Der Humanist: Der Menschheit verpflichtet

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 22. Februar 2000 · Politik: Volksbegehren in Bayern

Derzeit laufen in Bayern die Eintragungsfristen fuer ein Volksbegehren des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnen-Verbandes (BLLV). Sinn und Zweck des dieses Begehrens ist, eine radikale Schulreform, geplant von der bayer. Staatsregierung, zum Scheitern zu bringen. Auf einen simplen Nenner gebracht, sollen in Bayern künftig in der vierten Hauptschulklasse die Entscheidungen getroffen werden, fuer ein weiterfuehrendes Gymnasium (ist bereits Realität) oder fuer eine weiterfuehrende Realschule. Der Notendurchschnitt entscheidet. So genannten Spätentwicklern (in der fuenften und sechsten Klasse) wird somit der Boden entzogen, der Auswahldruck vehement erhöht und in die untersten Klassen (gar in die Vorschule) getragen. Die Grund- und Hauptschule wird zum Selektionsmedium degradiert.

Die Partei, die in Bayern derzeit noch den Ministerpräsidenten stellt, die CSU, warb - unter anderem - am Dienstag den, 15.02.2000 mit einer viertelseitigen Anzeige auf der letzten Seite des Schwabacher Tagblattes:

Sagen Sie NEIN zum Volksbegehren...
Gehen Sie bitte n i c h t zum Unterschreiben!

Die Aussagen dieser Kampagne implizieren meines Erachtens, dass hier mit medialen Mitteln versucht wird, den mündigen Bürger davon abzuhalten, durch Abgabe seiner Unterschrift eine Volksabstimmung zu initiieren. Es ist evident - kann die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, wird eben versucht, sie entsprechend zu manipulieren.
Meiner Meinung nach bedarf es bei den Initiatoren dieses Inserates - mit ihrer unerträglichen politischen Berufslaiendünkelhaftigkeit - noch einiger Nachhilfe ihres demokratischen Sach- und Staatsverständnisses. Statt einbürgerungswilligen Nichtdeutschen die scheinbare Unkenntnis der heimischen Normen und Historie vorzuhalten, sehe ich hier eminenten staatsbürgerlichen Bildungsbedarf bei hiesigen politischen Entscheidungsträgern.

Laut Bayerischer Verfassung vom 2.12.1946 tut das Volk "seinen Willen durch Wahlen und Abstimmungen kund". (BV, Art. 2,2). "Träger der Staatsgewalt ist das Volk". (BV, Art. 2,1). "Die gesetzgebende Gewalt steht ausschliesslich dem Volk und der Volksvertretung zu". (BV, Art. 5,1).

Nur unter Berücksichtigung dieser Prämissen ist Demokratie zu verstehen. Bei der persönlichen Unterschrifts-Eintragung zum derzeitigen Vorlauf zu einem Volksbegehren, handelt es sich doch lediglich um eine Willenserklärung der Bürger mit der Option, dass erst daraus ein späteres Volksbegehren entstehen kann. Das heißt, wer sich in den nächsten Tagen in die ausliegenden Listen zum geplanten Volksbegehren einträgt, ist dafür, dass in den nächsten Monaten eine Volksabstimmung stattfinden wird. Hier erst steht dann der Wille des Souveräns zur Entscheidung an. Somit geht es derzeit nicht für oder gegen "Die bessere Schulreform" des BLLV, sondern insbesondere darum, ob die Bürger wünschen, auch ausserhalb der periodischen Wahlmöglichkeiten, an der gesellschaftspolitischen Gesetzgebung mitzuwirken. Dass dies der derzeit herrschenden politischen Kaste in Bayern nicht genehm ist, versteht sich von selbst. Es geht primär um politischen Machterhalt/-ausbau und um elitäre (realschulische) Pfründe. Für den tatsächlichen Willen des breiten Volkes hat man offenkundig und einvernehmlich selten ein Gespür. Bestenfalls als Kanonenfutter und billige, nicht hochqualifizierte Arbeitskräfte soll es parat stehen.
Apropos fachliche Qualifikation. Welchem Schülervater ist schon bekannt, dass die bayer. Kultusministrin Hohlmeier nach dem Abitur lediglich eine abgeschlossene Berufsausbildung als "Hotelfachfrau" genoss und zudem ihr offizielles Ministergehalt deutlich über dem einer norddeutschen Ministerpräsidentin (Simonis) liegt? Nun ja, so handverlesen wie eine Strauss-Tochter müßte man sein...

