Atheismus - die bessere Weltanschauung

Der Humanist: Religion: Atheismus - die bessere Weltanschauung
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dinosaurus am Montag, den 1. April, 2002 - 12:38:

Ein Atheist behauptet nicht, daß es keinen Gott gibt. Er sagt: ich lehne es ab, von einer solchen Vorstellung auszugehen. Sie leuchtet mir nicht ein. Er muß auch nicht beweisen, daß es keinen Gott gibt. Es ist ja nicht seine Behauptung, die zur Diskussion steht, und somit hat er weder in der einen noch in der anderen Richtung die Beweispflicht. Wenn der Atheist mit dem kritischen Rationalismus vertraut ist, dann wird er von einem solchen Versuch sogar abraten, weil der Beweis der Nichtexistenz einer Sache, gleich welcher, von der formalen Logik her unmöglich ist.

Ein Atheist "glaubt" nicht, daß es keinen Gott gibt, im Sinne einer positiven Aussage. Er lehnt es einfach ab, etwas zu glauben, dessen Berechtigung er nicht einsieht. Er ist nicht einer, der "an keinen Gott" glaubt, sondern er ist einer, der nicht glaubt.

Insofern ist ein Atheist nicht die Kehrseite eine Theisten, in dem Sinne wie man gern sagt: der eine glaubt das, der andere das Gegenteil, sondern er sondert sich von dem Ansatz positiver Aussagelogik methodologisch ab. Ein Atheist ist einer, der nicht glaubt. Nicht einer, der das Gegenteil glaubt. Er mag etwas anderes glauben, zum Beispiel, daß seine Freundin besonders chic aussieht oder auch nicht. Dieser "Glaube" macht ihn aber nicht zu einem Atheisten.

Ein Atheist ist auch keiner, der sagt, jetzt müssen alle das glauben, was ich glaube. Er glaubt ja nicht, und daher kann er das gar nicht sagen. Er sagt vielmehr: laßt mich in Ruhe mit eurem Glauben. Ich sehe die NOtwendigkeit nicht ein, so etwas zu glauben.

Dem Begriff Atheist wohnt die Antimonie A- inne, aus der Auseinandersetzung mit einem anderen Gegenstand heraus, dem Theismus. Insofern könnte man sagen: ohne Theisten keine Atheisten. Dieser Ausdruck ist von daher unglücklich, weil der Grundansatz des Atheismus seine Wurzeln nicht in der "Verleugnung" des Theismus hat, was aus dem BEgriff nicht ersichtlich wird.

Die eigentliche Aussage des Atheismus führt nämlich über die das Theismus-Phänomen hinaus, sie ist tiefergreifend. Der Atheist benötigt den Theisten gewissermaßen nicht. Sein Ansatz besagt:

welchen Gedankenansatz immer wir für unsere Weltanschauung und die Organisation unserer Gesellschaft zugrunde legen wollen, wir wollen dafür keinen Ansatz wählen, dessen "Wahrheits"-gehalt nicht überprüfbar ist. Streng genommen, lehnt der Atheist den Begriff "Wahrheit", im sinne einer positiven Aussagelogik, ab. Aber das würde hier zu weit führen. Stichwort: Karl Popper, kritischer Rationalismus.

Wenn man diesen Ansatz weiter interpretiert, dann müßte ein konsequenter Atheist sagen: du, mit deinem Parteiprogramm, rutsch mir den Buckel runter! Ein Parteiprogramm besteht, nicht notwendigerweise, aber eben in der Praxis durchgängig, wie Glaubens-und Weltanschauungsansätze aller möglichen Couleurs, auch der Freidenker und Humanisten und sonstigen Ethiker, also aller jener, die POSITIVE SInninhalte voraussetzen anstelle von falsifizierbaren Theorien,

auf irrational gegründeten Prämissen.

Insofern ist der Atheist nicht das, was man ihm gern vorwirft, ein kommunistischer Kirchenfresser, sondern ein Atheist dürfte, würde er seinen atheistischen Ansatz ernst nehmen, niemals Kommunist werden. Der Kommunismus strotzt von irrationalen Momenten, beispielsweise der These von der historischen Zwangsläufigkeit der Dikatur des Proletariats, in welcher sich gleich drei grundlegende Denkfehler tummeln, eine Staatsform übrigens, die das Problem überhaupt nicht löst, nämlich die Frage der Kontrolle der Macht.

Kommunismus steht von der Seite des Atheisten gesehen in der Ecke der Märchen- und Wahnvorstellungen, genau wie die Gemeinden der Glaubensbrüder. Es gibt da prinzipiell keinen Unterschied.

Daran ändert auch nichts, daß sich viele Atheisten in diesen angesprochenen Lagern einfinden. Sie sind, darin den lieben Glaubensbrüdern nicht unähnlich, eben nicht durchgängig konsequent, so wie ja auch der Glaubensbruder sich von Kindes Beinen an durchlavieren muß, von einer Sünde zur anderen, nimmt er denn seinen Glauben ernst, Stichwort Sexualität beispielsweise.

Was den atheistischen Ansatz, man könnte sagen: die grundlegende Verweigerung der irrationalen Prämisse, als den besseren Ansatz qualifiziert, ist etwas ganz anderes als bei den unendlichen Auseinandersetzungen stets hineininterpretiert wurde.

Wenn der Irrationale sagt: ich wähle mir eine Grundlage, die mir (gefühlsmäßig) einleuchtet und für meine Bedürfnisse zugeschnitten ist, das heißt also, den Glauben, dann gesteht er damit Legitimität einer lebeneinstellung und eines Staatsgefüges zu, das auf irrationalen, nicht verifizierbaren Voraussetzungen ruht. Jede auf dieser Basis abgeleitete FOlgerung kann nur in ihrer Beziehung zur Grundaussage überprüft werden und schließt die ÜBerprüfung der Grundaussage in BEzug auf die Realität aus. Wäre die Grundaussage mit der Realität nicht vereinbar, so wäre hier medizinisch der Begriff der schizoiden Paranoia anzusetzen. Wenn einer wie Hitler (ein Katholik) sagt: der Jude ist der Feind der Menschheit, dann ist es konsequent, wenn er ihn bekämpft. Unterläßt er das, handelt er, in Bezug auf die Grundthese, amoralisch. Die liebe Kirche hat ja auch in keinem Zeitalter versäumt, den Juden als Christusmörder schon mal vorsorglich zu diffamieren.

Ein solcher Ansatz kann über Generation schadlos sein, kann aber auch jederzeit in die Katastrophe führen. Es kann sein, daß der PRiesterfürst sagt: rottet die Welt mit Atombomben aus, Gott will es. Wenn der Ayatollah welche hätte, wer wollte sagen, was geschehen würde?

So seltsam sich das anhören mag, Europa ist mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit zur Zeit des kalten Krieges daran ganz sicher nur um Haaresbreite vorbeigegangen, weil ja der Lichtstaat USA einen Krieg gegen das Böse führt, gegen die Gewalten der FInsternis, und sich, wie Ronald Reagan, schon dem Armageddon nahewähnte. Schöne Vorstellung für Christen, aber die Atheisten hätte es genauso erwischt. Auf den strategischen Karten war Europa als atomare Pufferzone ausgewiesen, mit allen Konsequenzen. Der Kampf gegen das Böse rechtfertigt jedes Opfer und läßt, in der Sache, keine Gegenargumentation zu. Er öffnet der staatlichen Willkür Tür und Tor.

