Finanzierung der Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft

Beispiel:    Erzbistum Paderborn  (kath.)

 

Einwohnerzahl des Erzbistums: ca. 4.700.000, davon Katholiken: 1.854.095.

Im Erzbistums gibt es 55 katholische Krankenhäuser, denn

"Christsein fordert den Dienst am Nächsten. Das gilt nicht nur für den einzelnen, sondern auch für die Gemeinschaft des Bistums unter Leitung des Bischofs, der 'Vater der Armen' ist." [Zit. aus: www.erzbistum-paderborn.de]

Bischof heißt natürlich nicht "Vater der Armen", sondern "Aufseher".

Zur Finanzierung der Caritas heißt es:

"In Solidargemeinschaft wird dieses Werk getragen aus Kirchensteuermitteln, Sammlungen in den Pfarreien und durch die ehrenamtliche Mitarbeit der mehr als 20000 Helferinnen und Helfer der caritativen Fachverbände, insbesondere der Caritas- und Vinzenzkonferenzen."

Getragen wird die soziale Arbeit vor allem auch aus Staatsmitteln und durch Leistungsentgelte. Davon ist allerdings auf der Homepage des Erzbistums nichts zu lesen. Zum Haushalt heißt es lediglich:

"Der Haushalt des Erzbistums Paderborn für das Jahr 1997 umfaßt ein Volumen von 687 Millionen Mark. Der Anteil der Kirchensteuer an den Gesamteinnahmen liegt bei 90 Prozent. Für die Seelsorge werden 50 Prozent der Ausgaben bereitgestellt, gefolgt von 15 Prozent für 'Soziale Dienste', je 11 Prozent für 'Gesamtkirchliche Aufgaben' und für 'Finanzen und Versorgung', 8 Prozent für 'Schule, Bildung, Wissenschaft und Kunst'. Für Leitung und Verwaltung des Erzbistums stehen 5 Prozent des Gesamthaushalts zur Verfügung."

Sparsame Auskünfte also, zudem bereits drei Jahre alt.

 

Antwort auf unsere Anfrage:

Von: Pressestelle Erzb.GV.PB.Pressestelle@t-online.de
An: jackler@tabu.ping.de
Datum: Freitag, 19. Mai 2000 13:41
Betreff: Ihre Anfrage vom 2. April/ 8. Mai

Sehr geehrte Frau Jackler,

Ihre per eMail übermittelte Anfrage zur Finanzierung der Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft vom 2. April sowie die Wiederholung vom 8. Mai sind bei uns eingegangen. Aufgrund einer Vielzahl von zu bearbeitenden weiteren Anfragen  und Auskunftswünschen kann erst heute eine vorläufige Rückmeldung gegeben werden, wofür ich um Verständnis bitte.

Die Hauptabteilung Finanzen im Erzbischöflichen Generalvikariat, in deren Zuständigkeitsbereich die Bearbeitung fällt, ist daran interessiert, vor einer Stellungnahme nähere Auskünfte zum Hintergrund Ihrer Anfrage und damit zur Verwendung der Informationen zu erhalten. Ich bitte Sie, in diesem Zusammenhang erneut Kontakt mit dem Erzbischöflichen Generalvikariat aufzunehmen und uns dabei auch Ihre Postanschrift mitzuteilen.

Mit freundlichen Grüßen
V. Tenbohlen
Presse- und Informationsstelle im Erzb. Generalvikariat Paderborn

 

Hat die Finanzabteilung des Erzbistums Paderborn etwa für jeden Auskunftswilligen, je nach Anliegen, Religion und/oder Parteibuch eine jeweils andere, selbstverständlich immer "wahre" Auskunft? Hängt es etwa von der Verwendung der gewünschten Information ab, ob Kirchensteuer für die Krankenhausfinanzierung verwendet wird oder nicht? Sind Bilanzen dehnbar?

Haben wir die Kirchenbürokraten mit unserer Anfrage durcheinandergebracht, weil sie nicht wissen, welche von ihren Wahrheiten sie uns nun senden sollen? Fragt da nun ein Kirchenmitglied oder gar ein -kritiker?

Selbstverständlich haben wir unser Informationsbedürfnis noch einmal dargelegt, auch die gewünschte Postanschrift angegeben:

"Sehr geehrter Herr oder Frau Tenbohlen,

mich interessiert als Staatsbürger und an der Kirche Interessierter die Verwendung von Kirchensteuer in Bezug auf das Krankenhauswesen in den verschiedenen Diözesen. Mein Interesse wurde durch verschiedene Pressemeldungen der Kirchenleitung geweckt, die im Zusammenhang mit sinkenden Kirchensteuereinnahmen vom Rückzug aus dem Krankenhauswesen sprach. Daher meine Frage: Wieviel Kirchensteuer verwenden die einzelnen Diözesen für die Krankenhausfinanzierung und warum werden die kirchlichen Krankenhäuser nicht wie andere über Pflegesätze und staatliche Investitionsförderung finanziert?

Vielleicht können Sie mir behilflich sein, diesen Widerspruch aufzuklären."

