Zum Tode von Rudolf Augstein

Staatsakt mit christlichem Gottesdienst zu Ehren eines Nichtchristen und Atheisten

 

Die Geschichte eines Protestes     oder

Ein Possenspiel in mehreren Akten

 


1. Akt:     7. November 2002

Rudolf Augstein stirbt an den Folgen einer Lungenentzündung. Die Medien verbreiten, dass der Hamburger Senat seinen Ehrenbürger mit einem Staatsakt ehren will. Der Termin ist noch unbekannt.

"Zwischen dem alten Buch, das 1972 erschienen ist, und dem neuen liegen 27 Jahre. Weil in dieser Zeit in der Theologie weiterhin viel geschrieben wurde und sich auch in den Kirchen einiges getan hat, ist dieser 'Jesus Menschensohn' fast ein neues Buch geworden ... Spekulationen darüber, dass ich - inzwischen 75 Jahre alt - die viel beschworene Umkehr vorgenommen und mich nun eines besseren besonnen hätte, gar in den 'Schoß der Kirche' zurückkehren würde, dürften sich nach der vorlegenden Lektüre erübrigen. [...] Mit meinem Kirchenaustritt wartete ich bis 1968, bis zum Tode meiner frommen Mutter. Aber die christliche Jacke legt man nicht einfach ab. [...] Während ich nun in den Geschichten des Alten Testaments las, wurde mir klar, ich würde einen Trennungsstrich ziehen müssen: Jahwe, der alte Stammesgott, belohnt, straft, befiehlt, schlägt und rottet aus - nach patriarchalischem Gutdünken. Mein Gott war das nicht. [...] Kritiker meines alten Buches haben mir vorgeworfen, ich hätte mich nicht eindeutig entschieden, ob Jesus nun existiert hat oder nicht. Die Rechthaberei von kirchlicher Seite gipfelte darin, sie kenne eine Welt, die höher sei, als 'das armselige Ding', die 'Welt, in der nichts anderes regiert als die menschliche Vernunft'. Augstein, so einer der vielen Vorwürfe, kenne nur den 'historischen Jesus'; und da ich der wahren Gestalt des Gottessohnes fern stünde, könne ich seine Taten auch nicht richtig interpretieren. Richtig ist, die christlichen Grundwahrheiten der beiden großen Religionsgemeinschaften glaubte und glaube ich nicht in der vorgeschriebenen Form - auf mich ist da nicht zu zählen. Entscheidend ist nach wie vor, der Mensch Jesus, wenn es ihn gab, hat mit der Kunstfigur des Christus nichts zu tun. [...] Da fühlt man sich herausgefordert gegenzusteuern, weil nach wie vor umgebogen und als christliche Botschaft verfälscht wird, was sich um den sogenannten Jesus Christus rankt. [...] Den wundersamen Christus gibt es aber nur noch für eine immer schneller immer kleiner werdende Minderheit von Glaubens-Christen. Nicht nur glauben die meisten nicht mehr, was die Kirchen lehren; kaum jemand weiß, was in der Bibel steht, und kaum jemand kümmert sich darum, was von ihm zu glauben verlangt wird. Die Bibel ist den Menschen suspekt geworden, weil die sogenannten Seelenhirten sie so lange ausgequetscht und geschüttelt haben, bis für jedermann bei jederlei Bedarf ein Pflästerchen oder ein Trostbonbon, und bis für jeden, auch politischen Bedarf, die passende Auslegung gefunden wurde. [...]"

Hamburg, im September 1999, Rudolf Augstein
[aus dem Vorwort in: Rudolf Augstein, Jesus Menschensohn, Hoffmann und Campe, Hamburg, 1999]


2. Akt:     13. November 2002

"In der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts spielt die Kirche keine Rolle mehr."

Rudolf Augstein im Jahr 2000, zitiert nach dem "Evangelischen Sonntagsblatt für Bayern"

 

Rudolf Augstein bekannte in seinem letzten persönlichen Interview im Mai 2001 gegenüber WELT AM SONNTAG, dass er weder an Gott noch an Auferstehung glaubt. Wörtlich antwortete er auf die Frage: "Sie glauben nicht an Gott?" "Nein. Ich kenne die Evangelien und die echten Briefe des Apostel Paulus. Ich glaube nicht an die Auferstehung irgendeines Toten, und dann muss ich mich damit weiter auch gar nicht beschäftigen."

Für Rudolf Augstein soll am 25. November im Hamburger Michel ein Staatsakt stattfinden. Der zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtete Staat verabschiedet den konfessionslosen Kirchen- und Christentumskritiker christlich. Mit Pfarrer. Mit christlicher Predigt. Mit Brahms "Requiem". In einer Kirche.

Es hatte Klärungsbedarf darüber gegeben, in welchem Rahmen des verstorbenen Publizisten gedacht werden soll. Dabei mussten die Interessen der Familie und des Verlages ebenso berücksichtigt werden wie die des Senats und des Kirchenvorstandes, berichtet der Hauptpastor der Michaelis-Kirche, Adolphsen, in DIE WELT (veröffentlicht 13.11.02). Man wundert sich, wer alles bei der Gestaltung eines Staatsaktes mitbestimmen darf und sucht vergebens den Verstorbenen in dieser Liste.

"Nun steht fest, dass die Trauerfeier einen gottesdienstlichen Charakter haben wird", erklärt der Pfarrer des Hamburger Michels. In seiner Predigt will er vor allem auf die christliche Sicht über Sterben, Tod und Auferstehung eingehen. "Es soll deutlich werden, dass dieser Staatsakt in einer Kirche stattfindet." 

Augstein, der an ein Leben nach dem Tod nicht glaubte, predigt man von der Auferstehung. Will man den Toten ehren, oder will man ihn und seine Weltanschauung verhöhnen?


3. Akt:     14. - 18. November 2002

"Es war und ist das Geschäft der Religion, Gott und den Menschen gegeneinander auszuspielen. Niemand verstand und versteht es so wie die christlichen Kirchen, den Menschen mit Schuldgefühlen unter Spannung zu bringen. Ist der Druck auf einen kaum noch erträglichen Höhepunkt getrieben, konnten und können die Kirchen mit dem Gnadenmittel der Sündenvergebung zur Stelle sein."