Der Ansatz des Atheisten - des Atheistischen Rationalisten ist von der formalen Logik sicherer. Er sagt:

Als Grundlage der Lebenseinstellung und des Staatswesens sollen nur solche Voraussetzungen herangezogen werden, die falsifizierbar sind.

UM DAS RISIKO DES EWIGEN GRUNDIRRTUMS

zu vermeiden.

MFG

Dinosaurus


Von Frank am Dienstag, den 2. April, 2002 - 11:40:

"Ein Atheist behauptet nicht, daß es keinen Gott gibt. Er sagt: ich lehne es ab, von einer solchen Vorstellung auszugehen. "

Hallo Dino,

per Definition liegst Du bei Deinem ersten Satz schon falsch. Ansonsten aber ein sehr guter Beitrag, der allerdings, so glaub ich, eher auf Agnostiker zugeschnitten ist als auf Atheisten.

Gruß Frank

Atheismus

griechisch atheos, "ohne Gott", "Gott leugnend"
Weltanschauung ohne Gott, Verneinung der Existenz Gottes.


Von markus am Dienstag, den 2. April, 2002 - 17:48:

Ich glaube die Sache kann man mit ein wenig Umformulierung aber dennoch in diese Richtung bringen: Da es keinen Gottesbeweis gibt (man *glaubt* und kann nicht *wissen*) kann eine Existenz auch nicht verneint werden denn eine Behauptung (der Glaube) besteht bis zum Gegenbeweis. Somit kann der Atheist, par Definition, nur es Ablehnen einer Vorstellung der Existenz Gottes zu folgen.


Von Herbert Ferstl am Mittwoch, den 3. April, 2002 - 22:34:

Weil es so schoen zum Thema passt, zitiere ich "Woodyceraptor" im HUMANIST-Thread "Zum Thema Satanismus":

Die biopsychologischen Gegebenheiten unserer Existenz sind maßgeblich an Perzeption und Reflexion beteiligt. Es ist nicht nötig um deren Funktionsweise zu wissen, um leben zu können, aber sehr aufschlußreich, wenn ein Phänomen, z.B. "Glaube" auftaucht. Glaube und Rationalität stellen eine Dichotomie gedanklichen Seins dar. In erster Linie geht es um die Fähigkeit, sich innerhalb der Umwelt zu orientieren. Dieses Bedürfnis wirkt in der Psyche signifikanter als religiöse Sehnsüchte, als Automatismus allerdings weniger bemerkbar. Das, was wir als Glaube bezeichnen, ist eine Abart geriegelter Erfahrung, die im Idealfall einen Prozeß kritischer Betrachtung durchläuft und sich mit der Erinnerung zu einer Schablone in der Psyche verdichtet. Diese Schablone wird benutzt, um bei ähnlichen Erfahrungen eine Orientierung zu haben, die eine ökonomischere Handlungsweise als beim "ersten Mal" zuläßt. Zur Freistellung recourcenbindender Rationalität wird ein Handlungsreflex ausgelöst. Dieser stellt kognitives Potenzial zur Verfügung, welches für mehrdimensionales Handeln genutzt werden kann. (s.o.: Autofahren und auf ein Gespräch konzentrieren) .
Glaube entspricht einem dieser Handlungsreflexauslöser. Das Fatale an dieser Schablone ist seine gerissene Architektur. Zum einen hält er als Quasierklärung für unverstandene Phänomene und Schicksal her. Dadurch gewinnt diese Schablone schnell an Diffusion. Sie ist ein Sammelbecken für Eindrücke, die rational nicht zufriedenstellend aufgelöst werden können. Zum anderen wirkt er wie alle Schablonen Willkürhandlung verbietend oder auslösend (s.o.). Drittens ist dem Glauben eine überhöht emotionale Komponente immanent. Sie wertet den Wust von Fehlreflexionen derart auf, dass der Betroffene in mysthisches Staunen und Ehrfurcht versetzt wird. Dieses unterdrückt zusätzlich eine Skepsis. Glaube und Rationalität sind durchaus zwei Mechanismen einer Psyche, in ihrer Art jedoch gegensätzlich wirkend. Rationalität vereint Skepsis, Nüchternheit, Reproduzierbarkeit, Deskription, Vergleich in sich. Dem Glauben sind die Attribute Emotionalität, Mysthik, Phantasie, Axiom, Vermutung zugeordnet. Neben diesen zwei Elementen unserer Psyche gibt es allerdings noch ein drittes: das immer wieder bestrittene Wissen.
Und jetzt will ich klarstellen, dass die Argumente, wie "wir wissen nichts, sondern glauben nur", "alles ist möglich" und die Umkehrformel "nichts ist unmöglich" absoluter Schwachsinn sind und keine Entsprechung in der Realität finden. Ich beziehe mich dabei auf den Aufsatz "Wissenschaftsmythen" von Milton Rothman aus den Buch "Mein paranormales Fahrrad", Gero von Randow (Hg.), Rohwolt Taschenbuch Verlag GmbH, Hamburg 1993 (ISBN 3-499-19535-6). In diesem Aufsatz werden die fünf Stereotype, "Nichts wissen wir sicher", "Nichts ist unmöglich", "Was wir heute zu wissen glauben, wird sich in Zukunft wahrscheinlich als falsch erweisen", "Hochentwickelte Zivilisationen der Zukunft werden sich Kräfte zunutze machen, die wir heute noch nicht kennen", "Hochentwickelte Zivilisationen auf anderen Planeten nutzen starke Kräfte, die uns auf der Erde nicht zur Verfügung stehen", überprüft. Ich beginne das Zitat im ersten Abschnitt mit dem Thema "Nichts wissen wir sicher":

