Gibt es das Ende einer Frage?

Der Humanist: Religion: Gibt es das Ende einer Frage?
Von
Aldo am Donnerstag, den 21. August, 2003 - 01:29:

Neue, andere Meinungen sind sehr hilfreich wenn man glaubt an einer Grenze angelangt zu sein. Nun gut:

Was erwarten sich Menschen vom Glaube? Antworten? Oder doch eher eine Berechtigung fuer ein Dasein ohne Fragen?

Die Fragen sind aber schon immer fuer die Menschen dagewesen, nur hatten diese frueher lebensnotwendigere Dinge zu erledigen, als darueber nachzudenken. Mit der gestiegenen Freizeit heute ist das anders, dafuer gibt es aber unzaehlige Moeglichkeiten der Ablenkung.

Ein kurzer Vergleich: Glaube gibt Antworten die man nur glauben, nicht wissen kann, Ablenkungen lassen uns vergessen, dass ja noch einige offene Fragen da sind, und beide bringen Menschen dazu, zufrieden zu leben (was fuer den Staat recht interessant ist).

Es scheint, als ob ein Leben mit unbeantworteten Fragen als unangenehm ermessen wird, ist die Ungewissheit ein Feind der Menschen? Lieber etwas glauben als nichts?


Von Divus am Donnerstag, den 21. August, 2003 - 18:04:

>Was erwarten sich Menschen vom Glaube? Antworten?
>Oder doch eher eine Berechtigung fuer ein Dasein ohne Fragen?

Hm, das Eine schließt das Andere doch nicht aus.
Ein Dasein ohne Fragen ergibt sich automatisch, wenn ich auf Alles eine Antwort habe oder zu haben glaube.


>Ein kurzer Vergleich: Glaube gibt Antworten die man nur glauben, nicht wissen
>kann, Ablenkungen lassen uns vergessen, dass ja noch einige offene Fragen
>da sind, und beide bringen Menschen dazu, zufrieden zu leben (was fuer den
>Staat recht interessant ist).

Nach Deinen Ausführungen gibt es also zwei Wege, um unwissend zu bleiben:
1. Keine Fragen stellen (weil man abgelenkt wird)
2. Fragen stellen und sich mit den Pseudo-Antworten zufrieden geben.

Zu 1:
Es liegt auch an jedem selbst, ob er sich mit Daniel Kübelböck & Co. ablenken lässt. Den Staat trifft hier nur die halbe Schuld.

Zu 2:
Wenn einer an seinem Glauben nicht zweifelt, dann hält er seine Glaubensinhalte für so sicher, wie Du die runde Erde für sicher hältst.
Vor kurzem sagte mir ein Gläubiger, daß er die „Wahrheit erlebt“. Insofern geht Dein Argument „Glaube gibt Antworten die man nur glauben, nicht wissen kann“ ins Leere. Die Leute halten den Glauben für Wissen.


>Es scheint, als ob ein Leben mit unbeantworteten Fragen als
>unangenehm ermessen wird

Aber nur für den, der sich dessen bewusst wird.


>ist die Ungewissheit ein Feind der Menschen?
>Lieber etwas glauben als nichts?

Möglicherweise. Ich für meinen Teil würde meine Ungewissheit nicht gegen eine religiöse Pseudo-Gewissheit eintauschen wollen.

Gruß


Von Aldo am Freitag, den 22. August, 2003 - 01:45:

Es stimmt wohl, dass Glaeubige den Glaube als Wissen ansehen, mit sprachlicher Definition hat das nichts mehr zu tun. Nur wissenschaftlich beweisen wollen oder koennen sie dabei nichts, aber das bedeutet fuer sie wahrscheinlich auch nicht Wissen. Vielleicht koennte hier ein angagierter Christ einige Definitionen geben?