Rudolf Augstein, zitiert nach dem "Evangelischen Sonntagsblatt für Bayern"

 

Die geplante Gestaltung der Trauerfeier für Rudolf Augstein in der Hamburger Michaelis-Kirche hat mittlerweile Christen wie Konfessionsfreie zu Protesten veranlasst.

Während Pastor Adolphsen gegenüber der WELT von einem Staatsakt mit "gottesdienstlichem Charakter" spricht, äußert er sich gegenüber der Nachrichtenagentur idea – wie wir erfuhren – gegenteilig: Es sei ein Staatsakt, aber kein Gottesdienst. Die Feier würde vom Hamburger Senat ausgerichtet, nicht von der Kirche.

Der Pressereferent der Senatskanzlei Christian Saadhoff - im Internet für Rückfragen zur Trauerfeier angegeben -,  wiederum spielt uns gegenüber zunächst die Rolle des Senats herunter. Das sei von Familie, Verlag und Kirche mitorganisiert, er mag auch gar nicht das Wort "Staatsakt" hören – die Medien hätten ohne Rückfrage eine falsche dpa-Meldung abgeschrieben - , erklärt aber schließlich, dass der Senat gemeinsam mit der Familie die Trauerfeier organisiert. "Diese Trauerfeier ist (auch) staatlich organisiert, aber immer noch kein 'Staatsakt' - egal wer das Wort wie oft benutzt." Lediglich eine Wortklauberei, denn ein "Staatsakt" ist nach seinen Worten etwas mit großem "Trara mit Nationalhymne etc, Trauerfeier ist etwas bescheidener". Außerdem: "Da der Senat sich nicht mit der Religionszugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit seiner Ehrenbürger befasst, war die Kirche der anzunehmende Ort." - Auch für Hindus, Juden, Moslems, fragt man sich da erstaunt? Wohl kaum, aber für den konfessionslosen Kirchenkritiker!

Soweit, so gut. Die für Hamburg zuständige evangelische Nordelbische Landeskirche spricht trotzdem auf unsere Frage hin, ob jetzt auch Ausgetretene einen Anspruch auf kirchliche Trauerfeier und Bestattung hätten, von einem "Staatsakt" – das haben sie sicher auch aus der falschen dpa-Meldung, genau wie der Pastor. Für die Trauerfeier, die keine kirchliche sei, sei lediglich das Gebäude zur Verfügung gestellt worden. Warum will allerdings dann der Pfarrer dort predigen? Wir verweisen auf den entsprechenden WELT-Artikel, erhalten aber vorerst keine Antwort.

Auch der Ratsvorsitzende der EKD, Kock, wird von uns zur Sachlage befragt, wie es kommt, dass ein Konfessionsfreier und erklärter Nicht-Christ kirchlich beerdigt und betrauert wird. Nachdem wir auf den WELT-Artikel hingewiesen haben, kann sein persönlicher Referent, Pfarrer Körbel, unsere Irritation verstehen. Aber: "Die ausschließliche Verantwortung für die Entscheidungen für den Staatsakt in der Michaeliskirche und für die Trauerfeier in Keitum [Nicht nur der Staatsakt sollte in einer Kirche mit pastoraler Begleitung stattfinden, sondern auch das Begräbnis auf Sylt.]   liegt bei der Kirchenleitung der Nordelbischen Ev.-Lutherischen Kirche (NEK). Präses Kock wird darum dazu nicht Stellung nehmen."

Die evangelische und evangelikale Medien berichten mittlerweile in Artikeln und Radiosendungen über Augstein, den Atheisten und Kirchengegner. Viele lehnen den Gottesdienst für den "pathologischen Kirchenhasser" (Evangeliums-Rundfunk ERF) ab, aber manche befürworten ihn auch, z.B. www.jesus-online.de, durch einen Leserbrief auf die Sache gestoßen: Nach einer Tirade über den "Atheisten Augstein", der "immer und mit ganzer Vehemenz mit beispiellosem Sarkasmus versucht die Kirchen und oft auch deren Taten in den Schmutz zu ziehen", finden sie eine kirchliche Trauerfeier völlig in Ordnung, um die Angehörigen "entweder zu trösten oder was mir näher erscheint, zu warnen". - Die Trauerfeier als Möglichkeit der Mission.

Mehrere Interessenverbände von Freidenkern, Humanisten und Atheisten fordern nun auf Initiative des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) in einem gemeinsamen Offenen Brief an den Hamburger Bürgermeister Ole von Beust und die Senatsmitglieder, die Gestaltung der staatlichen Trauerfeier weltanschaulich neutral zu halten, so dass die Gedenkveranstaltung "das Andenken des Verstorbenen wirklich ehrt und es nicht verhöhnt und auch der Unterschiedlichkeit der Weltanschauungen der Bevölkerung gerecht wird!"

==> Gemeinsamer Offener Brief vom 18. November 2002


4. Akt:     19. November 2002


"Wohin wir auch blicken, Jesus als geschichtliche Person können wir nicht dingfest machen. Es fehlt an jedem Anhalt. Er ist die personifizierte Heilserwartung seiner damaligen Anhänger. Er steht nicht auf geschichtlichem Boden, er schreitet durch uns hindurch."

Rudolf Augstein, zitiert nach dem "Evangelischen Sonntagsblatt für Bayern"


... es ist ein Staatsakt, es ist kein Gottesdienst ... es ist kein Staatsakt, es ist ein Gottesdienst... es ist...

Es könnte eine unendliche Geschichte werden.

Heute nun sehen sich die Nordelbische Landeskirche und Hauptpastor Adolphsen von der Michaelis-Kirche veranlasst, eine Presseerklärung abzugeben. Während die Nordelbische Kirche uns noch vor vier Tagen mitteilte: "Es handelt sich bei der Trauerfeier für Rudolf Augstein nicht um eine kirchliche Trauerfeier, sondern um einen Staatsakt, für den die Kirche St. Michaelis als größte Kirche Hamburgs zur Verfügung gestellt wurde", trägt die heutige epd-Pressemeldung die Überschrift: "Kein Staatsakt, sondern Gottesdienst". Und reagieren damit auf unser hartnäckiges Nachfragen und die laufende Berichterstattung bei www.humanist.de .

