Maschinerie Menschheit

Der Humanist: Gesellschaft und Medien: Maschinerie Menschheit
Von Matze am Montag, den 9. Juni, 2003 - 00:46:

"Soldaten sind Mordinstrumente. Es wird erst dann keine
Kriege mehr geben, wenn nichts und niemand mehr diese
Menschen zu Mordinstrumenten macht bzw. sie benutzt. "
(David, aus diesem Forum - Thema "USA mal anders...")


"Was wir alle zum Leben brauchen: [...] Geld. "
("Antichrist", im Gästebuch dieser Seite)

--

Beide Zitate führen zu einer sehr interessanten Frage:
Wieso hat die Menschheit "gesellschaftliche
Maschinerien" entwickelt? Und wieso folgen die
Menschen stur diesen Maschinerien?

Das Zitat von Antichrist zeigt, dass er selbst Teil der
Maschinerie Geld ist - er hält Geld für lebensnotwendig -
obwohl Leben auch ohne Geld und Handel funktionieren
kann. Egal ob Ernte oder Produktion durch Industrie -
prinzipiell ist es rein von den biologischen oder industriellen
Prozessen her nicht erforderlich, dass Geld existiert: Die
Saat geht auch ohne Dollarnoten auf und ein Roboterarm
wird mit Strom, nicht mit Münzen betrieben.

Dass Geld oder die auf Handel basierende Wirtschaft eine
Maschinerie ist, ist gerade im zwanzigsten Jahrhundert
durch das elektronische Geld klar geworden - Zahlen auf
einem Computer oder Magnetstreifen können entscheiden,
ob ich mir ein feines Essen oder nur ein Glas Wasser
leisten kann.

Nur weder die Grundstoffe für das feine Essen, noch das
Glas Wasser sind durch Geld entstanden - sie entstanden
wie das übliche Universum auch: ohne Geld.

Rohstoffe und Gegenstände bekommen Wert, weil
Menschen glauben, dass sie Wert haben. Nur dieser Wert
ist an nichts, außer an menschlichen Gedankenspielen
festzumachen. Die Behauptung von Menschen, dass
etwas seltenes mehr Wert besitze, als etwas, das beliebig
vorhanden ist, kann nicht stimmen. Nehmen wir Linux: Ich
bin seit einigen Wochen Benutzer des offenen und freien
Betriebssystems Linux - es hat Wert für mich, weil es
sicher, effizient, "ethisch einwandfrei" und benutzbar ist -
und ich würde es nicht gegen Windows eintauschen. Es
hat nichts gekostet, trotzdem hat es Wert.

Der Nutzen allein macht Dinge aber auch nicht wertvoll -
Linux ist nützlich, aber kostenlos.

Werte sind nicht einmal allgemeingültig: Meine Frau hat für
mich den höchsten Wert aller Werte, sie ist einmalig (also
selten) und dennoch für andere mag sie - so gemein das
klingt - nicht so wertvoll sein.


Wenn Wert also nicht allgemein an der Seltenheit, noch
allgemein am Nutzen festzumachen ist - woran dann?

Der Wert ist lediglich eine Sache, die von uns Menschen
emotional bestimmt wurde. Man verlangt was man haben
will - und dreht solange rauf und runter, bis die Gegenseite
nachgibt.

Würde niemand etwas verlangen, könnte es also genauso
gut sein, dass unser Leben, die Produktion, die
Wissenscahft und die Ernte dennoch funktionieren. Es wird
also Zeit sich über diese Maschine klar zu werden und
eine besser funktionierende Alternative zu entwickeln.


Ein andere Maschine erwähnt David: Den Krieg. Warum
kämpfen Soldaten und Terroristen? Sie sind ein Werkzeug
für mächtigere Menschen, die sie bezahlen oder
überzeugen (was wiederum übrigens zeigt, dass selbst
hier kein Geld zwingend nötig ist).

Am besten ist die Maschinerie Krieg derzeit an Amerika
und dem islamischen Fundamentalismus zu erkennen -
beide Seiten kämpfen für Frieden und Freiheit. Würde
keiner von ihnen zur Waffe greifen und sich respektieren,
hätten sie Frieden und Freiheit. Soldaten und Terroristen
bekämpfen oft die Gegner als jene, die ihnen die Freiheit
und den Frieden nehmen wollen - jedoch nehmen sie diese
sich selbst. Meist würden Soldaten und Terroristen eher
Frieden, Wohlstand und Freiheit erreichen, wenn sie die
beseitigen, die sie angestellt haben, den Gegner zu
beseitigen.

Ein gutes Beispiel wäre die Wende in der ehem. DDR:
Urplötzlich war die Grenze offen und man konnte ohne
Problem durchgehen, weil kein Grenzer es mehr
verhinderte: Mag sein, dass die Worte der Mächtigen in
Berlin, Bonn und in weiß-was-ich-wo dies den Grenzern
eintrichterten - effektiv aber machten es die Grenzer,
VoPos und Soldaten möglich, dass man die Grenze
passieren konnte: Weil sie einfach nichts machten.


Nur wer hat Schuld? Die Soldaten oder die Mächtigen? Die
Händler oder die Käufer? Leider: Niemand. Die
gesellschaftlichen Maschinerien hallten die Menschen
einfach gefangen - es gibt niemand den die Schuld trifft und
niemand der zuerst aufhören soll: Man kann z.B. nicht -
wie es der Komunismus versuchte - nur der einen Hälfte
der Wirtschaft die Schuld geben und nur eine Hälfte
bestrafen und die andere Hälfte als die braven darstellen:

Der kleine, arme Arbeiter ist ebenso an seiner Situation
schuld, wie der große, reiche Industrielle - mag sein, dass
der Arbeiter vom Industriellen unfair behandelt wird: Auf der
anderen Seite arbeitet er (oder seines gleichen) für den
Industriellen und kauft auch noch dessen Produkte.