Zu den unbeantworteten Fragen: Man kann also deiner Meinung nach mit der Gewissheit leben nicht zu wissen, warum man da ist? Ich habe dazu ein kleines Gedankenspiel gemacht: Angenommen der Mensch wuesste ploetzlich warum er und das gesamte Universum da ist, was waere seine Reaktion? Ich vermute er wuerde die Antwort anzweifeln, sie versuchen zu widerlegen oder eine neue Frage darauf aufbauen, die hoechstwahrscheinlich mit "warum" anfaengt (und vielleicht auch aufhoert). Heisst das die Fragen sind menschlich, das Wissen aber nicht?


Von Matze am Freitag, den 22. August, 2003 - 17:41:

Ein kurzer Vergleich: Glaube gibt Antworten die man nur
glauben, nicht wissen kann, Ablenkungen lassen uns
vergessen, dass ja noch einige offene Fragen da sind, und
beide bringen Menschen dazu, zufrieden zu leben (was
fuer den Staat recht interessant ist).


Das Problem triffst du in allen Lebensbereichen - die
meisten Leute GLAUBEN dem Fernsehn, der Medizin, den
Nachrichten, der Wissenschaft etc.. Frage mal auf der
Straße die Leute, ob sie einen Urknall für den Anfang allen
Seins halten. Wenn sie mit "Ja" antworten, frag sie nach
wissenschaftlichen Details aus - nach dem "warum sie
das GLAUBEN".


Du wirst recht schnell erfahren, dass selbst in unserer Zeit
der Aufklärung (nach Kant sind wir sicher nicht in einem
aufgeklärten Zeitalter) die Menschen eigentlich gar nichts
von dem Wissen, was die Wissenschaft, die Medien usw.
für richtig und wahr erklärt haben, wirklich verstanden
haben - sondern es bedingungslos hinnehmen (die
pseudo-wissenschaftilche Zeitschrift PM ist ein gutes
Beispiel dafür).

Und somit wirst du leider erfahren müssen, dass die
Menschen auch ohne Gott heutzutage noch genauso
glauben und alles als gegeben hinnehmen - ja sogar
verteidigen - wie im Mittelalter. Die schlimmsten
Auswüchse sind dann Mobilfunk und Kernkraftgegner, die
ohne technisches Wissen gegen Technologien
demonstrieren, die sie nicht mal annähernd verstanden
haben (z.B. die Angst von der "Strahlung" - obwohl es sich
z.B. bei Kernkraftwerken meist um Strahlungen mit kurzen
Reichweiten handelt und das Problem eher radioaktiver
Staub ist).

Es scheint, als ob ein Leben mit unbeantworteten Fragen
als unangenehm ermessen wird, ist die Ungewissheit ein
Feind der Menschen?


Siehe Kant. Die Menschen sind einfach zu faul sich diese
Fragen zu stellen. Wenn du gut durchs Leben kommst,
ohne tiefergehende Fragen zu stellen, dann ist das
natürlich einfacher.

Ich habe viel Zeit in meinem bisherigen kurzen Leben im
Internet, in Bibliotheken und bei Büchern verbracht (und
habe Glück, dass meine Frau diese Lebenseinstellung mit
mir teilt :-)) ) - es ist anstrengend, sich über alles zu
informieren, zu dem man sich eine Meinung bilden muss.

Da mag es für viele Leute einfacher sein, sich am Abend
vor dem Fernsehr ein Bier zu "gönnen" und sich über die
neusten Autos zu informieren.

Lieber etwas glauben als nichts?

Das nicht-hinterfragte Glauben ist die m.E. die daraus
resultierende Notlösung: Da man zu faul zum selbst
Nachfragen ist, nimmt man vorgefertige Meinungen und
abgepacktes wissen. Wenn es dann noch bunt verpackt
ist, wundebar.