Ein Gottesdienst - mit Predigt - also zu Ehren des Kirchenkritikers, Atheisten und Konfessionslosen, der nicht in den "Schoß der Kirche" zurück wollte. Auf der Website der Nordelbischen Kirche heißt es zwar: "In jedem Fall ist der Wille des Verstorbenen zu achten und zu respektieren. In der Regel möchte derjenige, der aus der Kirche ausgetreten ist, auch nicht kirchlich bestattet werden", aber wen schert’s, wenn die Publicity winkt. Und der letzte Sieg über den Abtrünnigen und Gegner.

Da passt es gut, dass Familie und Verlag die Trauerfeier ausdrücklich gewünscht hätten. Das wäre Voraussetzung gewesen, teilt die Kirche mit. "Gemäß den 'Richtlinien für gottesdienstliches Handeln' der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche Deutschlands (VELKD) seien grundsätzlich 'Gottesdienste aus Anlass der Beerdigung Ausgetretener' möglich", heißt es nun von der Nordelbischen Kirche. Und sie schreibt gleichzeitig auf ihrer Website: "Das ist grundsätzlich nicht möglich. Wer aus der Kirche austritt, erklärt damit auch, dass er auf eine kirchliche Trauerfeier verzichtet." Die kirchliche Bestattung Ausgetretener ist ausdrücklich eine Ausnahmeregelung, die hier bemüht wird, und "nur in seelsorgerlich begründeten Fällen möglich". Die seelsorgerische Betreuung der Angehörigen mag für die kirchliche Bestattung Augsteins auf Sylt zur ausnahmsweisen Anwendung gekommen sein. Aber wer soll bei der offiziellen staatlichen Trauerfeier geseelsorgt werden, so dass die Ausnahmeregelung zieht? Die Öffentlichkeit, die Staatsgäste, die Spiegel-Mitarbeiter?

Die Anfrage für den Michel sei vom Hamburger Senat ausgegangen, teilt Hauptpastor Adolphsen mit. Ein staatliches, weltanschaulich neutrales Organ fragt für einen Gottesdienst an, der laut kirchlicher Presseerklärung "ausdrücklich kein Staatsakt sei"?

Übrigens: Noch gestern schrieb der Senatssprecher Christian Schnee in einer Mail: "Der Wunsch, den Staatsakt in St. Michaelis abzuhalten, ging von der Familie Augstein aus."

Ach ... doch ein Staatsakt? Genau genommen soll das Ganze zweigeteilt werden: Der erste Teil mit gottesdienstlichem Charakter, danach erst würden offizielle Ansprachen folgen. So berichtet es zumindest die Kirche.

Man rettet, was noch zu retten ist... Aber ist wirklich noch etwas an diesem Possenspiel zu retten. Die in privatem Rahmen gehaltene Beerdigung des konfessionslosen Kirchenkritikers Augstein fand bereits heute auf Sylt statt. Rudolf Augstein wurde in einer evangelischen Kirche vom Ortspfarrer ausgesegnet. "Auch nach jedem großen Unglück würde nach Kirche gerufen: Christen seien 'Protestleute gegen den Tod'", rechtfertigt sich der Pastor.

Es stimmt, nach jedem großen Unglück ruft auch der weltanschaulich neutrale Staat nach den Priestern und lässt Trauerfeiern grundsätzlich christlich abhalten. Obwohl nach einer neuesten Umfrage vom Gallup-Institut die Institution Kirche in Deutschland auf den allerletzten von 17 Plätzen in der Vertrauensfrage kam. 74 % der Deutschen vertrauen der Kirche wenig bis gar nicht! Über ein Drittel der Deutschen gehört keiner der beiden großen Kirchen an, im Bundesland Hamburg sind dies sogar 56 % (Angaben der EKD und DBK).

Falls Rudolf Augstein keine gegenteilige Verfügung hinterlassen hat, muss die Entscheidung der Familie für eine christliche Beerdigung akzeptiert werden, auch wenn sie unverständlich ist. Aber die offizielle (und nicht private) Trauerfeier am 25. November in Hamburg, ausgerichtet vom Senat, soll ausdrücklich für den Ehrenbürger der Stadt – zu seinen Ehren –, und nicht als Trost für die offensichtlich christlich eingestellte Familie stattfinden. Und spätestens hier hätte dem Lebenswerk und der Weltanschauung Augsteins mehr Respekt entgegengebracht werden müssen!

Kirche und Senat erwarten zur Trauerfeier am 25. November bis zu 1000 Spiegel-Mitarbeiter. Wir werden sehen, ob sie nach dem Genuss des Gottesdienstes so geläutert seien werden, dass in Zukunft kirchen- und religionskritische Artikel im SPIEGEL zur Seltenheit werden. Es ist ja bald Weihnachten...


5. Akt:     20. November 2002

"Je geringer der geistliche Einfluß der Kirchen wird, desto hartnäckiger suchen sie ihre politischen und sozialen Positionen auszubauen. Je weniger Gläubige es gibt, desto herrschsüchtiger verlangen Staat und Gesellschaft den Lippendienst der Bürger."

Rudolf Augstein

 

... es ist kein Staatsakt, es ist ein Gottesdienst ... es ist ein Staatsakt, es ist kein Gottesdienst ... es ist ...

Das Spiel geht weiter.

Mehrere Nachrichtenagenturen und Zeitungen berichten über den Offenen Brief der säkularen Interessenverbände an Bürgermeister und Senat.

Gestern also verkündeten die Nordelbische Landeskirche und Hauptpastor Adolphsen in einer offiziellen Erklärung zum Streitthema: "Kein Staatsakt, sondern Gottesdienst!"

Da das nun aber bedeutet, dass der verstorbene Rudolf Augstein als Ehrenbürger der Staat Hamburg nun gar keinen Staatsakt erhalten würde - was ja völlig unüblich ist -, fragen wir noch einmal nach. Und erhalten die überraschende Antwort von Senatssprecher Schnee:

"Es ist und bleibt ein Staatsakt - kein Gottesdienst."

