Finanzierung der Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft

Beispiel:    Evangelische Kirche im Rheinland

 

Haushaltszahlen erfährt man auf der Homepage der rheinländischen Landeskirche nicht. Nur unter der Überschrift "Was Sie schon immer über Ihre Kirche wissen wollten, ... sich aber bisher nie zu fragen trauten" heißt es:

"1.100.000.000 DM stehen an Kirchensteuermitteln im Jahr zur Verfügung."

Was mit diesen 1,1 Milliarden DM finanziert wird, wird nicht weiter erläutert.

Von 12,3 Mio. Menschen im Kirchengebiet sind 25, 2 % evangelisch, 49,9 % katholisch, 4,4 % muslimisch, 18,5 % "gemeinschaftslos" - wie es bei den Angaben der Landeskirche heißt -, und 2 % übrige.

In diakonischen Einrichtungen arbeiten 49100 kirchliche Beschäftigte (Stand 1.1.1999). Die Diakonie betreibt 50 Krankenhäuser.

Seit 1997 ist Manfred Kock Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, gleichzeitig auch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschlandland (EKD). 

Am 28.03.00 hieß es in einer AP-Meldung:

"Die EKD betonte, angesichts der erwarteten Mindereinnahmen [der Kirchensteuer] müsste sie ihren Eigenanteil an sozialen Diensten wie Kindergärten, Krankenhäusern oder der Entwicklungshilfe absenken und auf Bund, Länder und Gemeinden übertragen."

 

Antwort auf unsere Anfrage:

Von: Brigitte_Winterhalter/LOTUS@ekir-lka.de
An: jackler@tabu.ping.de
Datum: Dienstag, 4. April 2000 16:25
Betreff: Ev. Kirche im Rheinland Finanzierung der Krankenhäuser 

Sehr geehrte Frau Jackler,

vielen Dank für Ihre e-mail-Nachricht vom 15.03.2000 zum Thema "Finanzierung der Krankenhäuser".

Da es sich hierbei um ein sehr komplexes Thema handelt und in den Zuständigkeitsbereich der Diakonie fällt, haben wir Ihre Anfrage an den Verband Ev. Krankenhäuser in NRW, Herrn Dr. M. Conrads, Kaiserswerther Straße 282 - 284, 40474 Düsseldorf, weitergeleitet.

Wir können Ihnen aber jetzt schon sagen, dass die Finanzierung der Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft nicht über die Kirchensteuer läuft.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bothe
Lk.-Amtsrat
Ev. Kirche im Rheinland

 

Somit wäre die oben stehende Argumentation der EKD (siehe AP-Meldung), deren Vorsitzender Manfred Kock ist, durch die Antwort seiner eigenen Landeskirche zur Krankenhausfinanzierung hinfällig.

 

Die Antwort der Diakonie:

Von: Rainer Dräger draeger@ag-ekv.de
An: jackler@tabu.ping.de
Datum: Donnerstag, 13. April 2000 17:40
Betreff: Finanzierung der Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft

Sehr geehrte Frau Jackler,

zunächst möchten wir Sie für die späte Beantwortung Ihrer e-mail vom 15.03.2000 um Entschuldigung bitten. Ihre Anfrage erreichte uns als Kopie des Landeskirchenamtes auf dem Postwege erst am 10.04.d.J..Wir konnten allerdings sehen, daß Sie am 04.04. eine kurze Zwischennachricht erhalten haben.

Zur Sache selbst: wie Sie vollkommen richtig anmerken, erfolgt die Finanzierung der Krankenhäuser dergestalt, daß

(§ 4 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG))

Diese sog. duale Finanzierung gilt für alle Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan des Bundeslandes aufgenommen sind. Dies sind - vereinfacht gesagt - all diejenigen Krankenhäuser die notwendig sind, den Bedarf an Krankenhausleistungen im Lande zu befriedigen.

Die vorgenannten Regelungen gelten also für "Plankrankenhäuser", unabhängig davon, in welcher Trägerschaft ("evangelisches" Krankenhaus, "katholisches" Krankenhaus, "kommunales" Krankenhaus usw.) sie stehen.

Häuser in kirchlicher Trägerschaft können also von den rechtlichen Grundlagen her nicht anders behandelt werden als nichtkirchliche Krankenhäuser.

(In Nordrhein-Westfalen stellen die Krankenhäuser in ev. und katholischer Trägerschaft mit knapp 63 % der Gesamtbettenkapazität den höchsten Versorgungsanteil dar.)

Die Politik der letzten Jahre hat nach der simplen Gleichung: hohe Krankenkassenbeiträge = hohe Lohnnebenkosten = verschlechterte Wettbewerbsbedingungen der Unternehmen im Markt Regelungen geschaffen, um die Ausgaben der Krankenhausbehandlung zu begrenzen. Dies wurde und wird auch heute noch mit angeblich nicht ausgeschöpften "Rationalisierungsreserven" in den Krankenhäusern begründet, wobei vollkommen ignoriert wird, daß durch den medizinisch-technischen Fortschritt und die zunehmende Multimorbidität der Patienten (demographische Entwicklung) Ausgabensteigerungen quasi vorprogrammiert sind.

Diese Regelungen zur Budgetierung können im Ergebnis dazu führen, daß über das (begrenzte) Krankenhausbudget nicht alle Ausgaben refinanziert werden können. Solche Defizite müssen dann aus der Kapitalrücklage des jeweiligen Krankenhauses bestritten werden. Nach unserer Kenntnis gibt es im Landesteil Rheinland kein Krankenhaus mehr in unmittelbarer Trägerschaft der ev. Kirche; die Häuser werden im Regelfall von gGmbH´s bzw. rechtsfähigen Vereinen getragen. Die Defizite (oder besser: die Vermeidung von Defiziten) ist daher Sache des jeweiligen Trägergremiums, nicht aber Sache der Landeskirche - auch nicht in finanzieller Hinsicht.

Wir hoffen, Ihnen mit diesen Auskünften gedient zu haben. Sollten Sie weitere Fragen haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
gez. R. Dräger
Diakonisches Werk Rheinland - Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Krankenhausverbände (AG-EKV)

[Hervorhebungen durch die Redaktion]

 

Fazit: Zusammenfassend kann gesagt werden: Es fließt nicht nur keine Kirchensteuer in die Finanzierung der Krankenhäuser, sondern die Kirche hat "in finanzieller Hinsicht" überhaupt nichts mit diesen Einrichtungen zu tun. Die Krankenhäuser befinden sich in Trägerschaft rechtlich selbständiger Unternehmen oder Vereine, die mögliche wirtschaftliche Defizite aus erwirtschafteten Kapitalrücklagen eigenständig ausgleichen müssen.

Das Diakonische Werk bestätigt, dass in NRW der kirchliche Anteil der Krankenhäuser recht hoch ist (63 % der Betten). D.h. 63 % der Krankenhausangestellten haben kein Streikrecht, die sonst gültigen Arbeitnehmerrechte gelten nicht.

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Copyright © Juni 2000  Der Humanist
Heike Jackler