Weiterhin halte ich es – als Selbständiger - persönlich für sehr bedenklich, wenn einseitige Stellungnahmen von m.E. "halbstaatlichen" Zwangsvereinigungen, wie die der IHK, zitiert werden. Die veröffentlichten Meinungen der IHK-Geschäftsführer stehen nicht selten in eklatantem Widerspruch zu denen der Zwangsmitglieder, die zudem mit ihren (meinen) monetären Zwangsbeiträgen für die gut dotierten Gehälter dieser Herren sorgen. Hier wird dem Leser sublim vermittelt, die Geschäftsführungen der IHK`s sprechen im mehrheitlichen Sinne der Zwangsmitglieder. Doch auch hier ist es meist wie anderswo: Man bewegt sich eben schicklich in erlauchter und industrie-politischer Nachbarschaft.

Der Rest des CSU-Inserates sind m.E. populistische oder fadenscheinige Argumente (das Gegenprojekt zur Staatsregierung sei angeblich nicht kindergerecht, nicht bildungsfreundlich, nicht elternfreundlich, sondern überfordere unsere Kinder), die z.T. auch noch widesprüchlich in ihren Aussagen sind. Zum Beispiel im sechsten Absatz: „Das bayer. Handwerk und die Industrie- und Handelskammern [...] haben sich nachdrücklich für das bewährte bayerische Schulsystem ausgesprochen“.

Nun ja – sind die Kammern wohl nun auch gegen die Schulreform der bayer. Staatsregierung, da sie ja "nachdrücklich" alles beim Bewährten lassen wollen?

In Parenthese, und höflich-heiter gefragt: Aus welchem Finanzetat wohl die CSU diese Inserate finanziert? (H.F.)

 21. Februar 2000 · Politik: Spendenskandal - Chance für Neuorientierung!

Der Spendenskandal der CDU hat zur Handlungsunfähigkeit der Partei geführt und eine Glaubwürdigkeitskrise ausgelöst, die über diese Partei hinausgeht. Selbstgefällig und fröhlich auftretende Politiker lügen und vertuschen und scheinen selbst nicht mehr wahrzunehmen, welchen Schaden sie allein mit diesem Verhalten der Demokratie und der Gesellschaft zufügen. Bemerkenswert dabei ist, daß es sich vor allem um Politiker handelt, die einer christlichen Kirche angehören, und einige führende sich sogar als tief gläubig bezeichnen.

Der Skandal ist aber nur ein äußeres Zeichen für eine bereits seit langer Zeit bestehende grundlegende Krise unserer Gesellschaft: für den Mangel an einer tragfähigen ethischen Orientierung. Es sind nicht Parteien, Gesetze oder die sie vertretenden bzw. ausführenden Menschen an sich, die mangelhaft sind. Es sind die bisher maßgebenden ethischen Orientierungen, welche die Menschen eher behindern als fördern, ganzheitlich und wahrhaftig zu denken und zu handeln. Wem bereits als Kind beigebracht wurde, Realitäten vom Gefühl abzuspalten und zu verdrängen, Unglaubhaftes für wahr zu halten und nicht infrage zu stellen. Und wer dann als Erwachsener in sonntäglichen Ritualen das Akzeptieren von Unwahrhaftigkeiten auch noch übt und mit dem Amtseid öffentlich bekundet, bei dem kann diese - im Unterbewußtsein verankerte - Gewohnheit dann auch im Alltag sehr leicht wirksam werden. Ist doch inzwischen bekannt, das selbst die sachlichsten Entscheidungen letztlich vom Gefühl bestimmt werden, das wiederum von der verinnerlichten ethischen Einstellung abhängt.