Da der Senat die Trauerfeier ausrichtet, muss es der Senatssprecher doch wohl am besten wissen. Und die Kirche? Will sie klammheimlich aus einem Staatsakt einen Gottesdienst machen?

Ist es denn üblich, dass bei einem Staatsakt gepredigt wird? Noch dazu zu Ehren eines Nichtgläubigen und Christentumskritikers? Das fragen wir natürlich auch den Senatssprecher und bekommen eine noch überraschendere Antwort:

"Im Programmablauf sind 'Reden' aufgeführt. Einer der Redner ist Pastor Adolphsen. Wenn ein Priester spricht, ist das noch lange keine Predigt."

So will man die Sache also nun drehen, damit der zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtete Staat fein aus dem Schneider ist. Aber so einfach geht's nicht. Selbst wenn man gutgläubig annimmt, dass der Priester nicht predigt, sondern redet, was in einer Kirche ja recht ungewöhnlich ist: Der Hauptpastor selbst hat in seiner gestrigen Presseerklärung, die er über epd verbreiten ließ, anderes behauptet. Es folgen einige Zitate vom 19.11.02 (epd), die nachweisen, dass Adolphsen sehr wohl eindeutig predigen und nicht nur reden will: [epd-Meldung 1; epd-Meldung 2]

"Der offizielle Abschied von Augstein soll am 25. November (11 Uhr) im Hamburger Michel stattfinden. Hier werden auch Bundespräsident Johannes Rau und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) erwartet. Die Predigt hält Michel-Hauptpastor Helge Adolphsen."

"Die ‚Anfrage an den Michel‘ sei vom Hamburger Senat ergangen, sagte Hauptpastor Helge Adolphsen dem epd in Hamburg. Er werde auch die Predigt halten."

"Überdies würde nur der erste Teil der Trauerfeier gottesdienstlichen Charakter haben."

Zur Erinnerung: Die WELT berichtete bereits am 13.11.02 mit Verweis auf ein Gespräch mit Adolphsen: "In seiner Predigt werde er vor allem auf die christliche Sicht über Sterben, Tod und Auferstehung eingehen."

Dem Senat ist zu raten, den Hauptpastor Adolphsen rechtzeitig bis Montag, den 25.11., darüber aufzuklären, dass er nur reden, aber nicht predigen darf. Ob dies gelungen ist, kann die gespannte Öffentlichkeit vor der Kirche auf Video und im Fernsehen verfolgen, denn nach Verschicken des Protestbriefes der Konfessionslosenverbände wurde plötzlich bekannt gegeben, dass die Öffentlichkeit aufgrund zahlreicher geladener Gäste von der Michel-Feier ausgeschlossen sei.

Was ist es nun? Ein Staatsakt? Ein Gottesdienst? Man wird das Gefühl nicht los: es soll wohl beides sein: Ein STAATSGOTTESDIENSTAKT. Es gibt (k)eine Staatskirche...


6. Akt:     21. - 24. November 2002

"Der Mensch Jesus, wenn es ihn denn gab, hat mit der Kunstfigur des Christus nichts zu tun. Nicht was ein Mensch namens Jesus gedacht, gewollt, getan hat, sondern was nach seinem Tod mit ihm gedacht, gewollt, getan worden ist, hat die christliche Religion und die Geschichte des christlichen Abendlandes bestimmt. Was immer Jesus war, ein Mann des Abendlandes war er nicht. Die Kirchen stehen vor der radikalen Alternative, sich endlich den wissenschaftlichen Ergebnissen und unbequemen Wahrheiten ihrer eigenen Theologen zu stellen oder, trotz besseren Wissens, die offizielle Lehren der Kirchen weiterhin zu predigen."

Rudolf Augstein in "Jesus Menschensohn"

 

Am 21. November erscheint ein bissiger Meinungsartikel im Tagesspiegel. Dort wird allerdings nicht der Senat, Empfänger des Offenen Briefes der Konfessionslosenverbände und Ausrichter des Staatsaktes, verantwortlich gemacht, sondern die Evangelische Kirche heftig angegriffen: "Augstein kann sich gegen seine nachträgliche Vereinnahmung durch die, die er verachtet hat, nicht mehr wehren. Statt seiner haben das Wort die organisierten Freidenker und Atheisten ergriffen. In einem offenen Brief an den Hamburger Bürgermeister beklagen sie die Verhöhnung des Verstorbenen und seines Lebenswerkes. Grotesk. Nicht etwa die Gläubigen erheben die Stimme, wenn in ihrem Namen Anbiederei betrieben wird – es sind die Ungläubigen, die Charakter zeigen, die aufrecht gehen. Sie sind es, die sich einer Nivellierung der Unterschiede entgegenstellen. Der Befund betrübt. Einen deutlicheren Beweis ihrer eigenen Unbedeutsamkeit hätte die Kirche kaum leisten können. Es fällt schwer, sie dafür nicht ebenso zu verachten, wie Augstein es getan hat. [...] Die Trauerfeier für Augstein liegt ganz auf dieser Linie. Weil die protestantische Kirche sich nicht mehr selbst achtet, hat sie die Achtung vor ihren Widersachern verloren. Im Unterschied zu jenen kämpft sie nicht mehr. Sie hat sich aufgegeben und umarmt in ihrer Schlaffheit jeden, der ihr Haus betritt. Augstein gehört geehrt, aber - um Gottes willen! Nicht in einer Kirche."

Dieser Artikel ruft Widerspruch hervor, abgedruckt am 24. November. Allerdings antwortet nicht der im Artikel angesprochene Pastor Adolphsen vom Hamburger Michel, sondern Pastor Traugott Giesen, der Sylter Pfarrer, der Augstein beerdigt hat. Und er bezieht - fälschlicherweise - die Kritik kurzum auf die Beerdigungsfeier. Dabei wendet sich der Protest ausdrücklich gegen den gottesdienstlichen Charakter des Staatsaktes. Die Beerdigung im Kreise der Angehörigen dagegen ist Privatsache. Traugott Giesen selbst findet das kirchliche Handeln völlig in Ordnung und meint ein wenig überheblich: "Dass Kirche da ist, findet er [Rudolf Augstein] spätestens jetzt, da er in der Fülle der Liebe und des Wissens ist, gut." Da fehlt er denn doch, der Respekt vor dem Toten.