 

Nach einiger Zeit erhielten wir eine Antwort:

Von: Pressestelle <Erzb.GV.PB.Pressestelle@t-online.de>
An: jackler@tabu.ping.de <jackler@tabu.ping.de>
Datum: Montag, 26. Juni 2000 18:57
Betreff: eMail vom 19. Mai

Sehr geehrte Frau Jackler,

die Hauptabteilung Finanzen im Erzbischöflichen Generalvikariat beantwortet Ihre per eMail übermittelte Anfrage vom 2. April/ 8. Mai wie folgt:

Die Krankenhausfinanzierung für Nordrhein-Westfalen ist im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und im Krankenhausgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (KHG NRW) geregelt. Diese Gesetze gelten für alle Krankenhäuser und damit auch für katholische Krankenhäuser. Das Gesetz macht keinen Unterschied zwischen Trägergruppen, sondern enthält im wesentlichen nur Sonderregelungen im Hinblick auf private Trägerschaften. Aus diesem Grunde werden Kirchensteuermittel für die laufende Finanzierung von katholischen Krankenhäusern in unserem Erzbistum grundsätzlich nicht eingesetzt. Die Kirchengemeinden haben seinerzeit die Grundstücke und vorhandene Gebäudesubstanz eingebracht.

Mit freundlichen Gruessen
Volker Tenbohlen
Presse- und Informationsstelle im Erzb. Generalvikariat Paderborn


[Hervorhebungen durch die Redaktion]

 

Fazit: Auch im Erzbistum Paderborn fließt keinerlei Kirchensteuer in die Krankenhausfinanzierung. Auf die erwähnten Pressemeldungen, die dieser Tatsache widersprechen scheinen, geht das Bistum nicht ein.

Die taz schilderte am 27. März 2000 in Zusammenhang mit der Schwangerenkonfliktberatung ausführlich über das katholische Paderborn, das "Erzbistum der Sünde" (so der Titel des Artikels). Erzbischof Degenhardt hat schnell auf das Papstverbot reagiert und die Konfliktberatung in Paderborn beendet. "Um Frauen und ihre Nöte, so erzählt man es sich im Ostwestfälischen, sorgt sich Johannes Joachim Degenhardt wenig. Darum, dass die Sünde fern gehalten werde von seinem Erzbistum, dagegen sehr."

Paderborn ist tiefkatholisch. "Die Praxis, evangelische Kinder bei Klassenfotos in die zweite Reihe zu stellen, endete an Paderborner Schulen Anfang der 70er-Jahre." Der Erzbischof predigte in den 90er Jahren: "Schuld am sexuellen Missbrauch von Kindern trügen Mütter, die den Erziehungsurlaub den Vätern überließen."

In Paderborn findet sich kein Arzt und keine Ärztin, die bereit wären, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, weil das "Klima ein spezielles ist". Die beiden katholischen Krankenhäuser in der Stadt scheiden für eine Abtreibung aus. Das in evangelischer Trägerschaft erklärt: "Die Evangelischen sind ja nun auch Christen. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, das nicht zu machen."

Frauen, die die staatlich erlaubte Möglichkeit der Abtreibung wahrnehmen wollen, müssen die Stadt für den Eingriff verlassen, obwohl die Krankenhäuser mit staatlichen Fördermitteln betrieben werden und die Ärzte nicht etwa von der Kirche, sondern von den Krankenkassen finanziert werden.

90 Prozent der Frauen bevorzugten übrigens bereits vor dem erzbischöflichen Verbot die staatliche Beratung.

Außerdem hat sich im Dezember 1999 in Paderborn der katholische Laienverein "Donum Vitae" gegründet. Er will die Beratung mit Schein fortsetzen. Der Erzbischof zeigte allerdings in diesem Zusammenhang, was er von Arbeitnehmerrechten hält: Nämlich gar nichts. Degenhardt  "ließ bereits über seinen Generalvikar in der örtlichen Presse androhen, dass jeder, der sich bei Donum Vitae engagiere, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müsse, sofern er in Einrichtungen der katholischen Kirche beschäftigt sei."

Der Erzbischof ist auch in anderen Bereichen nicht kompromissbereit:  "Der katholische Kindergarten St. Maria Frieden [in Lippstadt], zu 85 Prozent vom Staat finanziert, platzte aus allen Nähten, müsse ... erweitert werden. Die Kosten für den Anbau wollte die Stadt übernehmen. Doch das Erzbistum Paderborn beschied: 'Die Planungen katholischer Kirchengemeinden orientieren sich grundsätzlich nicht am Gesamtbedarf an Kindergartenplätzen, sondern am Bedarf an Plätzen für katholische Kinder.' Und der sei gedeckt."

Da finanziert der Staat also in erheblichem Umfang den kirchlichen Kindergarten, will auch noch die Erweiterung finanzieren, aber die Kirche braucht trotz Weigerung zur Kooperation keine Konsequenzen fürchten. "Streiks, Demos, staatliche Mittelkürzungen? Hat es alles nicht gegeben, nicht in Lippstadt, nicht im Erzbistum Paderborn. 'Die katholische Kirche ist unser Arbeitgeber', sagt die Kindergärtnerin. 'Da kann man nicht viel machen', sagt der katholische Priester vor Ort. 'Wir hoffen, dass es noch einen Kompromiss gibt', sagt der Lippstädter Bürgermeister."

[Quelle der Zitate: taz Nr. 6103 vom 27.3.2000]

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Heike Jackler