Es fehlt allgemein an einem Menschenbild, das an verantwortlicher Menschlichkeit orientiert anstatt an Sündigkeit und Erlösung von außen einerseits und materieller Fortschrittsgläubigkeit andererseits. Es wäre ein Dienst an der Gesellschaft, wenn die CDU die Krise zum Anlaß nähme, sich aufzulösen und unter einem Namen neu zu gründen, der nicht die Tendenz zu Selbsttäuschung, -überschätzung und Unwahrhaftigkeit unterstützt, sondern eher die Arbeit an sich selbst und Eigenverantwortung fördert. Auch der Zusatz zur Eidesformel "so wahr mir Gott helfe" sollte durch eine Verpflichtung zu regelmäßiger Supervision ersetzt werden. Es geht um die Substanz des Menschlichen, die bisher aus Unwissen und Bequemlichkeit zugunsten von äußerem Fortschritt sträflich vernachlässigt, ja teilweise sogar tabuisiert wurde. Jetzt wäre ein Anlaß gegeben, um sich mit diesem heiklen aber lebenswichtigen und auch höchst interessanten Thema ehrlich auseinanderzusetzen. Der Gewinn hierbei wird alle möglichen Verluste mehrfach aufwiegen; geht es doch um nachhaltige Stabilität von Mensch und Gesellschaft.

Unsere Gesellschaft braucht eine Erneuerung der ethischen Grundlagen der Menschlichkeit. Sie braucht eine Orientierung, die unmittelbar eine Entwicklung der Qualität des Menschlichen anstrebt, zum Beispiel am Humanismus in einem neuen, ganzheitlichen Verständnis einer ethischen Orientierung, die für alle Menschen - gleich welcher konfessionellen oder ethnischen Zugehörigkeit - offen ist und alle integrieren kann. Hier ein visionärer Vorschlag als reale Utopie: PVM statt CDU, das heißt, Partei verantwortlicher Menschlichkeit, das Ziel ist auch der Weg. - Im Sinne der Ganzheitlichkeit darf hierbei auch die Kirche nicht vergessen werden, auf die ja die CDU ihre ethische Orientierung zurückführt, auch für sie gibt es eine Vision und Chance zu grundlegender Erneuerung: Die Wandlung von einer christlichen zur humanistischen Kirche - offen für alle Menschen guten Willens dieser Welt.

Gastbeitrag von Rudolf Kuhr, Humanistische Aktion

 19. Februar 2000 · Wissenschaft: Weihnachten geht ans Herz

Dass der Vormittag der häufigste Zeitpunkt für Herzanfälle ist, wissen Fachmediziner schon lange. Dass es auch jahreszeitlich bedingte Einflüsse dafür gibt, ist dagegen neu. Forscher der „University of Southern California“ stellten nun in einer zwölfjährigen Langzeitstudie fest, dass sich die besagten Herzattacken in den Winterferien dramatisch häufen, während sie sonst das ganze Jahr über gleichmässig verteilt sind.
Ein Drittel mehr Herzanfälle wurden in den Wintermonaten Dezember und Januar diagnostiziert. Insbesondere war ein drastischer Anstieg um das amerikanische "Thanksgiving", sowie in der Weihnachtszeit und zum Jahresanfang festzustellen. Die Forscher gehen davon aus, dass die Völlerei an den "Feiertagen" – zu fettes Essen, zuviel Salz, sowie Alkohol und Stress – den Menschen ans Herz geht.

Wie wir bereits feststellen mußten: Der Glaube geht durch..., nein schlägt auf den Magen - von wegen, Gläubige leben gesünder. Schon ´mal was von stressfreien atheistischen Weihnachten gehört? (H.F.)

[Psychologie Heute, Das Magazin für Leib & Seele, März 2000]

 18. Februar 2000 · Kultur: Medientipps & mehr: Update

Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 25. Februar, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.

Am 22. Februar 2000 wäre Luis Buñuel, der Begründer des cinematografischen Surrealismus, 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass zeigt das Fernsehen einige seiner sehenswerten Filme:

Am Sonntag beschäftigt sich die Sendung "ML Mona Lisa" (ZDF, 18.15 Uhr) mit dem brisanten Thema "Wo warst du, mein Gott? - Sexueller Missbrauch durch Geistliche": Das Phänomen der sexuellen Misshandlung durch Geistliche kommt weltweit vor - brandmarkt und zerstört allzu oft die betroffenen Familien. Denn einen Bischof oder auch nur einen Pfarrer solch einer Tat zu beschuldigen, ist tabu! In den USA wurden in den letzten Jahren hunderte katholischer Priester des sexuellen Missbrauchs an Kindern beschuldigt, hohe Entschädigungen gefordert. Aber welche Konsequenzen, außer einer Versetzung, haben sie wirklich zu befürchten? Die Sendugn fragt: Werden durch das Zölibat, durch die Tabuisierung von Sexualität perverse Neigungen bei Priestern geradezu hervorgerufen? Macht sie das Fehlen von menschlicher Nähe zu Tätern an unschuldigen Kindern? "ML Mona Lisa" bricht das Tabu und wagt sich in eine Welt der doppelten Moral.