In einer Mail vom 24.11.02 an uns meint der Sylter Pastor Traugott Giesen übrigens: "Gut, die Sache mit dem Staatsakt in der Kirche ist fragwürdig..." Da sind wir uns einig. Staatsakt? Sein Kollege Pastor Adolphsen behauptet doch, es sei kein Staatsakt, sondern Gottesdienst...


7. Akt:     25. November 2002

Man wüsste gerne in Prozenten, wie viele Kleriker und Theologen glauben, was sie sagen. Die Antwort lässt sich (nur, aber eben doch) ahnen: etwa so viele, wie, in Prozenten aller Namenschristen, überhaupt glauben, also jeder dritte, dass Jesus leiblich auferstanden ist, und jeder zweite, dass es ein ewiges Leben gibt."

Rudolf Augstein in "Jesus Menschensohn"

 

Heute nun findet in der St-Michaelis-Kirche in Hamburg der Staatsakt mit Gottesdienst für Rudolf Augstein statt. "Eine Trauerfeier, die ein Staatsakt ist und doch auch ein Gottesdienst", wird der Tagesspiegel am nächsten Tag schreiben. Übertragen wird die Trauerfeier live auf mehreren Fernseh- und Rundfunkkanälen, u.a. im NDR. Dort wird bereits bei der Anmoderation darauf hingewiesen, dass der erste Teil der Feier kirchlichen und der zweite Teil staatlichen Charakter haben soll. Um es vorwegzunehmen: Diese strenge Abgrenzung wird tatsächlich vollzogen, wobei der gottesdienstliche Teil recht kurz ist und mit dem Vaterunser-Gebet, zu dem alle aufstehen sollen, endet.

Nun mag man meinen, mit dieser Trennung sei zumindest der Pflicht auf weltanschauliche Neutralität genüge getan. Allerdings wäre es den Gästen in der Kirche natürlich gar nicht möglich, erst zum staatlichen Akt zu kommen. Sie sind also gezwungen, ob gewünscht oder nicht, Psalmen, Gebete und Predigt über sich ergehen zu lassen. Und somit gehört dieser Teil selbstverständlich zum vom Senat ausgerichteten Staatsakt dazu.

Im Vorfeld hätte es Diskussionen zwischen Senat, Familie und Verlag über die Örtlichkeit der Trauerfeier gegeben, da Augstein aus der Kirche ausgetreten sei, berichtet die Moderation. Dann aber hätte man sich doch auf den Michel geeinigt.

Nun zur mit Spannung erwarteten Predigt des Pastors Adolphsen. Ja, es ist eine "Predigt", er selbst nennt sie so. Keine "Rede". Aber diese Predigt sorgt für Überraschung und manchem erstaunten, pikierten Gesicht unter den Gästen, die mit solchen Worten offenbar nicht gerechnet haben. Vor einigen Tagen hatte Adolphsen noch angekündigt, er wolle über die christliche Sicht des Lebens, Sterbens und der Auferstehung sprechen, aber nicht über Leben und Verdienste des Verstorbenen.

In seiner Predigt - die Adolphsen offensichtlich aufgrund des Protestes völlig neu verfasst hat! -, spricht er stattdessen über Augsteins Unglauben, geht auch auf die Beschwerden ein. "Es hat so manche verwundert, dass die Trauerfeier für unseren Ehrenbürger hier im Michel stattfindet", und "er lehrte uns Kirchenleute Furcht und Zittern. Mit der Kirche hatte er Probleme," gesteht Adolphsen. Aber er begründet auch gleich, warum die Feier trotzdem in der Kirche stattfindet: "Die Kirche muss deshalb nicht mit ihm Probleme haben. Jedenfalls dann nicht, wenn wir glauben, dass wir das Problem Gott überlassen können." So einfach ist das. Aber man muss Adolphsen zugute halten, dass er nicht einfach Augsteins Weltanschauung übergeht. Im Gegenteil, er würdigt und achtet sie durchaus.

"... der den Glauben für ein Herrschaftsinstrument einer Kirche hält, die die Menschen unfrei und klein macht. Rudolf Augstein hat der Kirche viel Bedenkenswertes in ihr 2000 Jahre altes Stammbuch geschrieben, sowohl in die Bibel als auch auf die dann folgenden vielen Seiten. Gnadenlos hat er ihre Schuldgeschichte durchschaut und aufgedeckt. Seine Angriffe galten einer Institution, die Gott als den Gott der Macht und der Gewalt in ihrem Verhalten widerspiegelt und die mit einem imperialistischen Absolutheitsanspruch ihre Wahrheit und ihre Ethik durchsetzt. Die Kirche muss das selbstkritisch annehmen, auch wenn es wie ein Stachel im Fleisch schmerzt."

Eine ungewohnte, bemerkenswerte Predigt. Während Kardinal Lehmann in seinem Nachruf Augstein Diffamierung nachsagt, erkennt Adolphsen dessen Kirchenkritik an.

Manche hatten in den letzten Tages gemutmaßt, Augstein hätte sich ja vielleicht vor seinem Tod doch noch zum Glauben bekannt, hätte die kirchliche Feier gewünscht. Doch solche Rechtfertigung weist Adolphsen klar zurück.

"Er hat sich auch auf seinem Totenbett nicht bekehrt. Er hat nur das geglaubt, was man mit dem Intellekt und dem historischen Scharfsinn erfassen kann...Zu mutmaßen, dass sich unter seiner Kirchenkritik eine Sehnsucht zurück zu dem Gottvertrauen seiner Kindheit oder nach dem Glauben als prägender Kraft verbarg, ist eine Versuchung, der ich widerstehen will. Er glaubte die christlichen Grundwahrheiten unserer beiden Kirchen nicht in der vorgeschriebenen Form. Ihn nachträglich zu vereinnahmen, verbietet der Respekt vor seiner Wahrheitssuche und seiner Wahrheit, der er sich verschrieben hatte."

