzstillstand getestet werden soll, ein EEG vorgenommen und so
festgestellt wurde, dass innerhalb von zehn Sekunden mit dem Eintritt der Bewusstlosigkeit das EEG flach wurde. Dasselbe muss also für alle
Patienten gelten, die einen Herzstillstand haben.
Was war für Sie das Wichtigste, was Sie aus dieser Studie gelernt haben?
van Lommel: Das Wichtigste für mich war, dass wir nicht in der Lage waren, eine andere Erklärung für die Ursache der Nahtodeserfahrung geben
zu können. Wir sind mit der Tatsache konfrontiert, dass unser Verständnis vom Bewusstsein als Produkt des Gehirns neu überdacht werden
muss. Mit dem bestehenden Begriff können wir die Ergebnisse unserer Studie nicht verstehen.
Wie erklären Sie sich, dass eine bedeutende Anzahl von Patienten mit einer tiefen Nahtodeserfahrung, nämlich 43 Prozent, innerhalb von
dreißig Tagen nach der Wiederbelebung verstarb?
van Lommel: Ich glaube, dass ich das erklären kann, wenn auch nicht wissenschaftlich. Wenn man eine Nahtodeserfahrung macht, weiß man
plötzlich - man glaubt nicht mehr -, dass es keinen Tod gibt. Denn man fühlt sich außerhalb des Körpers lebendig und sofort verschwindet die
Furcht vor dem Tod. Ich glaube, dass so jemand in gewisser Weise den Zeitpunkt wählen kann, wann er gehen möchte. So jemand wird »locker«
und kann seinen Körper jederzeit verlassen. Statistisch gesehen war das sehr auffällig. Nach zwei Jahren wollten wir mit unseren Patienten mit
einem Nahtodeserlebnis das zweite Interview durchführen und stellten fest, dass die meisten verstorben waren. Dann sahen wir, dass der
Zeitpunkt ihres Todes hauptsächlich in den ersten dreißig Tagen auftrat, nachdem sie die Nahtodeserfahrung gemacht hatten.
Sie und Ihre drei Kollegen haben für diese Studie eine Unmenge an statistischem Material gesammelt, das etwa den Stellenwert von Geschlecht
und Alter bei der Nahtodeserfahrung aufzeigt und auch wie sich die Nachwirkungen auf das soziale und religiöse Verhalten der Patienten
auswirkten. Was haben diese einschneidenden Veränderungen im Leben der Patienten Ihrer Meinung nach bewiesen?
van Lommel: Unsere Studie ist bisher die einzige, die eine entsprechende Kontrollgruppe hatte, d.h. wir haben dieselben Interviews mit Patienten
durchgeführt, die einen Herzstillstand ohne eine Nahtodeserfahrung hatten. Man könnte ja sagen, die Leute haben sich hinterher geändert, weil
sie einen Herzstillstand hatten. Wir haben deshalb eine Kontrollgruppe mit derselben Anzahl von Leuten in demselben Alter, Geschlecht und
Zeitabstand wie in der ersten Gruppe gebildet und erhielten ein völlig anderes Ergebnis bei den Nachwirkungen. Die Patienten ohne
Nahtodeserfahrung haben zum Beispiel eine große Angst vor dem Tod.
Wann haben Sie zum ersten Mal von einer Nahtodeserfahrung gehört?
van Lommel: Das war 1969. Ich war ein junger Assistenzarzt in einem Krankenhaus und ließ mich dort als Kardiologe ausbilden. Ein Patient
wurde also wiederbelebt und erzählte anschließend von einem Tunnel und einem strahlenden Licht, einer wunderschönen Musik und Landschaft,
die er gesehen hatte. Das habe ich nie mehr vergessen, doch ich habe nie etwas damit unternommen. Eines Tages gab mir ein Freund das Buch
von George Ritchie Rückkehr von Morgen. Ich las es und begann dann, meine Patienten zu interviewen, die in den Jahren zuvor von mir
wiederbelebt worden waren. Innerhalb von zwei Jahren hatte ich 50 Patienten mit einem Nahtodeserlebnis gesammelt. 1988 begannen wir dann
mit der prospektiven Untersuchung. Die ganze Arbeit haben freiwillige Helfer gemacht. Wir hatten überhaupt keine finanzielle Unterstützung.
Wie haben Sie die zehn Krankenhäuser gefunden, die bei der Studie mitgewirkt haben?
van Lommel: Das war harte Arbeit für mich (lacht). Zuerst habe ich Vorträge in den Krankenhäusern für die Ärzte und besonders für die
Krankenschwestern gehalten. So fanden wir Kontaktpersonen in jedem Krankenhaus, die bereit waren, mit uns zusammenzuarbeiten. Außerdem
gab es Koordinatoren, die einmal im Monat die Krankenhäuser besucht haben.