In diesem Zusammenhang sei an die umfangreiche sexuelle und körperliche Misshandlung in irischen Heimen der Kirche erinnert, über die Der Humanist im September berichtete - noch einmal nachzulesen in den Medientipps. (H.J.)

 15. Februar 2000 · Religion: Sexy Brotaufstrich nicht koscher

Angeschmiert ist der ultraorthodoxe israelische Religionsminister Jitzhak Cohen, denn er muss sich zu einer schlüpfrigen parlamentarischen Anfrage äußern. Das Rabbinat der Stadt Herzlia hat das für den Verkauf von Lebensmitteln in Israel unabdingbare Koscher-Zertifikat an eine als Körperaufstrich gedachte Schokocreme vergeben. Die Rabbiner dachten, es handele sich um eine ordinäre Frühstücksbeilage. Dieser Fauxpas veranlasste jetzt den weltlich eingestellten Abgeordneten Joseph Lapid dazu, nachzubohren: Die Zertifizierung dieser Körperglasur verstoße ja wohl gegen alle Glaubensregeln. "Wussten Sie denn nicht", so Lapid zu Cohen, "dass diese Milchschokolade über den ganzen Körper gestrichen wird?" Peinlich für den Oberhüter der Religion, denn gläubige Juden müssen den Verzehr von Milch und Fleisch strikt trennen.
Und wieder einmal: Liebe, aber auch Glaube gehen durch den Magen. (G.S.)

Quelle: taz (online) Nr. 6068 vom 15.2.2000

 14. Februar 2000 · Religion: Göttliche Mahlzeiten

Der Tourismus treibt doch wundersame Blüten. In zahlreichen Gotteshäusern auf der "Britischen Insel" kann der (gläubige) Tourist sehr günstig zu Mittag essen oder einen Afternoon Tea einnehmen.
Auf Anfrage wurde allerdings versichert, man werde dabei nicht missioniert. Wer`s dennoch nicht glaubt, kann einen internationalen Antwortschein an "Association of Ecclesiastical Caterers, St. Albans Abbey, GB AL1 1BY St. Albans (Herfordshire)" senden. Er erhält dann gratis die Broschüre "Eating at Cathedrals and Churches".

Die Liebe ...ääh, der Glaube geht eben auch durch den Magen! (H.F.)

[Seemeile, Zeitschrift für Nautik und Tourismus, Nr.1/2000]

 13. Februar 2000 · Politik: Privilegien ohne Ende

Über Historisches und Aktuelles zum "Verhältnis von Kirche und Staat in Deutschland" referierte der Bundestagsabgeordnete Uwe Hiksch am 8. Februar 2000 bei den Freidenkern in Heidenheim. Der Politiker nahm anhand des Staatskirchenrechtes kirchliche Privilegien und finanzielle Zuschüsse unter die Lupe und fordert eine klare Trennung von Kirche und Staat.

Besonders heiter wurde es, als Uwe Hiksch durch die anschauliche Aufzählung von Beispielen aus Gesetzen und Verordnungen aus seiner bayerischen Heimat aufwartete. So dokumentierte er staatliche Finanzierungen und Baupflichten von rein kirchlichen Bauten, staatliche Selbstverpflichtungen zur Übernahme von Architekten-, Anschluss- und Wasserkosten, Einrichtung von Küchen, Bädern, sogar Spülklosetts, Fenstern, Ölöfen und -tanks, Teppichstangen, Nebengebäuden, Garagen, Brandversicherungen, Kaminkehrergebühren und vieles andere mehr.

Der Humanist berichtet. (H.J.)

 11. Februar 2000 · Kultur: Medientipps & mehr: Update

Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 18. Februar, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.

Am Freitag, 18. Februar, zeigt ARTE um 22.20 Uhr aus Anlass von 100 Jahren Schwulenbewegung eine Doku von Rosa von Praunheim, "Schwuler Mut". Dieser Film soll den mutigen Vorkämpfern der Schwulenbewegung ein Denkmal setzen. Am 15. Mai 1897 gründete der Sexualwissenschaftler Dr. Magnus Hirschfeld in Berlin das 'Wissenschaftlich humanitäre Komitee' zum Kampf gegen den Schwulenparagraphen 175, der übrigens erst 1994 in Deutschland gänzlich abgeschafft wurde.

