Meinungsfreiheit oder die Zensur der Ökonomie

Der Humanist: Politik und Wirtschaft: Meinungsfreiheit oder die Zensur der Ökonomie
Von
michael am Sonntag, den 1. Dezember, 2002 - 15:06:

Als ich neulich an meiner Uni einen Vortrag über Literaturkritiker gehört habe (es waren deren zwei Exemplare geladen) so stellte sich im Laufe des Gesprächs heraus, dass sich ihre Kritik in erster Linie nach den Vorgaben der Verlage, in zweiter Linie nach dem vorhandenen Platz im Printmedium und erst zuletzt nach ihren persönlichen Kriterien und Meinung ausrichtet. Gibt es also wirklich Meinungsfreiheit in Medien, die in Quoten rechnen und aufgrund dessen Rubriken und Buchstaben verteilen?
Ein ähnliches Bild spielt sich übrigens an den Universitäten (und nicht nur Österreichs) ab. Durch die fortschreitende "verwirtschaftlichung" der Universitäten werden vor allem an jenen Instituten Forschungsgelder eingespart, die für die Wirtschaft nicht von belange sind. Jugendlichen, welche aus Idealismus studieren, wird von brotlosen Studien nach öffentlicher Meinung abgeraten. Die Ökonomie waltet und die freie Marktwirtschaft bestimmt was veröffentlicht oder gesagt wird. Zensur.


Von Herbert Ferstl am Sonntag, den 1. Dezember, 2002 - 16:22:

... Gibt es also wirklich Meinungsfreiheit in Medien,...

Nein! Die meisten vorhandenen Medien stuetzen mit ihrer "Berichterstattung" das vorhandene gesellschaftspolitische System.


Von Winnie am Dienstag, den 3. Dezember, 2002 - 20:07:

Herbert Ferstl: Die meisten vorhandenen Medien stuetzen mit ihrer "Berichterstattung" das vorhandene gesellschaftspolitische System.
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Es ist anders herum richtig. Das vorhandene gesellschaftspolitische System erzeugt diese Medien. Weil auf der Grundlage dieses gesellschaftspolitischen Systems andere Medien nicht gedeihen können. Deshalb sind sie nicht vorhanden. Es ist nicht so, daß die vorhandenen es stützen, sondern vielmehr so, daß die anderen nicht vorhanden sind.

Das ist ein Evolutionsprinzip.

Deine Bemerkung ist in vieler Weise schief, bildlich gesprochen von der Art, wie man das Pferd vom Schwanz aufzieht. Kein PFerd aber steht mit dem Schwanz zum Trog, das ist der Denkfehler.


Von Herbert Ferstl am Mittwoch, den 4. Dezember, 2002 - 00:46:

Deshalb sind sie nicht vorhanden.

Dem kann ich nicht ganz zustimmen, denn schliesslich gibt es Zeitungen wie "Graswurelrevolution", "junge welt" und aehnliche...


Von Winnie am Mittwoch, den 4. Dezember, 2002 - 07:58:

Herr Ferstl

Sollen wir jetzt scherzen oder wollen sie ernsthaft behaupten, daß die graswurzel die deutsche Presselandschaft umpflügt?

Es gibt eine interessante Episode, wie sehr sogar die Großen achtgeben müssen. Es war die Zeit, als der Burda-Verlag eine Annoncenoffensive gestartet hatte, woraufhin der redaktionell mißliebige Spiegel in einem Monat 19 Prozent des Anzeigenvolumens einbüßte. Augstein sagte: der Spiegel muß aus den Schlagzeilen heraus. Und der Effekt war, daß drei linksverdächtige Redakteure umgehend gefeuert wurden.

Aus solchen kleinen Details formt sich das Ganze.


Von Herbert Ferstl am Mittwoch, den 4. Dezember, 2002 - 15:33:

Sollen wir jetzt scherzen oder wollen sie ernsthaft behaupten, daß die graswurzel die deutsche Presselandschaft umpflügt?

Ich sprach nicht von der GWR alleine...(Tagesspiegel, TAZ, junge welt, Freitag, usw.)

Ausserdem schrieb ich ehedem:

[...] Die meisten vorhandenen Medien stuetzen mit ihrer "Berichterstattung" das vorhandene gesellschaftspolitische System.

Dieser Satz/Meinung schliesst doch gar nicht explizit aus, dass das vorhandene gesellschaftspolitische System diese Medien erzeugt. Dem stimme ich ebenso zu, wie eben dieses System auch alle "GWR`S" und "junge welt`s" erzeugt. Dennoch ist meine Aussage deshalb nicht von Grund auf verkehrt.


Von winnie am Mittwoch, den 4. Dezember, 2002 - 16:48:

Herr Ferstl, Sie haben Humor.

Ihre Aussage ist nicht falsch, nur ein bißchen schief.

In der gegenwärtigen Welt der Sauerstoffatmer gibt es tatsächlich einige Bakterien, die in den Tiefen der See an Vulkanfelsen kleben und Anaerobier sind.

Das läßt das System tatsächlich zu. Nämlich genau so lange, wie das System darin für sich keine Nachteile sieht.

Wenn Sie eine Zeitung suchen, die in den wesentlichen Kriterien nicht nur neben dem Mainstream liegt, sondern gar gegen den Kritik äußern sollte, erklären Sie mir, wie die überleben soll. Beziehungsweise, nennen Sie mir eine einzige, die man online einsehen kann, und ich teile Ihnen meine Bewertung anhand einer Punkteskala von 1-10 mit, oder sollen wir sagen, 1-20?

MFG


Von Herbert Ferstl am Mittwoch, den 4. Dezember, 2002 - 23:41:

Ist mir alles klaro, doch was hat dies noch mit der urspruenglichen Fragestellung gemein:

... Gibt es also wirklich Meinungsfreiheit in Medien,...

Nein! Die meisten vorhandenen Medien stuetzen mit ihrer "Berichterstattung" das vorhandene gesellschaftspolitische System.


Natuerlich generieren andere gesellschaftspolitische Systeme andere Medien (oder auch gar keine). Die Frage ist nur: Wie wird dann wiederum mit Medien verfahren, die sich gegen den Mainstream stellen? Sozusagen entgegen "gegen den Strom"?

Sicher kennen Sie die Online-Ausgabe von "junge welt" oder anderen aehnlichen Medien. Doch was taugt letztlich die beste kritische und onlinefaehige Tageszeitung, wenn sie niemand kauft/liest? Ist nicht derzeit das Nachrichten-/informationsangebot so gross wie nie? Und dennoch bleibt die BLOED das meistgekaufteste Blatt.

Wie war das mit Kant und der "selbstverschuldeten Unmuendigkeit..."? :-)))


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