Daran sind m.E. übrigens auch die Kirchen im 20. Jh.
gescheitert - die "öden Kirchenlieder" und "zwanghaften
Gebete" haben nicht die bunte, farbige und trellernde
Verpackung, wie Fussballspiele, Diskobesuche oder
Popmusiker. Ansonsten sind die meisten Menschen noch
so Gläubig wie vorher - nur glauben sie vorgefertigtes
"Wissen" und allerlei esoterisches und
pseudo-christliches/pseudo-ethisches Wirrwar. (Wobei
natürlich unser Zeitalter den Menschen, die Fragen stellen,
großartige Möglichkeiten gibt - was früher nicht immer der
Fall war.)

Die Frage ist: Was ist mit dem ständig hinterfragtem
Glauben, der das Weltbild versucht zu erklären? Der
Glaube bei dem man ständig nachdenkt, wie alles
zusammenhängt. Dieser Glaube ist ein ganz andere - er ist
ein GLAUBE, kein Wissen - man könnte ihn Hypothese
nennen und alle anderen Gedankengänge auf dieser
Hypothese dann konsistent aufbauen. Solang man diese
Hypothese zum Weltbild ständig hinterfragt und ihr
konsequent folgt, jedoch anderen das Recht einräumt
andere Ansichten zu haben, ist sie völlig berechtigt und hat
nichts mehr mit Dummheit oder Faulheit zu tun. (Deshalb
kann man Pauschal einen Christen, einen Atheisten oder
einen Moslem als fanatisch, gutgläubig, faul oder gar
dumm bezeichnen.)

Gruß,

Matze


Von Aldo am Montag, den 25. August, 2003 - 23:22:

Die Tatsache, dass sogar ein Atheist glaubt, hat wohl etwas fuer sich. Und das staendige hinterfragen von angeblichen Erkenntnissen liegt leider nur wenigen, was ich gut verstehen kann, muss man doch auch darauf achten fortzuschreiten (was auch immer das bedeutet).
Das mit dem Fortschritt funktioniert meiner Meinung nach deshalb, weil wir uns innerhalb eines Systems bewegen, in dem wir durchaus definitives Wissen haben koennen. Es sind Vorhersagen moeglich und beweisbare Aussagen, aber verlassen koennen wir dieses System nicht, nur erweitern. Der Glaube befindet sich noch innerhalb, da er direkte Auswirkungen auf das Leben hat(?). Ist aber das "Ausserhalb" fuer uns wichtig? Hat es irgendeine Bedeutung, oder koennen wir es einfach vergessen?


Von Kurt am Sonntag, den 31. August, 2003 - 23:49:

@ Aldo

"Was erwarten sich Menschen vom Glaube? Antworten? Oder doch eher eine Berechtigung fuer ein Dasein ohne Fragen?

Die Fragen sind aber schon immer fuer die Menschen dagewesen, nur hatten diese frueher lebensnotwendigere Dinge zu erledigen, als darueber nachzudenken. Mit der gestiegenen Freizeit heute ist das anders, dafuer gibt es aber unzaehlige Moeglichkeiten der Ablenkung."

Glauben, also das als gegeben hinnehmen von Annahmen, obwohl nur dürftige Beweise die Annahme stützen, ist ein evolutionäre Überlebensprinzip. Jede Fluchttierart, welche auf ein nahes Knacken im Busch NICHT mit Flucht reagieren würde, wäre sehr schnell aus dem Genpool ausgesondert. Die Fähigkeit od. gar das Bedürfnis des Menschens zu glauben ist also ein Überbleibsel aus seiner Zeit als Fluchttier. Mit dem Beginn der Technologisierung (Faustkeil, Speer etc.), welche ja auch erst durch die Fähigkeit des Menschen zukunftsorientiert u. abstrakt zu Denken ermöglicht wurde, trat die Menschheit in eine aktive Rolle in der Natur ein u. rationelles Denken u. Handeln spielte eine immer größere Rolle (Spuren lesen usw.). Die Fähigkeit aber zu Glauben blieb weiter erhalten. Ich vermute einmal, daß hier die Entwicklung der Sprache eine erhebliche Rolle spielte, welche die Wieder- u. Weitergabe von Ideen u. Phantasien ermöglichte u. so die Schöpfungsmythen "erschaffen" wurden, welche (meist) wenig mit der Realität zu tun hatten, jedoch die Glaubensfähigkeit des Menschen nicht evolutionär verkümmern lies.