Im Kampf um Gleichberechtigung gibt es leider immer wieder Rückschläge. In Großbritannien hat 1988 die Eiserne Lady und Pinochet-Freundin Margaret Thatcher ein Gesetz erlassen, das es Schulen und Stadtverwaltungen verbietet, homosexuelle und heterosexuelle Beziehungen auf eine Stufe zu stellen. Dieses Gesetz wollte Premierminister Blair jetzt endlich kippen, aber das Oberhaus hat ihm mit 210 gegen 165 Stimmen einen Strich durch die tolerante Rechnung gemacht: Beziehungen zwischen Homosexuellen dürfen im britischen Schulunterricht weiterhin nicht als gleichwertig dargestellt werden.

Der Abstimmungsniederlage ist eine Medienkampagne der konservativen Boulevardzeitungen vorausgegangen. Die "Sun" und die "Daily Mail" hetzten gegen ein Ende der Diskriminierung, natürlich nur "aus Sorge um unsere Kinder".

Stimmen aus Großbritannien dazu:

Peter Tatchell, Schwulenverband "OutRage!", nennt das Abstimmungsergebnis ein "Votum für fortgesetzte Zensur und Homophobie an unseren Schulen". Der Oppositionsführer William Hague dagegen weiß, was britische Bürger wollen: "Die große Mehrheit der Eltern im ganzen Land wird mit einem Seufzer der Erleichterung reagieren." Eine Umfrage in Schottland gibt ihm Recht: 80 Prozent sind für den Paragraphen. Und was halten die Religiösen von Gleichberechtigung, von toleranter Erziehung der Jugend? Natürlich gar nichts. Der katholische Kardinal Thomas Winning verglich die "militante homosexuelle Lobby" mit der deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg. Und der britische Oberrabbi Jonathan Sacks warnte, Homosexualität sei "moralisch keineswegs gleichwertig". (H.J.)

[Quelle: dpa, 08.02.00]

 6. Februar 2000 · Kultur: Veranstaltungshinweise: Update

Vor 400 Jahren, am 17. Februar 1600, wurde der Philosoph, Schriftsteller, Wissenschaftler und Weltbürger Giordano Bruno von der römisch-katholischen Kirche in Rom als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Der italienische Renaissance-Philosoph, * 1545 in Nola, war bis 1576 Dominikaner-Mönch. Nach seiner Flucht aus dem Orden führte er ein ruheloses Wanderleben durch Frankreich, England und Deutschland, bis er in Venedig 1592 von der Inquisition verhaftet wurde.

Bruno war einer der großen Denker der Renaissance. Er erweiterte die kopernikanische Hypothese zur Weltanschauung ("Vom unendlichen All und den Welten" 1584) und vertrat einen metaphysischen Pantheismus, der für das moderne Lebensbild wegweisend wurde. Er vollzog die Trennung von Philosophie und Theologie und brach mit der römischen Kirche.

Die "Italian Union of Rationalist, Atheist and Agnostics (UAAR)" demonstriert vom 17. bis 19. Februar in Rom für Gedankenfreiheit und gegen fortwährende religiöse Fundamentalismen. Gleichgesinnte sind bei den geplanten Veranstaltungen willkommen.

Genaue Uhrzeiten und Veranstaltungsorte dieser und anderer Hinweise finden sich in unseren Veranstaltungstipps. (H.J.)

 5. Februar 2000 · Kultur: Der Amoklauf in die Postmoderne

"Du bist ein Schwein und Du bleibst es auch
Darum stirbst Du heute auf dem Bauch
Du bist ein Arsch so warst Du halt
Doch deine Reste sind jetzt kalt
Früher warst Du übergroß
in deiner Hose war viel los
Und nach der Arbeit wunderbar
Strichst Du mir gerne durch das Haar
Ich war zu klein und hab' es nicht begriffen
Hast deine Schiesser abgestriffen
So hast Du alles mir zerstört
Und meine Schreie nie gehört

Du fieses Schwein Du hast mich benutzt
Du hast an meinem Schlafanzug dein Ding geputzt
Behalt' es für dich denn es ist geheim
Summst Du es mir im Schlafe ein
Mutti hat's nicht mitgekriegt
Weil sowas sich halt gar nicht schickt
So passiert es immer schlimmer
in meinem kleinen Kinderzimmer
Doch heute aber bist Du tot
Zu lang gelabt an meiner Not
Denn deine Tage sind vorbei
Doch ich - ich werde nie mehr frei