"[...] Bezeichnenderweise ging der Aufstieg der modernen Wissenschaft mit der Hinwendung zum philosophischen Realismus einher. Die modernen Neurowissenschaften gehen davon aus, daß es keinen abgesonderten "Geist" (oder eine abgesonderte Ideenwelt) gibt, sondern lediglich Funktionsmechanismen des physischen Nervensystems. Und wir können die reale Welt dadurch erkennen, daß wir die Signale interpretieren, die über die Sinneskanäle in unser Gehirn weitergeleitet werden. Die gesamte zeitgenössische Wissenschaft gründet auf der Ablehnung des Geist-Körper-Dualismus.
Die Grundprämisse der modernen Wissenschaft lautet, meine Existenz und die Existenz der Außenwelt stehen zweifelsfrei fest. Und sobald wir von der Existenz einer realen Welt ausgehen, haben wir einen ersten Schritt in Richtung sicherer Erkenntnis getan. Entweder wir wissen etwas mit Sicherheit, oder wir wissen überhaupt nichts.
Trotz (oder wegen) der unbestrittenen Notwendigkeit, Sorgfalt und Bescheidenheit walten zu lassen haben Physiker in den letzten hundert Jahren zahlreiche neue Erkenntnisse gewonnen. Es gibt Wissensgebiete, die ein derart hohes Maß an gesicherter Erkenntnis aufweisen, daß es töricht wäre, ihre Gültigkeit in Abrede zu stellen. Einige wenige Beispiele mögen das verdeutlichen:
a) Eins plus eins ist zwei. Das ist eine mathematische Definition der Addition für den Bereich der reellen Zahlen, und innerhalb dieses Kontextes ist sie absolut wahr. Man kann andere Definitionen aufstellen, doch dann befindet man sich auf einem anderen Bereich der Mathematik (beispielsweise der Vektoraddition). Dieses scheinbar triviale Beispiel zeigt zunächst, wie wichtig Definitionen in der Wissenschaft sind. Doch auch wenn eine Definition in sich vollkommen und mathematisch exakt ist, hängt ihre Anwendbarkeit auf die physikalische Welt von den Eigenschaften der realen Objekte ab, auf die sie sich bezieht. Eine Orange plus eine Orange ergibt immer zwei Orangen. In der Physik hingegen ist ein Kilogramm plus ein Kilogramm nicht immer gleich zwei Kilogramm.
b) Ein weiteres Beispiel für die für die gegenseitige Abhängigkeit von Definition und physikalischer Wirklichkeit: Alle Elektronen stoßen sich gegenseitig ab, weil sie erstens alle elektrisch negativ geladen sind und zweitens gleichnamige Ladungen sich immer abstoßen. Sie können dagegen Einwenden: "Woher wissen Sie, daß es nicht irgendwo in der Natur einige Elektronen mit positiver Ladung gibt? Vielleicht hat man sie schlicht übersehen, weil sie so selten sind." Die Antwort lautet, daßes tatsächlich Teilchen gibt, die in jeder Hinsicht mit den Elektronen übereinstimmen, außer daß sie positiv geladen sind. Doch diese Teilchen nennt man Positronen und nicht Elektronen. Alle Elektronen sind per definitionem negativ geladen. Durch eine Kombination von begrifflicher Definition und Experiment, die die Existenz dieser Teilchen beweisen, gelangen wir zu einem recht sicheren Wissen. Es besteht keine Unsicherheit über das Vorzeichen der Elektronenladung, weil es sich dabei um eine diskrete Eigenschaft handelt.
c) Die Erde ist keine Scheibe. Soll heißen, ihre Oberfläche bildet keine Ebene. Ebenso behaupten wir, die Erde bildet nicht den Mittelpunkt des Weltalls. Während man vor noch nicht allzu langer Zeit für eine solche Behauptung auf dem Scheiterhaufen landen konnte, haben wir mittlerweile infolge physikalischer und kosmologischer Beobachtungen einen Punkt erreicht, wo diese Annahme als sicheres Wissen anerkannt wird.
Die voranstehenden Behauptungen bleiben unabhänig von präzisen Messungen gültig. Die Gültigkeit anderer wissenschaftlicher Aussagen dagegen hängt von der Präzision der Messungen ab, und in diesen Fällen müssen wir in der Tat einräumen, daß keine völlig exakte Messung möglich ist. Verkannt wird dennoch meist die Tatsache, daß viele physikalische Messungen außerordentlich präzise durchgeführt werden können. So wurde das Teilchenmodell der modernen Physik durch eine Reihe von Messungen mit einem Ungenauigkeitsfaktor von insgesamt weniger als einem Milliardstel bestätigt. Der Energieerhaltungssatz [...] wurde durch kernphysikalische Experimente mit einer Genauigkeit von einer Billiarde bestätigt. Um eine Vorstellung davon zu bekommen , was diese Präzision bedeutet, stellen Sie sich einfach vor, Sie könnten mit einer Geschwindigkeit von hundert Wörtern pro Minute Schreibmaschine schreiben und Sie machen nur einen Fehler je Billiarde geschriebener Wörter. Dann könnten Sie 30 Millionen Jahre lang tippen, ohne einen einzige Fehler zu machen. Praktisch gesehen ist diese Präzision "vollkommen".
All das bedeutet, das Teilchenmodell und der Energieerhaltungssatz sind wissenschaftliche Erkenntnisse, die ein außerordentlich hohes Maß an Gewißheit aufweisen. Sie sind nicht "bloße Theorien" sondern wirkliche Erkenntnisse. [...]"