Wussten die Patienten, was eine Nahtodeserfahrung ist?
van Lommel: Wir haben nur offene Fragen gestellt, das heißt, wir haben sie gefragt, ob sie Erinnerungen an die Zeitspanne hatten, während der
sie klinisch tot waren. Es gibt noch eine weitere prospektive Untersuchung, die jedoch bei einer weitaus kleineren Gruppe von Patienten in
England durchgeführt wurde. Sie wurde im vergangenen Jahr veröffentlicht.3 Als wir 1992 unsere Patienten das erste Mal interviewt hatten,
gaben wir unseren Kollegen in England unser Untersuchungsdesign mit den Fragen, die wir entworfen hatten. Es handelt sich also um dasselbe
Untersuchungskonzept.
Wie reagieren Sie auf die Kommentare in der Fachwelt? Zum Beispiel meinte ein Wissenschaftler, es sei doch der beste Beweis, dass das Gehirn
nicht tot war, weil der Patient in Ihrer Studie wiederbelebt werden konnte.
van Lommel: Das Gehirn war auch nicht tot und ich sage auch nirgendwo etwas über ein Leben nach dem Tod. Was ich sage, ist: Es ist möglich,
dass man sein Bewusstsein, sein Selbstbewusstsein haben kann, wenn man ein flaches EEG hat, d.h. wenn das Gehirn nicht mehr funktioniert. -
Ich erlebe große Vorurteile und das ist äußerst schwierig, wenn jemand das mit Wissenschaft kombiniert. Für mich bedeutet Wissenschaft,
Fragen zu stellen. Diese Leute stellen jedoch keine Fragen, sondern setzen Antworten voraus. Es ist einfach nicht möglich, dass die
Nahtodeserfahrung auf einer Einbildung besteht. Aber diese Erfahrung ist natürlich subjektiv. Fällt in der Wissenschaft jedoch der Begriff der
Subjektivität, dann hat man ein Problem. Denn wie soll man beweisen, dass ein Gemälde schön ist? Man kann auch nicht beweisen, dass man
deprimiert oder verliebt ist. Aber für den, der die Erfahrung macht, ist es eine subjektive Realität.
Sind nicht die einzelnen Elemente der Nahtodeserfahrung wie die Vision des Tunnels oder des Lichtes objektiv?
van Lommel: Das ist eher eine universelle Erfahrung, das heißt, viele Leute haben dieselbe Erfahrung. Und alle Leute haben auch dieselben
Nachwirkungen. Es handelt sich also nicht um eine subjektive Halluzination oder so etwas.
Wenn das Gehirn nicht der Schöpfer des Bewusstseins ist, was ist es dann?
van Lommel: Ich denke, das Gehirn ist eine Art Empfänger. In dem Raum, in dem Sie jetzt sind, befinden sich elektromagnetische Wellen von
tausenden von Telefonanrufen von Mobiltelefonen und von hunderten Fernsehprogrammen. Wenn Sie nun einen bestimmten Empfänger
anschalten wie etwa Ihr Mobiltelefon, können Sie eine dieser informativen Wellen empfangen. Wenn Sie den Empfänger wieder abschalten, dann
nehmen Sie nicht mehr wahr, dass all diese Informationen um Sie herum sind. Aber sie sind immer noch da. Das Fernsehprogramm ist also nicht
im Fernseher, sondern wird vom Fernseher nur empfangen. Das Gehirn empfängt das Bewusstsein. Wenn jedoch das Gehirn nicht mehr
funktioniert, besteht die Möglichkeit, dass das Selbstbewusstsein zusammen mit dem Bewusstsein und den Erinnerungen außerhalb des Gehirns
existiert.
Und wer macht dann, um einmal bei diesem Bild zu bleiben, Ihrer Meinung nach das Fernsehprogramm?
van Lommel: Das ist eine gute Frage. Dafür hat jeder einen anderen Namen. Christen nennen es Gott, Buddhisten nennen es eine »höhere
Organisation« - und doch meinen alle dasselbe für etwas, wofür es eigentlich keinen Namen gibt und das immer um uns herum ist und uns
Informationen und auch andere Energien zuleitet. Rudolf Steiner hat das auch gesagt. Er hat sehr interessante Bücher über das Leben nach dem
Tod und vor der Geburt geschrieben. Vielleicht kennen Sie auch Calvert Roszells Buch Das Leben an der Todesschwelle? Es gibt also
verschiedene anthroposophische Bücher zu diesem Thema. Was Leute heute individuell in den Nahtodeserfahrungen erleben, ist etwas, was in
der esoterischen Literatur schon immer gesagt und gewusst wurde. Es ist überhaupt nicht neu. Liest man zum Beispiel das Tibetische Totenbuch
oder das Jüdische Buch vom Leben und Sterben 4- alle sagen dasselbe.