Tötet alle Kinderschänder
In unser aller Herrenländer
Macht sie alle mausetot
Knarre raus [klick] und tot.
" – Alina, in Emma 6/96 vorgestellt unter dem Titel: "Rapperin Alina: endlich Klartext"

Ein angeblicher "Kinderschänder" aus Erfurt ist von drei Männern zu Hause überfallen und totgeprügelt worden. Der Mann war unschuldig, die Gerüchte waren von einem 38jährigen, der nun auch unter Anklage steht, gestreut wurden. [1]

Der Begriff Kinderschänder steht oben in Anführungszeichen, denn er impliziert, daß die Tat für das Opfer eine Schande sei, für die es sich zu schämen habe – so wie auch der Begriff des "Mißbrauchs" einen ordnungsgemäßen "Gebrauch" von Kindern nahelegt und deshalb zu vermeiden ist. Wenden wir uns aber dem eigentlichen Fall zu, so stellen wir fest, daß als Ergebnis der hysterischen Medienkampagne der letzten Jahre der Drang zur Selbstjustiz immer stärker wird, trotz bereits erheblich verschärfter Gesetze. Auch ein Jörg Haider kann mit Forderungen nach schärferen Gesetzen gegen Kindesmißhandler popularisieren – und sich dabei, wie er gestern in der ARD-Sendung "Farbe bekennen" (offensichtlich braun) erklärte, auf Tony Blair und Bill Clinton berufen, die gleiches getan haben.

Wenn es um Kinder geht, deren sexuelle Integrität verletzt wird, dann schaltet bei vielen Menschen offensichtlich der Verstand ab, das Gefühlssystem des Gehirns kontrolliert jede weitere Entscheidung, bis hin zu dem Beschluß, einen vermeintlichen Mißhandler brutal zu ermorden. Dabei ist im Zuge der erwähnten Medienkampagne die Definition von "Mißbrauch" mehr und mehr aufgeweicht worden – denkt man aber an den Begriff, so denkt man automatisch an das schlimmste denkbare Verbrechen, an Vergewaltigung oder gar Mord. Doch als Mißbrauch werden mittlerweile auch sexuelle Handlungen z.B. unter Geschwistern bezeichnet. Wie weit der Übereifer von Staatsanwälten und Polizisten teilweise geht, hat der Fall "Raoul" gezeigt, der alles andere als alleine steht. Doch dazu zu anderer Zeit mehr.

In der Sendung Akte 2000 vom 1. Februar wurden 2 Fälle präsentiert von Kindern im Alter von 10-11 Jahren, die ihre Schwestern in ein furchtbares Elend gestürzt haben sollen – dadurch, daß sie sich "über Jahre hinweg" sexuell an ihnen "vergangen" hätten (wobei in einem Fall nach Aussage der betreffenden Person keinerlei Gewalt angewandt wurde). Über Jahre hinweg ging auch die anschließende "Therapie", in der "Opfern" beigebracht wird, die "Täter" zu hassen und für alles verantwortlich zu machen, was ihnen in ihrem Leben an Übelkeiten widerfährt. Auch Raouls Schwester Sophie wäre in eine solche Therapieeinrichtung gekommen. Und solange sie den Mißbrauch nicht zugegeben hätte, befände sie sich "in denial", d.h. im Zustand der Verweigerung. Es steht außer Frage, daß Tausende Eltern, die die Akte-Sendung gesehen haben, danach ihren Kindern schärfere Restriktionen zum Umgang miteinander auferlegt haben. So wird Körperkontakt mehr und mehr tabuisiert, ganz im Gegensatz zu körperlicher Gewalt, die an vorderste Stelle tritt.

Am gleichen Tag wie die Akte-Sendung kam im ZDF (37 °) eine Dokumentation über Hooligans, "Fußball-Rowdys", die sich nach dem Spiel auf brutalste Weise zusammenschlagen. Davon bekommen sie, wie sie selbst sagen, "einen Kick". Kicks haben sie, wie der Filmbeitrag zeigte, vor allem als Kinder bekommen, von ihren Eltern und von Mitschülern. Einer der Brutalos hatte bereits als Kind von seinem Vater beigebracht bekommen, wie man "sich verteidigt" – und natürlich daß man als richtiger Mann kalt zu duschen hat. (Der Begriff des "Warmduschers", eine (post)moderner Bezeichnung für "Schwächlinge" und "Muttersöhnchen", zeigt auf eindrückliche Weise, in welche Richtung sich unsere Welt bewegt. Kalt geduscht hat man im Mittelalter – wenn überhaupt.)