Soviel auch zu dem Thema, das jeweils aktuelle Atommodel sei Glaubenssache (auch wenn frau/man nur minimal 30 Jahre und ein Wort schreiben muß).
Wenn ich behaupte , dass ein "Gott" nicht außerhalb des Kopfes eines seiner Gläubigen existieren kann, ist das kein Glaube meinerseits, sondern eine entwicklungs- und biopsychologisch abgeleitete Erkenntnis. Dies ist eine Holschuld und keine Bringschuld, wie uns das 9-13 Jahre Schulzeit glauben lassen. Wenn ich etwas nicht weiß, liegt es an mir Erkenntnis und Wissen zu holen. Genau so ist das mit der Zusammensetzung des Bundestages. Wollte frau/man ernsthaft wissen, ob das alles stimmt, was behauptet wird, ist das nachvollziehbar, aber anstrengend.
Es ist illegitim zu behaupten, wenn religiöse Begriffe linguistische Hilfsgrößen sind, dass dies auf die gesamte Sprache ausgeweitet werden kann. Während religiöse Begriffe ihren Ursprung in einem Gedankenkonzept haben, finden Begriffe wie "Baum, Tür, Auto, Sonne etc." eine Entsprechung innerhalb der unmittelbar erfahrbareren Realität. Es gibt also einen Kontrast, der denotatorische Konsequenzen hat: Als Destillat einer Vermutung sind religiöse Begriffe erklärungsbedürftig, um nicht in absoluter Sinnlosigkeit vor sich hinzudümpeln. Eine kulturunabhänige Entdeckung, die bei zwei verschiedenen Individuen zu gleicher oder ähnlicher Wert- und Wirkenseinschätzung führt, ist unmöglich. Für Satanisten ist Gott das Arschloch, welches sich in selbstüberschätzender Weise über die Menschen zu erheben versucht und ihnen unter Androhung von ihm verursachter Gewalt einen ihm gefälligen Lebensweg aufzwingen will (aber welche Bedeutung hat das Arschloch im Pantheon des Gläubigen eigentlich). Satanisten glauben viel, wenn es um Satan geht. Dass er ein liebevoller und netter Kerl ist, nimmt dabei sicher einen geringeren Stellenwert ein. Trotzdem halten sie an ihrem Glauben fest. Nur ein gewissensfreies Leben dahinter zu vermuten, in dem frau/man sich jeden Scheißdreck erlauben kann, ist zu dünn spekuliert und in der Realität nicht durchführbar. Das Schiksal Charles Mansons auf der satanistischen Seite oder das von Buford Furrow auf der christlichen sprechen für sich. Da Satanisten über ein genau so hohes Maß an Intelligenz verfügen wie Mitglieder anderer Glaubensrichtungen, sind ihnen die Gesellschaftsmechanismen, die auf empfindliche Störungen des Zusammenlebens reagieren, vertraut. Die Psychose, die zu Gewalt gegen Menschen führt, ist überkonfessionel, eine Konfession wirkt aber verstärkend.
Was das Missionieren betrifft, ist es für mich ein Unterschied, ob jemand in einem Interview behauptet XYZ-Gläubiger zu sein, oder ob mich jemand am Sonntag morgen um 9.00 Uhr aus dem Bett klingelt, und mit mir freudestrahlend über "Onsören Herrn Jäsus" debattieren will. Oder ob er wie eine Furie durch die Menge rennt und Menschen mit einer Peitsche bearbeitet, um sie zum rechten Glaubenshabitus zu bewegen. Ich zweifle an, dass das Musical "Jesus Christ Superstar" aus missionarischen Gründen entstanden ist. Auch ein Konzert von Marylin Manson dient nicht der Missionierung sondern dem finanziellen Nutzen. Nach welchen Gesetzen die Musikszene und besonders die Performance funktioniert, mag ein anderes Mal diskutiert werden, mir ist auch die Konfirmandenpolemik zu dumm, die Satanismus und Nationalsozialismus auf eine Ebene zu heben versucht, sich immer wieder Beispiele aus der erfahrbaren Realität sucht, obwohl sie vorher als nicht erkennbar dargestellt wurde, und wenn tausend Jahre kontinuierlicher Einflußnahme auf die Kultur als heute kaum noch wirkend verniedlicht werden. Auch dass die Gottesschöpfung zu leugnen durchaus mehr Substanz hat als die Leugnung des Energieerhaltungssatzes (oder ATOMMODELLS), ist oben hinlänglich dargelegt.
Ab den Bezugsgrößen wird es wieder flüssig. Dabei wird übersehen, dass Erfahrung sich nicht innerhalb derselben Welt abspielt, sondern immer nur in den Köpfen der Menschen. Diese voneinander unabhänigen Psychosysteme treffen voneinander unabhänige Wertungen desselben Ereignisses, ohne vorherige Absprache der Parameter. Die deutlichste Diskrepanz entsteht aber durch die räumliche Trennung des physischen Bezugspunktes. Verschiedene ungeeichte Blickwinkel ergeben verschiede Reflexionen. Wichtig bei einer allgemeinen Betrachtung von Erfahrung ist also der Ausgang vom Individuum und nicht von kulturellen Werten. So ist es ohne weiteres nicht nachvollziehbar, "daß es böse ist, jemandem unnötig Schmerz zuzufügen". Betrachtet man die Genese eines Individuums, so wird dieses irgendwann mit physischen Schmerzen konfrontiert. Diese Erfahrung wird als negativ gewertet und entsprechend geriegelt. Entsteht dieser Schmerz direkt nachvollziehbar durch ein anderes Individuum, gibt es als erstes den Wunsch, sich dessen Einflußnahme zu entziehen. Dabei hängt es von der Fähigkeit zu transzendieren ab, ob begriffen wird, welche Intention mit der Verursachung des Schmerzes verbunden ist. Ist das der Arzt, der mir eine Spritze setzt, oder der Spielkamerad, der mir einen Stein an den Kopf wirft. Da ursprünglich keine Trennug von Intention und Wirkung vorgesehen ist, müssen tausende von Kinderärzten mit der Ablehnung vieler ihrer Patienten leben. Sie werden nämlich als böse geriegelt und tun den Patienten weh. Damit ist es nicht allgemeingültig, "daß es böse ist, jemandem unnötig Schmerz zuzufügen", sondern es ist böse, wenn "mir Schmerz zugefügt wird". Das liegt nicht daran aus den Konventionen von Sprache ausscheren zu wollen, sondern wieder an den kreatürlichen Mechanismen von Erfahrung und Wertung des Menschen. Durch "Böse" wird eine Qualität wiedergegeben, die in ideologisch losgelöster Form bei gleichsprachlichen Konversationspartnern einen Richtwert ergeben, in der Metaebene jedoch individuell sind. Auf Begriffe der physischen Realität trifft das nicht zu. Sie existieren in der Metaebene universell und werden erst im individuellen Bereich bewertet und unscharf. (Ach, ja: Sinn und Zweck von Metaphern sind mir durchaus bekannt.)
Es geht mir nicht darum eine Religion abzuwerten, um eine andere Vorzuziehen. Der Religion als Abfallprodukt menschlicher Vermutungen, die auf Grund von Faulheit oder Unfähigkeit bei der Wissenserlangung und Beobachtung begründet worden ist, gilt meine Kritik. Dabei ist es nötig die Quantität der Glaubensangehörigen und Kulturbeeinflussungen gegeneineander abzuwägen und an dieser Stelle stehen die "Christen" nun mal in unserem Kulturkreis äußerst dominant da. Es ist unnötig Kirche und Christentum aufzuspleißen, da die Grundannahmen (Gottesvermutung/Pantheon/Urgesetze) bei beiden gleich und somit gleich falsch sind. Christen tun schlechtes mit gutem Gewissen, weil sie es nicht besser wissen. Satanisten bekennen sich wenigstens zu ihrer Schlechtigkeit. Dem Opfer ist das zwar egal, es würde lieber ohne Täter leben. Täterschaft wird aber durch die Abschaffung widernatürlicher Kodices eine Grundlage entzogen. Institutionen, die durch derartige Kodices entstehen tragen das Element des Scheiterns oder, um das zu vermeiden, den Zwang zur Gewaltanwendung in sich. In ihnen potenziert sich Täterschaft, welche aber auch gleich eine gewissensberuhigende Anonymität erhält. Dass Martin Luther diese und weitere Mißstände am eigenen Leib erfahren hat, ist genau so bekannt, wie seine Fähigkeit derartige Mechanismen auf die Situation der Bauern zu übertragen. Sein Beitrag zur Entwicklung der deutschen Sprache ist bemerkenswert, sein Katechismus aus systemimmanenten Gründen mehr als daneben. Und genau wie seinen Katechismus lehne ich den "Gott" anhand der darin beschriebenen Verhaltensregeln ihn betreffend ab. Ohne seine Anhänger ist er nicht die Tinte wert, die man braucht um "INRI" zu schreiben. Er taugt weder als Prinzip noch als vermutete Wesenheit.


Von dinosaurus am Donnerstag, den 4. April, 2002 - 08:19:

Re Frank

Eine Definition im Wörterbuch erspart nicht die Prüfung der Konsistenz. Was glaubst du, was so alles im Wörterbuch steht!

Leugnen ist ein Begriff aus der metaphilosophischen Soße der christlichen Allmachtsphantasie und heißt, etwas bestehendes abstreiten. Es wird damit der Definition in einer Weise vorgegriffen, die sie a priori in ihr Gegenteil verkehrt. Insofern ist der Begriff "leugnen" in diesem Zusammenhang als mißverständlich abzulehnen, weil er mehr ist, nämlich eine Methapher, die sehr schön zu den Ketzerprozessen paßt. Dort ist er zutreffend.