"Ein kurzer Vergleich: Glaube gibt Antworten die man nur glauben, nicht wissen kann, Ablenkungen lassen uns vergessen, dass ja noch einige offene Fragen da sind, und beide bringen Menschen dazu, zufrieden zu leben (was fuer den Staat recht interessant ist)."

Religiöser Glaube IST Ablenkung, nämlich Ablenkung von den irdischen Problemen u. Vertröstung auf ein Jenseits. Mit dem Übergang der mehr od. weniger demokratischen Jäger- u. Sammlerkulturen zur despotischen Ackerbau- u. Viehzuchtskultur machte in Ermangelung anderer Ablenkungen (es gab wohl noch kein TV :)) eine Stärkung des mythischen (Staats-)Überbaues erforderlich, um so das inzwischen entmündigte Volk (Ausschluß von politischen Entscheidungsprozessen) weiterhin bei der Stange halten zu können. Die erwirtschafteten Überschüsse aus der neuen Wirtschaftsform ermöglichten dann auch hauptberufliche Priester, welche für die entsprechende "Kultur" zu sorgen hatten.

"Es scheint, als ob ein Leben mit unbeantworteten Fragen als unangenehm ermessen wird, ist die Ungewissheit ein Feind der Menschen?"

Nein, nicht das Kind mit dem Badewasser ausschütten. Das Gegenteil ist eher der Fall: Gewissheit od. "Besitz der Wahrheit" ist Stillstand. Nur der, der noch Fragen hat u. die auch beantwortet werden KÖNNEN, kann sich weiterentwickeln.

"Die Tatsache, dass sogar ein Atheist glaubt, hat wohl etwas fuer sich."

Aber nicht an mystisches. Ich "glaube" auch, daß die Erde kugelförmig ist, obwohl ich mich noch nicht davon überzeugen konnte.

"Der Glaube befindet sich noch innerhalb, da er direkte Auswirkungen auf das Leben hat(?)"

Siehe oben.


@ Matze

"Die schlimmsten Auswüchse sind dann Mobilfunk und Kernkraftgegner, die
ohne technisches Wissen gegen Technologien
demonstrieren, die sie nicht mal annähernd verstanden
haben (z.B. die Angst von der "Strahlung" - obwohl es sich
z.B. bei Kernkraftwerken meist um Strahlungen mit kurzen
Reichweiten handelt und das Problem eher radioaktiver
Staub ist)."

Ich denke, da wirfst du 2 Dinge in einen Topf, die wenig miteinander zu tun haben. Während sich Mobilfunkgegner NUR auf die angeblich schädliche Strahlung berufen können, ist die Problematik bei Kernkraftwerken sehr viel komplexer. Es mag zutreffen, daß ein AKW während des Normalbetriebes nur sehr geringe Strahlung emittiert, jedoch Tschernobyl hat uns mehr als deutlich gezeigt, daß bei einem Kernstäbebrand diese "Harmlosigkeit" nicht mehr gegeben ist. Auch der Einwand, daß unsere AKW "sicherer" sind, ist reiner Glaube, den wir nur mit unserem bisherigen Glück begründen können. Das eigentliche Problem ist aber die Endlagerung der Abfälle u. der ausgemusterten AKW-Rückstände. An der Physik, nämlich an der Halbwertzeit der radioaktiven Atome kommen wir nicht vorbei u. wir hinterlassen der Menschheit mit diesem Müll eine schwere Hypothek, welche über viele tausende Jahre andauert.

Viele Grüße
Kurt


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