Wissenschaftlich gesehen sind alle relevanten Fragen beantwortet. Der Entzug von Körperkontakt führt zu Gewalttätigkeit, und Gewalt erzeugt wiederum Gewalt. Kinder haben eine eigene Sexualität, die sie ausleben können müssen, um sich gesund zu entwickeln – das beinhaltet den engen, zärtlichen, gewaltfreien Körperkontakt zu Kindern wie zu Erwachsenen. Aber das Mittelalter hat in gewissen Bereichen, unter anderem in dem der Sexualität, nie wirklich aufgehört. Mit "sexuellem Mißbrauch" ist jedes Sexualtabu wieder einführbar, vom Sex unter Kindern (wobei diese teilweise, so im Bereich der Kinderpornographie, als "unter 18 Jahre" definiert sind) bis hin zur Masturbation (die am Ende des 19. Jahrhunderts als "Self-Abuse" bezeichnet wurde, als Selbstmißbrauch). Eine Gesellschaftsordnung, die auf Liebe und Zuwendung beruht, ist offensichtlich nicht im Interesse der Herrschenden. Durch die Tabuisierung von Sexualität aber wird genau das erzeugt, was man zu bekämpfen vorgibt: Haß und Gewalt, die vor allem gegen die Schwächsten der Gesellschaft gerichtet sind. (EMÖ)

[1] dpa, 4.2.00

 4. Februar 2000 · Kultur: Medientipps & mehr: Update

Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 11. Februar, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.

Am Mittwoch, den 9. Februar, startet ARTE, 20.45 Uhr, eine neue fünfteilige Doku-Reihe von Guido Knopp. Diesmal sind "Hitlers Kinder" das Thema. Jahr für Jahr wurde in Deutschland dem "Führer" ein ganzer Jahrgang "geschenkt". Zu seinem Geburtstag am 20. April wurden landesweit aus jungen zehnjährigen Deutschen Hitlerjungen: Eingeschworen auf Hitler und seinen Wahn.

Bereits 1935 war die Hälfte aller heranwachsenden Deutschen zwischen zehn und 18 Jahren in der Hitlerjugend organisiert. Erst viel später wurde die Mitgliedschaft wirklich zur Pflicht. Doch schon vorher gelang es nur wenigen, sich der fatalen Anziehungskraft der 'Partei- und Staatsjugend' zu entziehen - oder dem gesellschaftlichen Druck zu widerstehen. (H.J.)

 31. Januar 2000 · Religion: Die Schere, der Fisch und die große Meise

„Haar ist wichtig.
Welches Shampoo werde ich heute benutzen? Vielleicht PsycoPath, das sportliche Shampoo mit salonwertigen Mikroproteinen, verpackt in einem männlich schwarzen, spritzgeformten Motoröl-Plastikkanister. Und danach? Einen anregenden Monk-On-Fire, der Plazenta, Nektarinenkernextrakte und Vitamin-B-Komplexe enthält. Und um das alles zusammenzuhalten? First-Strike-Schaumfestiger, hergestellt von pluTONium, dem Haarpflegeinstitut in Sherman Oaks, Kalifornen. Er reguliert sich selbst durch Aloe, Kamille und Harze aus Wachteleiern. Glanz, Halt und Selbstvertrauen. Einfach toll.
Tägliche Überlegungen zu deinem Haar sind wie die Überlegungen, ob man vorschriftsmäßig genormtes Papier oder Briefbögen für den Kopierer benutzen soll. Dein Haar – das bist du, es ist dein Stamm, deine Plakette für Sauberkeit. Haar ist dein Ausweis. Was du auf dem Kopf hast, sagt, was du im Kopf hast. Tägliches Waschen? Nimm dafür ComPulsion mit Ringelblume und Bier. Hormon-Haar, das seine Struktur alle fünf Minuten ändert? Nimm MoodSwing, die belebende Tönung aus Schweden mit Walnußblättern gegen sich selbst schädigendes Haar. Ganz heiß – nuklear –, es zerstört die Nadel auf meinem Ätzmeter.“
(Douglas Coupland: Shampoo Planet)