Atheos ohne Gott ist eine unvollständige Definition, weil es statischer Begriff ist. Der Atheismus zeichnet sich aber gerade durch seine dialektische Bewegung des Infragestellens -> Prüfens-> Ablösens aus. Er ist ein Ablösungsphänomen, ein dialektischer Prozeß, keine Zustandsbeschreibung.

Die Atheismusdefinitionen der (zumeist der christlichen Grundhaltung verpflichteten) Wörterbücher sind fahrig, inkonsistent und voreingenommen.

Eine Definition des Atheismus mit wenigen Worten ist ohnehin der Vielschichtigkeit des Begriffes nicht angemessen.

Was immer durchschlägt, aus demselbem metaphilosophischen Pool, ist die implizite Aussage: kein Mensch kann an nichts glauben, also muß jeder Mensch an irgendetwas glauben, also ist der Atheist einer, der etwas anderes glaubt. Und in diesem Sinne ist er dann ein Gottesverleugner, denn er muß, wenn er etwas anderes glaubt, das eine bestreiten. Dieser Gedankenansatz ist historisch aus der Ablösung des Christentums vom Judentum, genauer des Heidenchristentums vom Judenchristentum entstanden, und hier, genau hier, paßt er ja auch hin.

Atheismus ist von der Phänomenologie etwas ganz anderes. Er ist keine Substitution des einen durch das andere, sondern er bestreitet die NOTWENDIGKEIT eines Glaubens überhaupt.

Das ärgert die Christen mehr als die Konkurrenz, beispielsweise des Islams, die ja Grundvorraussetzungen des Glaubens nicht infragestellt, sondern bestätigt.

MFG

Dinosaurus


Von Anonym am Donnerstag, den 4. April, 2002 - 14:00:

>>>Atheismus ist von der Phänomenologie etwas ganz anderes. Er ist keine Substitution des einen durch das andere, sondern er bestreitet die NOTWENDIGKEIT eines Glaubens überhaupt. <<<

Nööö, die meisten Atheisten bestreiten nicht die Notwendigkeit eines Glaubens, sondern behaupten in erster Linie, dass es keinen Gott gibt (Frag mal Herbert).
Das es dann auch nicht mehr notwendig ist an einen zu glauben ergibt sich als logische Konsequenz aus dieser Behauptung.


Von dinosaurus am Donnerstag, den 4. April, 2002 - 14:36:

RE Anonym

Also was deine lieben Atheistenfreunde in erster Linie behaupten, mag ja Realität sein, hat aber mit der Definition des Atheismus wenig zu tun.

Wenn deine Freunde nämlich mal nachdenken würden, dann würde ihnen auffallen, daß

DER BEWEIS DER NICHTEXISTENZ EINER SACHE UNMÖGLICH IST.

Was aber unmöglich zu beweisen ist, sollte man besser nicht behaupten, weil man genau dann mit den Glaubensbrüdern wieder in einer Ecke steht.

Hier jubelt der Christ und sagt: seht ihr, dann kann ich genausogut recht haben!

Stimmt nicht!

Weil es keine 50:50 Wahrscheinlichkeit ist, daß es einen (diesen) Gott gibt oder nicht.

Vielmehr, wenn ich einmal ein Beispiel von Richard Dawkins zitieren darf, daß aus einer Statue wie der Madonna von Lourdes Milch abgesondert wird, ist zwar nicht unmöglich, aber die Wahrscheinlichkeit dafür liegt in einem Bereich, der die Zahl der Atome des Universums billionenfach übersteigt. Also statistisch geht eher das Universum zugrunde, als daß die Madonna von Lourdes Milch gibt.

Also "glaube" oder behaupte ich nicht, daß es unmöglich ist. Aber ich sage: wir gehen besser davon aus, daß es sich nicht so verhält.

MFG

Dinosaurus


Von Anonym am Donnerstag, den 4. April, 2002 - 15:14:

"DER BEWEIS DER NICHTEXISTENZ EINER SACHE UNMÖGLICH IST. "

Das brauchst Du nicht zu betonen, denn das ist exakt meine Sichtweise. Und daher tendiere ich auch immer mehr zum Agnostizismus, obwohl ich offiziell noch Christ bin.
Und bei Dir scheint mir die Sache ähnlich gelagert, nur das Du eine eigentlich agnostische Weltanschauung zum Atheismus erklärst.

P.S. Herbert ist übrigens nicht mein Freund, sondern genau wie für Dich, ein virtueller Diskussionspartner.


Von Frank am Donnerstag, den 4. April, 2002 - 15:18:

Das Kontrollkästchen "Anonym" hatte ich versehentlich aktiviert. Der letzte und der vorvorletzte Beitrag stammt von mir.


Von Herbert Ferstl am Donnerstag, den 4. April, 2002 - 21:57:

Hallo Frank,

Nööö, die meisten Atheisten bestreiten nicht die Notwendigkeit eines Glaubens, sondern behaupten in erster Linie, dass es keinen Gott gibt (Frag mal Herbert).

Ich DACHTE immer, dass ich stets meine Maxime:

"Ich GLAUBE nicht - Ich DENKE!"

hervorgehoben haette. :-)))))

Erst daraus ergibt/ergab sich fuer mich die Konsequenz, dass es keinen Gott gibt.

Das es dann auch nicht mehr notwendig ist an einen zu glauben ergibt sich als logische Konsequenz aus dieser Behauptung.

Was waere der Umkehrschluss?: Ich GLAUBE nicht an einen Gott - ergo gibt es keinen? Das waere aber nicht logisch und waere eine andere Aussage als: Ich GLAUBE nicht - ich DENKE!

Gruesse
Herbert


Von dinosaurus am Freitag, den 5. April, 2002 - 07:22:

tja herbert,

die atheisten -agnostiker - freidenker sind nicht wirklich frei.

Sehen sie einen Glaubensbruder, fangen sie an zu gutmenscheln.

Sehen sie einen von der eigenen Truppe, überfällt sie ein geheimnisvoller Zwang, aufeinadner herumzuhacken und sich um des Kaisers Bart zu streiten.

MFG

dinosaurus


Von Herbert Ferstl am Samstag, den 6. April, 2002 - 12:49:

Hi Dino,

ganz so krass sehe ich das nicht (mit dem herumhacken), da habe ich mit militanten Christenfundis - im realen Leben - weit Schlimmeres erlebt. Kritik und Auseinandersetzung ist schon o.k. - auch im "eigenen Lager". Man versucht ja, staendig dazuzulernen.
Da sehe ich ein weit groesseres Problem der A&A`s darin, sich nicht gerne (politisch) zu organisieren, um die Interessen der A&A`s auf politischer Ebene zu vertreten (z.B. IBKA).
In Parenthese: Deine Beitraege hier im Forum haben mir sehr gut gefallen. Zeigen sie doch auesserst praegnant den evidenten Unterschied zwischen GLAUBEN und gar nicht GLAUBEN. Gerne wurde ich - Dein Einverstaendnis vorausgesetzt - daraus zitieren (nichtgewerblich :-)) ).