Zuletzt predigte Adolphsen dann doch noch von der Auferstehung, aber wohl nicht wie geplant. "Rudolf Augstein hat gesagt: 'Ich glaube nicht an Gott. Ich glaube nicht an die Auferstehung irgendeines Toten, und dann muss ich mich auch damit gar nicht weiter beschäftigen.' Das steht. Das reizt so manche zum Widerspruch oder zum Beifall. Dieses sein Wort bleibt auch hier so stehen. Im Blick auf das Altarbild von St. Michaelis mit dem ins Leben auferstehenden Christus sage ich nur: Er muss sich auch jetzt nicht weiter mit der Auferstehung beschäftigen. Aber dass Gott sich mit ihm beschäftigt, daran glaube ich. Wie, das ist Gottes Sache."

 

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Fazit:

Der Protest der Freidenker, Humanisten und Atheisten an diesem gottesdienstlichen Staatsakt für einen Ungläubigen war sicher kein voller Erfolg. Die Gedenkfeier fand in einer Kirche statt, es wurde gebetet und gepredigt. Aber der Protest war auch nicht "vergebens", wie die Bundeszentrale des Humanistischen Verbandes in einem Newsletter einen Tag nach der Trauerfeier schreibt. Der Offene Brief und das ausgelöste Medienecho haben auf die Gestaltung der Trauerfeier und vor allem auf den Inhalt der Predigt großen Einfluss genommen. Durch diese Predigt war es der Presse kaum noch möglich, Augsteins Weltanschauung unter den Tisch fallen zu lassen und zu verschweigen, wie es noch bei seiner Beerdigung, als meist nur von einem "Trauergottesdienst" die Rede war, geschah.

Die innerkirchliche Diskussion über die Trauerfeier für einen Gottlosen scheint nach dem Staatsakt erst richtig in Gang zu kommen, wie wir im Internet interessiert verfolgen. Wir hoffen, dass auch die Verantwortlichen der Stadt Hamburg für die Zukunft Konsequenzen aus dem Skandal ziehen , respektvoller mit der Weltanschauung ihrer Bürger umgehen und die weltanschauliche Neutralität wahren werden. So dass es in Zukunft nicht mehr heißt: "Da der Senat sich nicht mit der Religionszugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit seiner Ehrenbürger befasst, war die Kirche der anzunehmende Ort..."

Eine Antwort auf den Offenen Brief ist der Senat indes noch schuldig geblieben.

Im nachfolgenden Pressespiegel kann man die Berichterstattung in den Medien nachverfolgen.

 

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Pressespiegel:

"Wenn ich weg bin, bin ich weg". Das letzte persönliche Interview des "Spiegel"-Herausgebers - Auszüge. DIE WELT, 8.11.02

"Fast immer diffamierend", Nachruf vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, DER SPIEGEL, 46/2002

"Hauptpastor Adolphsen hält Predigt für Rudolf Augstein", DIE WELT, 13.11.02

"In Hamburg Respekt vor den Werten anderer lernen", Presseerklärung der Stadt Hamburg zum Tag der Weltreligionen, 14.11.02

"Christliche Trauerfeier für Spiegel-Herausgeber Augstein?", Evangeliums-Rundfunk ERF 2, 14.11.02; der Beitrag enthält nach einer Anmoderation den Kommentar: "Christliche Trauerfeier für einen pathologischen Christenhasser?"

"Was wäre, wenn Augstein Christ geworden wäre", kath.net, 15.11.02

"Trauerfeier für Atheist Rudolf Augstein im Michel", www.jesus-online.de (cina), 15.11.02

"Wer war Jesus? Rudolf Augstein und das Christentum", Sonntagsblatt, Evangelische Wochenzeitung für Bayern, 17.11.02
(Gleicher Artikel in der Kirchenzeitung Mecklenburg-Pommern, 24.11.02)

"Gemeinsamer Offener Brief an den Ersten Bürgermeister von Hamburg und an den Hamburger Senat anlässlich der Trauerfeier zu Ehren von Rudolf Augstein", IBKA e.V., DFW, DFV, Freie Humanisten (18./19.11.2002)

"Abschied: Rudolf Augstein auf Sylt kirchlich bestattet", epd-Meldung, 19.11.02 (Offizielle Erklärung des Hauptpastors Adolphsen)

"Kein Staatsakt, sondern Gottesdienst. Trauerfeier für Rudolf Augstein im Hamburger Michel", epd-Meldung, 19.11.02 (Offizielle Erklärung des Hauptpastors Adolphsen)

"Rudolf Augstein auf Sylt beigesetzt", Netzzeitung.de, 19.11.02 ("Der Dachverband freier Weltanschauungsgemeinschaften wandte sich in einem offenen Brief an den Hamburger Bürgermeister Ole von Beust dagegen, dass Augstein, der sich von der Kirche und dem christlichen Glauben distanziert habe, nun kirchlich-christlich vereinnahmt würde.")

"Beerdigung im engsten Familienkreis / Streit über offizielle Gedenkfeier im Hamburger Michel" (kna/ap), Rheinische Post, 20.11.02 ("Unterdessen kam es um die offizielle Trauerfeier der Stadt Hamburg für ihren Ehrenbürger zum Streit. Verbände der Freidenker, Konfessionslosen und Atheisten protestierten gestern in einem Offenen Brief an den Ersten Bürgermeister Ole von Beust (CDU) gegen eine kirchliche Beteiligung an der Zeremonie, die am Montag im Hamburger Michel stattfinden soll. Der "Spiegel"-Herausgeber habe sich bis zuletzt als "dezidierter Nicht-Christ und Nicht-Gläubiger" bekannt, heißt es in dem Brief. Es bedeute eine Verhöhnung des Verstorbenen und seines Lebenswerkes, wenn der zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtete Senat der Stadt den berühmten Ehrenbürger nun ausgerechnet mit einer offiziellen Trauerfeier in einer Kirche ehre. Augstein war Ende der 60er Jahre aus der katholischen Kirche ausgetreten.")

"Abschied von Rudolf Augstein", Hamburger Abendblatt, 20.11.02 ("Am Rande der offiziellen Trauerfeier gibt es Streit...")