Wie werden Sie Ihre Ergebnisse und Entdeckungen für eine zukünftige Studie verwerten?
van Lommel: Ich arbeite an einem weiteren Artikel, in dem ich versuche, eine Erklärung dafür zu geben, wie es möglich ist, dass es zwischen
unserem Gehirn mit all seinen neurophysiologischen Prozessen und unseren sich ständig erneuernden Körperzellen eine Verbindung zu unserem
Bewusstsein gibt und wie diese Interaktion erklärt werden kann. Damit sind wir gleich in der Quantenmechanik und bei Begriffen wie »non-local
interconnectedness«, womit gemeint ist, dass alle Ereignisse miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. Das sind Prinzipien,
die man in die Diskussion über die Nahtodeserfahrung, über das Bewusstsein, die Erinnerung und das Gehirn einbringen kann. Ich versuche nun,
dem eine mehr wissenschaftliche Grundlage in unserer Serie zu geben. Aber das ist recht schwierig, weil, wo immer man die Quantenmechanik
anwendet, man viele verschiedene wissenschaftliche Richtungen zusammen bringen muss. In der Quantenmechanik gilt die Voraussetzung, dass
es keine Objektivität gibt. Alles ist subjektiv. Es kann bewiesen werden, dass sich das Licht in einigen Experimenten wie Teilchen (Photone)
verhält und in anderen wie Wellen. Beides trifft zu. Das ist Subjektivität. Alles beeinflusst sich gegenseitig; auch der Beobachter beeinflusst das
Ergebnis einer beobachteten Begebenheit. Das ist die Grundlage der Quantenmechanik.
Welche Resonanz erhielten Sie auf die Veröffentlichung Ihrer Arbeit sonst noch?
van Lommel: Die Studie wurde überall in der ganzen Welt aufmerksam gelesen. Ich bekam aus vielen Ländern in Europa, aber auch bis aus
Indien, Australien und Neuseeland Rückmeldungen. Bis jetzt habe ich an die 30 Interviews gegeben und bereite nun mehrere Fernsehprogramme
vor, u.a. eines für das kanadische Fernsehprogramm Discovery Science.
Welche Beziehung haben Sie zur holländischen Assoziation für Nahtodesforschung (IANDS), die Stichting Merkawah? Hat die Stiftung an der
Studie mitgewirkt?
van Lommel: Ja, die Mitglieder von Merkawah waren für uns freiwillige Mitarbeiter. Das sind Psychologen, Studenten, Leute, die offen sind.
Einige von ihnen hatten eine Nahtodeserfahrung; die meisten jedoch nicht. Das IANDS in Holland wurde 1988 von mir, zwei Psychologen, einem
Chirurgen und einer Dame, die für Elisabeth Kübler-Ross gearbeitet hat, gegründet. Wir treffen uns zwei-, dreimal im Jahr; das sind jedes Mal an
die 100 bis 150 Leute; es werden Vorträge angeboten und man tauscht sich untereinander aus. Außerdem haben wir Gruppen, die es Leuten mit
einer Nahtodeserfahrung ermöglichen, offen darüber zu reden. Denn es ist nicht einfach, eine Nahtodeserfahrung zu verarbeiten. Ich würde
sagen, dass sich an die 80 Prozent scheiden lassen. So eine Erfahrung löst ein soziales Problem aus; es dauert Jahre, bis sie verarbeitet werden
kann, weil unsere Gesellschaft nicht zulässt, darüber mit dem Lebenspartner oder etwa den Krankenschwestern zu reden.
Interview und Übersetzung: Judith Krischik
Fußnoten:
1. Pim van Lommel, Ruud van Wees, Vincent Meyers, Ingrid Elfferich, Near-death experience in survivors of cardiac arrest: a prospective study
in the Netherlands, in The Lancet, Vol. 358, Number 9298, 15.12.2001, www.thelancet.com zurück
2. Bijna-doodervaring blijft mysterie in De Telegraaf, 13.12.2001, Übersetzung jk zurück
3. Sam Parnia et al., A qualitative and quantitative study of the incidence, features and aetiology of near death experiences in cardiac arrest
survivors, in Resuscitation, 48 (2001), www.elsevier.com/locate/resuscitation zurück
4. Sogyal Rinpoche, Das tibetische Buch vom Leben und Sterben. Ein Schlüssel zum tieferen Verständnis von Leben und Tod, O. W. Barth,
München 1993; Lewis D. Solomon, The Jewish Book of Living and Dying, Jason Aronson, 1999 zurück
Anschrift
Stichting Merkawah: Susannadonk 76, NL-4707 WS Roosendaal, Tel./Fax. 0031-165-529813, www.merkawah.nl, info@merkawah.nl