Gruesse
Herbert Ferstl


Von sire am Sonntag, den 7. April, 2002 - 04:14:

Sobald man auf "Lagergenossen" Rücksicht zu nehmen versucht, hat man natürlich nicht mehr die lautere Wahrheitsfindung im Auge, sondern legt sich selber parteiische Fesseln an.

Ich möchte noch einmal einhaken bei der Folgerungskette:

Kein Mensch kann an nichts glauben, also muß jeder Mensch an irgendetwas glauben, also ist der Atheist einer, der etwas anderes glaubt.

Das "andere", um das es am Schluß geht, setzt natürlich ein Bezugsobjekt voraus, aber das ist ja kein Problem. Genausogut könnte der Atheist sagen, der andere glaubte etwas anderes.

Aber was soll falsch sein an der Aussage, kein Mensch könne an nichts glauben?

Wenn ein Atheist sich dadurch kennzeichnete, daß er an nichts glaubt, dann dürfte er auch nicht an das Universum glauben (er könnte stattdessen alles für eine Illusion halten und wäre demnach ein prima Kandidat für den Buddhismus). Der Begriff "Atheist" bezieht sich allerdings nur auf die Frage des Gottesglaubens. An die schlichte Existenz des Universums zu glauben ist zunächst einmal ziemlich profan, denn es läßt sich ja schlecht abstreiten, daß irgend etwas auf jeden Fall existieren muß, und das ist dann eben das Universum. Weiterhin läßt sich die Existenz eines lebendigen Bewußtseins nicht abstreiten, denn dieses meine ist es ja, das eben diese Erkenntnisse hat. Irgendein Medium jedenfalls muß dieses Phänomen hervorbringen. Um nun noch an die Existenz eines Gottes zu glauben, muß man nur noch zusätzlich der Annahme anhängen, es gebe eine Art universales Bewußtsein (das in der Vorstellung von uns Menschen naheliegenderweise gewisse menschliche Züge trägt, vor allem aus Gründen sprachlicher Begrifflichkeit).

Den Atheisten macht also doch nicht aus, daß er überhaupt nicht glaubte, sondern daß er eben speziell an Gott nicht glaubt. (Dem Risiko des ewigen Grundirrtums kann man übrigens ohnehin nicht entgehen, denn der Irrtum kann ja auch darin bestehen, vor der Gottesexistenz die Augen verschlossen zu haben.)

Übrigens nehme ich an, daß die meisten derjenigen, die sich als Atheisten bezeichnen, eher nicht glauben wollen, als daß sie das nicht könnten. Denn die Fähigkeit zum Glauben ist selbstverständlich vorhanden, es muß nur die Bereitschaft dazu bestehen. Die Bereitschaft zum Gottesglauben kann fehlen, wenn man es ablehnt, sich jener Autorität unterzuordnen, die sich aus dem jeweiligen Gottesbild ergibt.

Genaugenommen kann man gar nicht nicht an Gott glauben. Die Sache ist ein begriffliches Phänomen. Man kann mit dem Gottesbild der dominierenden Religionsgemeinschaften der Umgebung (die also zur Gefolgschaft zur Auswahl stehen) uneinverstanden sein. Doch wenn man zum einen für den Begriff "Gott" die ultimative ordnende Kraft des Universums (Weltschöpfer) definiert und gleichzeitig die eigene Seele, d.h. das eigene Bewußtsein erkennt (was sich schlecht vermeiden läßt) und der Seelen all der anderen Individuen, die sich aufgrund letztlich kommunikativer Grundlagen eher leicht wahrnehmen lassen (auf diese Weise also Menschen, anders und schwieriger bereits bei Tieren, schon sehr fremd bei Pflanzen usw., in anderer Richtung Computer und sowas), dann wird man zugeben müssen, daß das Vorhandensein eines Gottes in irgendeiner Form wahrscheinlicher ist als seine Nichtexistenz. Schließlich ist das ganze All nichts als ein verdammt komplexes Muster, das aber strengen Grundordnungen gehorcht. Die Wissenschaft zeigt es in aller Deutlichkeit.

Die eigentliche Frage ist eher, welche Religion kommt der Wahrheit am nächsten? Oder führen die traditionellen Religionen möglicherweise eher von Gott weg als zu ihm hin, zumal im Kontext der heutigen Gesellschaft? Gibt Gott uns diese oder jene Moral? In welcher Beziehung stehen wir als Menschen, stehe ich als Individuum zu Gott? Ein Atheist könnte sich diese Fragen problemlos genauso stellen, er würde nur den Begriff "Gott" vermeiden und durch etwas anderes ersetzen, doch wonach er sucht, wäre letztendlich genau das gleiche: Leitung durch Sinn. Was ist richtig, was ist gut.


Zu dem, was im Eingangsbeitrag als "irrational" bezeichnet wird, möchte ich noch anmerken, daß irrational natürlich nicht gleichzusetzen ist mit falsch. Darüber hinaus kann vieles, das irrational erscheint, tatsächlich doch rational sein, aber so, daß es nicht sofort auffällt. Ähnlich wie kleine Kinder grammatische Gesetze intuitiv in der fließenden Rede umsetzen können, ohne daß sie die Regeln formulieren könnten, so könnten auch Annahmen über korrekte Moral, Weltbeschaffenheit usw., die typisch religiösen Themen eben, einer Ordnung entspringen, die einem nicht direkt bewußt ist. Wir treffen ja in unserem Alltag ständig unbewußt derartige Entscheidungen: Wie habe ich in der jetzigen Situation zu reagieren, was ist korrekt, was will ich, was darf ich tun, was tue ich nun wirklich? Nur weniges davon tritt in die Sphäre unseres Bewußtseins, und dann oft erst nachträglich. Das Gehirn führt unterhalb unserer Bewußtseinsschwelle eine Reihe von Bewertungen auf der Grundlage unseres individuellen Erfahrungsschatzes durch. Selbst wenn man nun außer Betracht läßt, was für weitere genetische (archetypische) oder die Grenzen des Individuums überschreitende Einflüsse noch hinzukommen, daß eine besondere Form der Ratio oder Intelligenz also sogar über das Fassungsvermögen eines Einzelnen hinausgehen könnte, so zeigt sich hier schon, daß die Ratio, die Vernunft, eben auch deshalb so schwer einzugrenzen ist, weil sie sich in Bereiche der Intuition erstreckt. Nicht einmal die Logik ist ohne Erfahrungswerte denkbar.


Von Frank am Sonntag, den 7. April, 2002 - 11:42:

Moin Sire (WW):-),

Deine Argumentation ist immer die gleiche. Zumindest darin bist Du konsequent:-)
Aber die meisten Menschen, die sich in der westlichen Hemisphäre Atheisten nennen lehnen es in der Regel ab an den christlichen Gott zu glauben. Über eine weitergehende Gottesdefinition machen sich wohl die wenigsten Gedanken.