"Augstein Trauerfeier: Flaggen auf Halbmast", DIE WELT, 20.11.02 ("Verbände der Freidenker, Konfessionslosen und Atheisten protestierten unterdessen in einem Brief an Bürgermeister Ole von Beust...")

"Atheisten protestieren gegen gottesdienstliche Trauerfeier für Augstein", christnet.news, 20.11.02

"Atheisten protestieren gegen gottesdienstliche Trauerfeier für Augstein", idea, 21.11.02

"Um Gottes willen. Die evangelische Kirche richtet die Trauerfeier für den leidenschaftlichen Kirchen-Verächter Rudolf Augstein aus – warum nur?", Tagesspiegel, 21.11.02

"Mit den Kirchengegnern", Tagesspiegel, 24.11.02

"Atheisten protestieren gegen gottesdienstliche Trauerfeier für Augstein", newsticker.ch, 24.11.02

"Predigt in der Trauerfeier für Rudolf Augstein", Hauptpastor Adolphsen, St-Michaeliskirche, 25.11.02

"Der «tote Löwe» lässt nicht mehr zittern: Trauerfeier für Augstein",   (dpa), Heidenheimer Presse u.v.a., 25.11.02 ("Er lehrte uns Kirchenleute wahrlich Furcht und Zittern.» Mit seinen Worten nahm Adolphsen auch Bezug auf Kritik, der «Freigeist» Augstein werde von der Kirche für eine Trauerfeier vereinnahmt....")

"Mein Vater, der tote Löwe" (dpa), Berliner Zeitung u.v.a., 25.11.02 ("Hauptpastor Helge Adolphsen rechtfertigte die Trauerfeier in der Hauptkirche für Augstein, der der Kirche kritisch gegenüberstand. «Er glaubte die christlichen Grundwahrheiten unserer beiden Kirchen nicht in der vorgeschriebenen Form».")

"Abschied von Rudolf Augstein - Rau: Ein großer Deutscher. Adolphsen: Trauerfeier 'keine kirchliche Vereinnahmung'", (epd), 25.11.02

"Keine Bekehrung auf dem Totenbett - Michel-Pastor: Trauerfeier für Augstein 'keine kirchliche Vereinnahmung'" (epd), 25.11.02

"Abschied von Rudolf Augstein im Hamburger Michel. Rau: 'Ein großer Deutscher und wahrhafter Patriot'", (epd), Nordelbische Kirche, 25.11.02

"Sylter Pastor verteidigt kirchliche Bestattung", (epd), Nordelbische Kirche, 25.11.02 (Eine Falschdarstellung. Der Offene Brief wendet sich allein gegen den Staatsakt und ausdrücklich nicht gegen die Gestaltung der Beisetzung. Adressat ist der Senat, nicht die Kirche oder Pastor Giesen.)

"Er war immer allgegenwärtig", Spiegel-online, 25.11.02 ("Hauptpastor Helge Adolphsen rechtfertigte die Trauerfeier in der Hauptkirche für Augstein, der der Kirche kritisch gegenüberstand.")
Spiegel-online hat diesen Text bereits nach kurzer Zeit ersetzt, er war aber noch knapp zwei Wochen über das Archiv erreichbar. Nun ist auch die URL-Adresse mit dem neuen Text zur Trauerfeier belegt worden. Der neue Text erwähnt die Predigt nicht mehr.

"Suchender mit Sinn für Orientierung. Rede des Bundespräsidenten Rau im Hamburger Michel", Spiegel-online, 25.11.02

Tagesschau um drei, (siehe Video) 25.11.02, 14.00 Uhr ("Eine religiöse Trauerfeier für einen Mann, der selbst nicht Mitglied der Kirche war, ja, der die Kirche oft mit beißender Kritik angriff.")

Tagesschau um fünf (siehe Video), 25.11.02, 17.00 Uhr ("Ein Mann der Kirche war er nicht...")

Tagesschau (siehe Video), 25.11.02, 20.00 Uhr ("...ein Mann, dem nichts daran lag, in der Kirche gewürdigt zu werden, der in  seinem Spiegel oft genug gegen die Kirche als Institution geschrieben hatte.")

Tagesthemen (siehe Video), 25.11.02, 22.30 Uhr ("Eine kirchiche Trauerfeier für einen, der nicht an Gott glaubte. Diese Entscheidung der Familie und des Senats hatte viele überrascht." Kurze Einblendung aus der Predigt)

"Staatsakt für Rudolf Augstein", NDR, 25.11.02 ("Hauptpastor Helge Adolphsen erinnerte an den "Menschen, der vielen Menschen viel bedeutet habe". Gleichzeitig rechtfertigte er die Trauerfeier für Augstein in der Hauptkirche. "Er glaubte die christlichen Grundwahrheiten unserer beiden Kirchen nicht in der vorgeschriebenen Form". Augstein habe aber - "wie auch von Gott gewollt" - dazu beigetragen, dass Zusammenleben der Menschen zu gestalten.")

"Trauerfeier für Rudolf Augstein", MDR 25.11.02 (Pastor: "Nur das geglaubt, was er erfassen konnte")

"Requiem für einen Löwen", Tagesspiegel, 26.11.02 ("Freidenkerische Vereinigungen haben beklagt, dass der bekennende Atheist in einer Kirche verabschiedet werde.")

"Ein großer Deutscher", Frankfurter Rundschau, 26.11.02 ("Die Trauerfeier hatte mit einem kirchlichen Teil begonnen. Dabei versicherte Pastor Helge Adolphsen, die kirchliche Trauerfeier stelle keinen Versuch dar, den Toten im Nachhinein wieder in den Schoß der Kirche zurückzuholen. Augstein, der nicht an Gott und die Auferstehung glaubte, hatte sich immer wieder scharf mit den Kirchen auseinandergesetzt.")