Ja, es gibt sie tatsächlich, die „Vereinigung Christlicher Friseure“. Haarige Sache, das, aber nicht zu ändern. Rund 300 Mitglieder zählt die Vereinigung, die schon seit 100 Jahren existiert, und Erich Schuh, der Pressesprecher , formuliert das Berufsethos folgerndermaßen: „Frisuren, die ich vor Gott verantworten kann.“ Da niemand weiß, welche Meise unter dem Pony eines christlichen Coiffeurs tschilpt, kann sich folglich auch niemand etwas darunter vorstellen. Genauer nachgefragt, schnippelt Schuh sprachlich munter weiter: „Abstriche an Mode und Frisur sind zwangsläufig nötig. Wir sehen uns der Schönheit verpflichtet, die vom Schöpfer in jeden Menschen hineingelegt wurde.“ Karl Dall gehört augenscheinlich nicht zu seinem Kundenkreis. Und, wenn wir schon dabei sind, offensichtlich gehören auch die Menschen aus dem Popbusiness, die es hip finden, sich zwei kleine Teufelshörnchen frisieren zu lassen, nicht zu seiner Klientel. Wer mag diese Frisuren nur verbrochen haben? Die Figaros des Fegefeuers?

Erkennbar sind die missionierenden Scherenschwinger an den Fischsymbolen in den Schaufenstern. Die widerlichen Dinger kennt man bereits von den Autos. Wer das übersehen sollte, den sollte dann die Auswahl an Zeitschriften, die zu Unterhaltungszwecken ausgelegt werden, stutzig machen. Nix Yellow-Press, „gute Zeitungen und Traktate“, die, ’ne schnelle Mark nebenbei ist ja schließlich nicht zu verachten, auch gleich verhökert werden. „Über den Ladentisch wandern nicht nur Lippenstift und Aftershave, sondern auch manche evangelische Schrift“, beeilt sich Schuh, der mit seinem Namen bei der Vereinigung Christlicher Schuster, so es sie gibt, irgendwie besser aufgehoben wäre, zu sagen.

Ein guter Christ, der etwas auf sich hält, droht anderen gerne mit der Frohbotschaft. Das ist bei den himmlischen Haarkünstlern nicht anders. Schließlich ist die Vereinigung den Richtlinien der Evangelischen Allianz verpflichtet und will ihren Kunden „die frohe Botschaft vom Leben Jesu verkünden“. Mit einem Rasiermesser in Gesichtsnähe sollte man da besser nicht allzu viele Widerworte haben. Kennt noch jemand die alte Redewendung „jemanden über den Löffel balbieren“? Bei einem christlichen Halsabschneider, ähem, Friseur ist das praktizierte Zweideutigkeit. (C.B.)

[Quelle: Frankfurter Rundschau, 27.01.2000]

 28. Januar 2000 · Kultur: Medientipps & mehr: Update

Vorschau der TV- und Radiotipps bis zum 4. Februar, aktuelle Hinweise im Diskussionsforum.

Am Sonntag, den 30. Januar, wiederholt Phoenix in der Reihe "Politische Morde" die Dokumentation über den "Mord am Bankier Gottes - Roberto Calvi und der Vatikan".

Mittlerweile ist auch das Buch zum Film erschienen: Heribert Blondiau/Udo Gümpel: Der Vatikan heiligt die Mittel. Mord am Bankier Gottes. Wer sich über die Hintergründe der weltgeschichtlichen Entwicklungen dieses Jahrhunderts ein Bild machen und sich über die finanziellen und politischen Aktivitäten des Vatikans informieren möchte, dem sei das von Blondiau und Gümpel vorgelegte Buch dringend empfohlen. (H.J.)

 26. Januar 2000 · Religion: 2000 Jahre Christentumskritik

„Wenn die christlichen Kirchen gegenwärtig ihr Millennium feiern, so darf nicht vergessen werden, dass es auch 2000 Jahre Kritik am Christentum gibt." Diese These vertrat Dr. Wolfgang Proske, Sozialwissenschaftler und Bildungsreferent des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) Bayern, der vom bfg Kulmbach eingeladen worden war, um über die frühesten bekannten Christentumskritiker zu sprechen.

Über diesen Vortrag berichtichtet Der Humanist ist seiner REPORTAGE. (H.J.)

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