Der Grund ist schlichtweg, dass beide in eine
gesellschaftliche Maschinerie eingebunden sind, die ihnen
die Freiheit nimmt.

Leider ist eine Gesellschaft ohne solche Maschinerien
nicht denkbar - jedoch ist es durchaus denkbar, neue
Maschinerien zu konstruieren: Die Open Source und ("neu"
entstanden) Open Music-Szene versucht jene
Maschinerie zu durchbrechen, indem sie jedem erlaubt,
mit den Produkten zu tun und zu lassen was er will.

OpenSource ist auch eine Art Maschinerie - es wird aus
Interesse oder ev. auch Suche nach Ruhm und Respekt
gegenüber anderen produziert, weniger aus finanziellen
Gründen (auch diese können anfallen, jedoch nur, damit
die Entwickler in der derzeit vorhandenen,
handelsbasierten Wirtschaftsmaschinerie überleben
können). Diese Maschinerie hinkt
etwas, da sie nicht in die derzeit vorherrschende
gesellschaftliche, auf handel basierende
Wirtschaftsmaschine hineinpasst.

Dennoch: Es beweist, wenn Menschen anders handeln,
geschiet auch anders. Es muss allerdings die gesamte
menschliche Gesellschaft mitziehen, sonst klappt es nicht
richtig - wenn nur eine Seite die Waffen niederlegt,
überennt sie eben die andere Seite. Wenn nur eine Seite
der Maschinerie ausgelöscht wird (siehe Komunismus),
heißt es noch lange nicht, dass die andere deshalb besser
wird.

Der Sozialismus ist ein Beweis dafür, dass eine solche
Entwicklung nicht mit Gewalt erzwungen werden darf.
OpenSource und OpenMusic sind ein Beweis dafür, dass
die Gesellschaft sich selbst neu organisiert und sich selbst
neue Maschinen bildet - die auch mit Bedacht zu gewissen
Zielen gelenkt werden kann.

Wie wird wohl die Gesellschaftsmaschine der Zukunft
aussehen? Und werden wir die heutigen Verhältnisse auf
breiter Basis endlich verlassen können?

Viel Spaß beim Nachdenken.

Gruß,

Matze


Von Herbert Ferstl am Montag, den 9. Juni, 2003 - 09:40:

@ Matze,

Rohstoffe und Gegenstände bekommen Wert, weil
Menschen glauben, dass sie Wert haben.


Goetter und Geister bekommen Wert, weil Menschen glauben, dass diese Fiktionen Wert haben. :-))


Von Matze am Dienstag, den 10. Juni, 2003 - 01:18:

"Goetter und Geister bekommen Wert, weil Menschen
glauben, dass diese Fiktionen Wert haben."

Jene Aussage zu treffen bekommt angeblich Wert, weil
Menschen glauben, dass diese Aussage einen 100%ige
Wahrheitsgehalt habe :-).

Gruß,

Matze


Von Herbert Ferstl am Dienstag, den 10. Juni, 2003 - 16:28:

Also liegt das Grunduebel nicht unbedingt bei den Religionen, sondern daran, dass Menschen GLAUBEN (auch wenn insbesondere Religionen das GLAUBEN primaer foerdern) :-))

(siehe auch Werbung, Medien, etc.)


Von Matze am Dienstag, den 10. Juni, 2003 - 18:55:

" Also liegt das Grunduebel nicht unbedingt bei den Religionen, sondern daran, dass Menschen GLAUBEN (auch wenn insbesondere Religionen das GLAUBEN primaer foerdern) :-)) "

Ich denke es liegt daran, dass es schwierig ist, eine breite, freiwillige Basis für etwas zu bekommen. Open Source funktioniert, weil die, die Teilhaben davon überzeugt sind und die Sache Leben (abgesehen von den beteiligten Konzernen) - der Sozialismus des Ostblocks funktionierte nicht, weil er mit Gewalt erzwungen wurde.

Gruß,

Matze


Von Divus am Dienstag, den 10. Juni, 2003 - 22:26:

Hallo Ihr beiden,

„Also liegt das Grunduebel nicht unbedingt bei den Religionen, sondern daran, dass Menschen GLAUBEN (auch wenn insbesondere Religionen das GLAUBEN primaer foerdern)“

Genau so sehe ich das auch.
Die Religionen sind nicht die einzigen, die zum „Glauben“ auffordern. Die Menschen sollen auch an das jeweilige politische und wirtschaftliche System glauben. Und zwar, ohne es zu hinterfragen – wie bei den Religionen. Im Prinzip ist da kein Unterschied. In allen Fällen fühlen sich Menschen schwer angegriffen, wenn man ihr theologisches, politisches oder wirtschaftliches Weltbild (Ideologie) hinterfragt oder ablehnt. Das scheint in der Natur der Psychologie zu liegen. Siehe die Postings zum Thema Beweise für die Existenz Gottes.

Zum Thema Maschinerie:
Wir alle folgen doch mehr oder weniger stur der Maschinerie. Erstens sind wir das so gewohnt und zweitens ist es der einfachste Weg. Die meisten Menschen leisten ja nicht mal im Geiste Widerstand gegen das System, obwohl es hier gefahrlos möglich wäre.

Gruß Divus


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