Gruß Frank


Von Herbert Ferstl am Sonntag, den 7. April, 2002 - 12:09:

Mir ist raetselhaft, wie man als Atheist an ein Universum GLAUBEN kann.
Ich denke, hier wird einiges an Semantik vermengt. Am besten faende ich einen Sprachgebrauch wie im Schwedischen, wo es zwei verschiedene Begriffe fuer GLAUBEN gibt: Einmal im transzendenten, metaphysischen Sinne und ein zweiter Begriff fuer "glauben" in Form von "hoechstwahrscheinlicher Annahme":
"Ich nehme an (ich glaube), morgen wird das Wetter schoen, weil sich die Cumulus-Wolken und die Abendroete...".

Und da wir heute sehr schoenes Wetter in Bayern haben, mache ich mich mit den Kids per pedes auf die Socken und DENKE, es wird ein angenehmer Nachmittag... :-))))


Von Heike N. am Sonntag, den 7. April, 2002 - 12:39:

Hallo Frank,

"Deine Argumentation ist immer die gleiche. Zumindest darin bist Du konsequent"

Er hängt halt an uns. Ist doch irgendwie rührend, oder? :-)

Heike


Von dinosaurus am Sonntag, den 7. April, 2002 - 15:54:

Re Sire

Ich stimme Herbert zu, daß ein Großteil deiner Argumentation sich um ein rein semantisches Problem dreht, mit anderen Worten, es ist ein Streit um Worte. Im übrigen reißt du Teile von Zitaten aus dem Zusammenhang, wobei du insbesondere die ursprüngliche Intention unberücksichtigt läßt. Was mich an deiner Argumentation sehr an die Scholastiker erinnert, ist der Umstand, daß du die Wahrheitsfindung aus der reinen Begrifflichkeit abzuleiten suchst. Ein Vermischung von Begrifflichkeit, Definition und naturwissenschaftlichen Theorien führt nirgendwohin.

Insbesondere assozierst du mit einer nahezu unbegrenzten Beliebigkeit komplexe Strukturen mit dem Begriff des "Glaubens", und wie oben angeführt, unredlicherweise, weil du nämlich aus einem in ganz anderem Zusammenhang zitatorisch aufgeführten Begriff eine "Meinung" des Gegenspielers zu konstruieren versuchst, die so gar nicht existiert.

Das zeigt sich an dem von mir (nicht als Überzeugung, sondern als absurd) gekennzeichneten Gedankenansatz:

Niemand kann an nichts glauben. Was soll daran, wie du so schön sagst, so falsch sein?

Dieser Satz ist ein Wortspiel, er ist reinste und schillerndste Semantik, seine Aussage ist selbstbezüglich und banal. Es ist eine Rekursion. Das falsche ist eigentlich nicht der Satz als solcher, sondern der Ansatz (dem du auch zum Opfer fällst), ihn als Diskussionsgegenstand gelten zu lassen Wozu der Begriff "Glaube" auch immer taugen mag, er taugt nicht als Argument in einer Auseinandersetzung, deren Gegenstand er ist, umso mehr, als er umgangssprachlich ein weites Spektrum von Phänomenen abdeckt, die hier gar nicht gemeint sein können.

Jeder Mensch hat ÜbBerzeugungen, Wertvorstellungen, Orientierungen, kognitive Rückkoppelungserinnerungen, Erkenntnisse und so weiter. Der GLaube ist eine Spezialkonstellation verschiedener Parameter, die es ja nicht vorauszusetzen, sondern erst mal zu erklären gäbe.

Insofern halte ich deine ARgumentation vom methodologischen Ansatz her schon für untauglich, um irgendwelche stringenten ERgebnisse zu produzieren.

MFG

Dinosaurus


Von dinosaurus am Sonntag, den 7. April, 2002 - 16:10:

RE Herbert

Ich muß mir deine Threads mal in Ruhe reinziehen und verdauen. Sind ja nicht gerade die kürzesten.

Du hast mir aber eine große Freude gemacht durch einen unverhoffte Information. Seit Jahren beschäftige ich mich mit etwas, was ich als die Giftwurzel des ABendlandes (*grins*) empfinde, weil es durchgängig das Denken der Menschen "verseucht" und gesellschaftliche Strukturen auf eine Weise bestimmt, die irrational sind, nämlich dem platonisch-aristotelischen Dualismus. Der liegt mir im Magen wie ein Stein, aber ich finde keinen AUfhänger.

Was mich total verunsichert hat, ist der Umstand, daß niemand dieses Problem überhaupt zu sehen scheint.

Und jetzt erfahre ich, daß in der Psychologie genau dieser Ansatz erkannt und einhellig abgelehnt (*jubel*) worden sein soll.

ALso, bzgl. der Psychologie, da habe ich eine Scheunentorlücke, weil ich die immer in die Ecke der para-rationalen Pseudowissenschaften gewähnt und daher vollständig igoniert habe.

Vielleicht muß ich da umdenken.

MFG

Dinosaurus


Von Heike N. am Sonntag, den 7. April, 2002 - 16:47:

Hallo Dinosaurus,

*nämlich dem platonisch-aristotelischen Dualismus.*

Kannst du mir darüber einmal Infos geben bzw. Links, damit ich mir selber ein Bild machen kann?

Ich danke!

Gruß
Heike N.


Von dinosaurus am Sonntag, den 7. April, 2002 - 17:23:

Tja, liebe Heike...

dieses Monster, diese Krake ist eigentlich überall. Man stolpert mit jedem Schritt darüber, aber niemand nimmt das wahr ...

Die großen Geheimnisse findet man nicht am Ende der Welt, sondern vor der Haustür. Man muß nur den Blick dafür entwickeln.

Solche philosophischen Zusammenhänge erschließen sich eigentlich weniger aus dem Medium Internet als aus dem klassischen der Kontemplation, der Bücher.

Einen hervorragenden Überblick über die abendländische PHilosophie aus dem Blickwinkel eines Philosophen, Naturwissenschaftlers und Mathematikers stellt meiner Ansicht nach

Bertrand Russells "Philosophie des Abendlandes" dar.

Tut mir echt leid, daß ich dir keine Threads nennen kann. Bevor du so ein Buch allerdings online liest, kannst du es dir billiger kaufen.

Das Problem des Dualismus, wie er von dem alten Sklavenhalter Platon und dem Besteiger des Alexander, Aristoteles, in die Welt gesetzt und von der Priesterkaste begierig aufgesogen wurde, ist die Verachtung der Materie zugunsten einer eingebildeten Idee. Verachtung des Fleisches, Verachtung der wahrnehmbaren Realitäten, also ein Szenario des Absurden. Gefolgt von dem kategorischen Imperativ: die Idee geht zeitlich der materiellen Erscheinung voraus. Es gibt also keinen Tisch, ohne daß zuvor die Idee eines Tisches gewesen wäre (klappt ja beim Tisch auch ganz gut, bei Dinosauriern weniger, da klemmt das). Was auch immer du siehst (die Priester haben nie was gesehen), es ist schon von daher nicht wesentlich, weil dahinter etwas anderes steht. Es ist der kategorische Imperativ (woran ja schon die Griechen zugrunde gegangen sind) der Verachtung der Empirik. Man sucht die Weisheit durch ein SPiel der Worte = beknackte Mönche sitzen jahrhundertelang herum und grübeln über die Bibel, nur daß sie innerhalb Jahrhunderten nicht mal einen Luftballon hätten entwickeln können, so groß ist das Exsudat ihrer gesammelten Weisheit. Denn der steht da ja nicht drin.

