Brenda Maddox: Nora Das Leben der Nora Joyce
Inhalt:
Am Abend des 8. Oktober 1904 ging eine junge, gutaussehende
Frau in Dublin an Bord der Englandfähre, um mit einem
unbekannten, erfolglosen und versoffenen Schriftsteller
durchzubrennen. Sie war zwanzig Jahre alt und völlig mittellos.
Ohne sie hätte James Joyce Ulysses nicht geschrieben.
Lange Zeit galt Nora Barnacle, 1884 in Galway geboren und 1951 in
Zürich gestorben, als bloßes Anhängsel des berühmten irischen
Schriftstellers James Joyce, dessen Werke Dubliners
(1914), Ulysses (1922) und Finnegans Wake
(1939) in die Weltliteratur eingingen. Brenda Maddox widerlegt in
ihrer Biographie die Legende vom ungebildeten Dummerchen an der
Seite des genialen Künstlers. Sie schildert den gemeinsamen
Lebensweg von Nora Barnacle und James Joyce, der am 16. Juni 1904
begann (dem Tag, an dem Ulysses spielt), durch
unzählige heruntergekommene Pensionszimmer in Triest, Rom, Paris
und Zürich führte und mit James Joyce Tod im Jahre 1941
endete.
Nora verkörperte für Joyce das, was ihm fehlte: Stärke,
Sicherheit, Wärme, Leichtigkeit. Sie war stolz darauf, daß
Joyce ein von sich selbst besessenes, jedem mißtrauendes Genie,
sie brauchte. Für ihn setzte sie sich über Tabus hinweg. Obwohl
gläubige Katholikin, lebte sie 27 Jahre in wilder
Ehe und ließ ihre zwei Kinder nicht taufen. Sie heiterte
Joyce auf, wenn Depressionen und Krankheit den zuletzt halb
Erblindeten quälten. Sie teilte seine sexuellen Vorlieben.
Brenda Maddox schildert die Umstände, die 1931 doch noch zur
Heirat führten. Sie zeigt, welche Rolle die Pariser
Buchhändlerin Sylvia Beach spielte, die Ulysses
herausbrachte, nachdem mehrere Verleger das
schockierende Buch abgelehnt hatten. Sie gibt
Auskunft darüber, wie die berühmten Dirty Letters von
1909 an die Öffentlichkeit gelangten, und sie berichtet über
die letzten Jahre der schizophrenen Tochter Lucia, die 1982 in
London starb.
Es hätte Nora überrascht zu erfahren, daß die
Nachwelt sie als schlampige Analphabetin abtun würde, die nicht
einmal kochen konnte. Insbesondere die Wissenschaftler haben sich
schwer damit getan, das Mißverhältnis von Zimmermädchen und
Künstle zu akzeptieren. Doch Nora hätte angesichts der
schlechten Presse nur die Achseln gezuckt. Sie fühlte sich nie
wohl im Umgang mit der Art von Leuten, die etwas für ihren guten
Ruf hätten tun können, und sie machte sich nicht die Mühe, sie
zu hofieren. Diejenigen, an denen ihr lag, ihre Freunde und ihre
Familie, wußten, daß sie in der Erfüllung ihrer Pflicht, wie
sie sie verstand für James Joyce zu sorgen , ohne
Fehl und Tadel war.
Brenda Maddox
Brenda Maddox eindrucksvolle Biographie trägt
nicht nur dazu bei, James Joyce zu entmythisieren, sondern auch
zur längst überfälligen Rehabilitierung Noras, die ihre ganze
Seelenstärke brauchte, um ihr Schicksal zu tragen: selbständig
gestalten konnte sie es im Schatten ihres ,Jim nicht.
FAZ
Autorin:
Brenda Maddox, geboren in Massachusetts, studierte in Harvard und an der London School for Economics. Sie war mehrere Jahre Leiterin des Ressorts für Innenpolitik bei The Economist. Für die amerikanische Ausgabe von Nora wurde sie 1988 mit dem Los Angeles Times Books Award für Biography ausgezeichnet. Brenda Maddox lebt in London.
Goldmann ISBN: 3-442-41200-5
Erstellt von Christian Barduhn | Titelliste: Literatur | Index | Der Humanist |