"Der Löwe und der Hase", Süddeutsche Zeitung, 26.11.02 ("Die Freidenker und bekennenden Atheisten haben sich bei von Beust über Ort und Ablauf des Trauerakts beschwert. Augstein habe sich doch als „dezidierter Nicht-Christ und Nicht- Gläubiger“ bekannt. Warum also der Michel und Psalmen zum Abschied? ... ")

"Der tote Löwe lässt nicht mehr zittern", Stuttgarter Zeitung, 26.11.02 (""Er lehrte uns Kirchenleute wahrlich Furcht und Zittern." Mit seinen Worten nimmt Adolphsen auch Bezug auf Kritik, der "Freigeist" Augstein werde von der Kirche für eine Trauerfeier vereinnahmt.... )

"Deutschland verneigt sich vor Augstein", Hamburger Morgenpost, 26.11.02 ("Der Staatsakt in einer Kirche: „Er hat es so nicht bestimmt, aber auch nicht abgelehnt“, erklärte Hauptpastor Helge Adolphsen in seiner Predigt. Er habe den Kirchenleuten gnadenlos ihre Schuldgeschichte vorgehalten, Kirche müsse das aushalten. „Er hat nicht geglaubt und soll nachträglich nicht vereinnahmt werden“, versicherte der Hauptpastor.")

"Predigt für einen, der nicht glaubte", Hamburger Abendblatt, 26.11.02 (Auszüge der kirchenkritischen Aussagen aus der Predigt.)

"Wir werden nicht mehr seinesgleichen sehen", Hamburger Abendblatt, 26.11.02 (""Er hat gnadenlos die Schuldgeschichte der Kirche aufgedeckt und die Kirchenleute Furcht und Zittern gelehrt", rief Hauptpastor Helge Adolphsen dem "Moralisten und Wahrheitssucher" nach. Auch auf dem Totenbett habe sich Augstein, der weder an Gott noch an die Auferstehung geglaubt habe, nicht bekehrt.")

"Trauer um Augstein", taz, 26.11.02 (Falschdarstellung. Der Offene Brief richtete sich ausschließlich gegen den Staatsakt und war an den Senat adressiert. Merkwürdigerweise fühlt sich der Sylter Pfarrer jedoch angesprochen.)

"Wenn ich weg bin...", taz Hamburg, 26.11. 02 ("Ob er das so gewollt hätte, war im Vorfeld die vielleicht am häufigsten gestellte Frage. Rudolf Augstein, der Atheist, der Kirchenkritiker, der Skeptizist - geehrt gestern Mittag mit einer Trauerfeier in der Hauptkirche St. Michaelis. Mit Predigt, Chorälen und dem Vater Unser. Michel-Pastor Helge Adolphsen versucht in seiner Predigt gar nicht, diesen Widerspruch zu überdecken...."

"Was nun, Rudolf Augstein? Zwei Theologen zu einem kirchlichen Tabu-Thema: Wenn Getaufte zu Christusfeinden werden", idea spektrum 048, 26.11.02.

"Augstein deckte die Schuldgeschichte der Kirche gnadenlos auf...", (idea), jesus.ch, 29.11.02 ("Darf man einen prominenten Atheisten und Christus- wie Kirchenfeind kirchlich beerdigen? Gleich zwei kirchliche Trauerfeiern für Rudolf Augstein haben bei Christen und Nichtchristen für Verärgerung gesorgt: [...] Die Verbände von Freidenkern, Konfessionslosen und Atheisten protestierten in einem Schreiben an den Hamburger Bürgermeister dagegen, dass eine Kirche als Ort der offiziellen Trauerfeier für den “dezidierten Nicht-Christen und Nicht-Gläubigen” dient.")

"Religion spielt nicht nur im Kopf", Hamburger Abendblatt, 30.11.02 (Interview mit dem neuen katholischen Bischof Thissen. Frage: "Wäre eine Gedenkveranstaltung, wie für Augstein im Michel, auch im Mariendom möglich, wenn der Verstorbene bekannt hat, er glaube weder an Gott noch an die Auferstehung?"

"Die Bibel in der Bild-Zeitung", Sonntagsblatt, 01.12.02 ("Gleichwohl scheint die Frage berechtigt, ob die Kirche wirklich auf jedes Trittbrett springen muss, dass man ihr bereitstellt. Vielleicht hilft da eine Bemerkung weiter, mit der der Sylter Pastor Traugott Giesen rechtfertigte, warum er den aus der (katholischen) Kirche ausgetreteten »Spiegel«-Gründer Rudolf Augstein auf Wunsch der Angehörigen kirchlich bestattet hat:..."

"Journalist kritisiert 'Kniefallprosa' zum Ableben Rudolf Augsteins. Warum mußte die Trauerfeier für den Gottesleugner im Hamburger Michel stattfinden?", (kath.net/idea), www.kath.net, 02.12.02

Hausmitteilung, Der Spiegel, 49/02, 02.12.02. (In der "Hausmitteilung" zu Beginn der Zeitschrift wird der Protest "örtlicher Freidenker" erwähnt.)

"Angemerkt: Anstößig über den Tod hinaus", Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs, 04.12.02 ("Die Empörung unter den bekennenden Atheisten Hamburgs ist groß....")

"Kritik an Staatsakt für Augstein", Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen EZW, Materialdienst 1/03 (Eine ausführliche Betrachtung des Protestes der Konfessionslosenverbände. Daraus ein Zitat: "Die Verbände der Konfessionsfreien machten mit ihrem "Offenen Brief" deutlich, dass sie sich als Anwalt der Konfessionslosen profilieren wollen, was ihnen zweifellos bis zu einem gewissen Grade auch gelungen ist. Selten hat eine Aktion der Konfessionslosenverbände vergleichbare Resonanz gefunden: So haben zahlreiche Tageszeitungen den Offenen Brief (zumindest auszugsweise) zitiert bzw. die dort aufgeführten Argumente wurden bis in die Wortwahl von den Medien übernommen, auch wenn mitunter nicht näher auf die summarisch genannten "Kritiker" eingegangen wurde. Das Thema Augstein war klug gewählt, mit Blick auf ihre geringe Mitgliederzahl erstaunt dennoch, wie scheinbar mühelos es den Konfessionslosenverbänden gelungen ist, ein wichtiges Thema in die Debatte zu bringen. Sie werden sich also ermutigt sehen, auch in Zukunft öffentlichkeitsrelevante Themen zu besetzen.")


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Heike Jackler