Der Priesterstaat! Platon nennt ihn nicht so, aber ... na ja, jetzt müßte ich 500 Seiten anfügen. Das ist alles eine Grobskizze, und unterschlagen habe ich noch die wichtigsten Sachen.

Fang mit Russell an, und verzweige dich weiter. Wenn du dich quälen willst mit nervtötendem Unsinn, lies die nikomachische Ethik und den anderen Kram des Aristoteles, oder besser das Gastmahl des Platon. Das ist weniger schlimm.

Ausgerechnet Popper (ausgerechnet der!) geriet mit seiner (schleimseidigen) Platonkritik in das Visier der konservativen Werteüberwacher und hatte Probleme, das auszubügeln. Und so weiter. Es ist wirklich die unendliche GEschichte....


MFG

Dinosaurs


Von dinosaurus am Sonntag, den 7. April, 2002 - 17:55:

PS:

anders als der Glaube, der auch tauglich ist für die thumbesten Thoren und die gedankenfaulsten Menschen, abgesehen von den Windhähnen unserer Gesellschaft, die stets ihren Vorteil wittern und nutzen, erschließen sich die Gefilde des Wissens nur durch Mühsal und Befähigung.

Schon daraus können wir folgern, daß die Gläubigen immer die ABSOLUTE MEHRHEIT bilden werden und daher der Wissende eine Staatsform benötigt, in der er von denen nicht erschlagen wird. Was man an dem Dritten Reich aufgrund des Auschwitz-Mysteriums übersehen soll, ist die Tatsache, daß Hitler die Szene der selbständig Denkenen Intellektuellen viel umfassender abgeräumt hat als diejenige der europäischen Zigeuner und der Juden.

Du erkennst das an dem folgenden Zitat unserer heutigen politischen Elite (Angela Beer, verteidigungspolitische SPrecherin BÜndnis 90/Die Grünen):

"Wir wissen, daß Krieg auch nicht als ultima ratio vertretbar ist, sondern nur, wenn wir keinen anderen Ausweg mehr wissen."

Ist doch herrlich, nicht wahr?

MFG

Dinosaurus


Von Heike N. am Sonntag, den 7. April, 2002 - 18:55:

Hallo Dinosaurus,

"Es gibt also keinen Tisch, ohne daß zuvor die Idee eines Tisches gewesen wäre"

...und ein Baum wird nur dann ein Geräusch beim Umfallen machen, wenn jemand zugegen ist, der das registrieren kann (bzw. die Idee des Geräusches hat)
Ich danke dir für diese aufschlussreiche Beschreibung. :-)))

"Wir wissen, daß Krieg auch nicht als ultima ratio vertretbar ist, sondern nur, wenn wir keinen anderen Ausweg mehr wissen."

Das scheint mir aber weniger mangelndes selbständiges Denken zu sein als eher die Peinlichkeit, sich Fremdwörter zu bedienen, von denen man nicht wirklich weiß, was sie bedeuten. (sprich: kein umfassendes Fehlen der Intellektualität, sondern mangelnde Bildung in Teilbereichen)

Gruß
Heike


Von dinosaurus am Sonntag, den 7. April, 2002 - 20:04:

Liebe Heike,

ich glaube, daß du beim Flug der Gedanken das Gestrüpp am Boden übersiehst beziehungsweise die Schwierigkeiten des Gedankenansatzes ein wenig leichtfertig nimmst (Bismarck sagte: der Flug der Gedanken übersieht die Zäune am Boden).

Erstmal: du schmeißt alles durcheinander.

A) Daß jemand etwas registriert, gehört in den Bereich der EInsteinschen Theorie des Beobachters.

BZW. die Idee des Geräusches hat...

B) bzw. ist falsch. Es ist eine andere Qualität. Es gehört in den Bereich der empirischen Beobachtung, der eine kognitive Hypothese zwangsläufig vorausgehen muß (ich verweise an Popper).

C) Was Platon sagte, war ganz etwas anderes: daß die Idee eines "Geräusches" dem ersten Auftreten IRGENDEINES Geräusches VORAUSGEGANGEN sein muß.

Man vergleiche mal die beiden AUssagen zu B) und C) und erschrecke.

Es sind also drei Realitäten, die sich in deinem Thread mischen.

Damit kann ich nichts anfangen. Was willst du sagen?


MFG

Dinosaurus


Von dinosaurus am Sonntag, den 7. April, 2002 - 20:22:

PS:

ich habe eine sehr schlechte Magenstimmung, wenn wir von Leuten geführt werden, die nicht einmal die Mindestanforderungen einer bescheidenen Bildung erfüllen (und noch zwanghaft bestrebt sind, daran erkennt man sie ja, diese Tatsache mit Fremdwörtergebrauch zu verschleiern. Ich bin also nicht so doof, wie es aussehen mag, sondern ein bißchen schlauer, als es scheint (*überprustendes Gelächter*)). Wie sollen solche Leute denn komplexe Probleme unserer gesellschaftlichen Entwicklung steuern, wenn sie nicht einmal in der Lage sind, sie zu durchschauen? Der von dir gerechtfertigte "Teil"ausfall in der "Bildung" sieht ja wohl in der REgel so aus, daß ein Großteil unserer Politiker nicht mal einen Dreisatz lösen könnte. Das glaubst du nicht? SIeh dich mal um! Unser jetziger Verteidigungsminister kann ja nicht mal Brutto von Netto unterscheiden, und der Bundeskanzler ist der deutschen Sprache nicht mächtig (nicht vollständig).

Allerdings hast du recht: warum sollen nicht die Pisa-Leute unseren Staat regieren?

Kommt wahrscheinlich auf dasselbe heraus, als wenn es die aus Neapel wären. Liegt ja in der NÄhe.


MFG

Dinosaurus


Von Heike N. am Sonntag, den 7. April, 2002 - 21:15:

Hallo Dinosaurus,

"Erstmal: du schmeißt alles durcheinander."

Das mag durchaus sein, deshalb habe ich dich um Erklärung gebeten :-)))

"Der von dir gerechtfertigte "Teil"ausfall in der "Bildung" sieht ja wohl in der REgel so aus, daß ein Großteil unserer Politiker nicht mal einen Dreisatz lösen könnte."

Ich habe den Dreisatz erst während meiner Umschulung als 25jährige gelernt. :-))) Habe vorher trotzdem Abitur gemacht und studiert.

Abschließend kann ich nur sagen, dass ich sich der Grad der Fähigkeit zum abstrakten Denken nicht an der Intellektualität eines Menschen messen lässt.
Die alleinige Beschränkung auf Intellektualität erschien mir bis zum heutigen Tage als unvollkommene Lebenseinstellung und aus Erfahrung nicht selten arrogant.

Gruß
Heike


Von Frank am Sonntag, den 7. April, 2002 - 21:43:

"Die alleinige Beschränkung auf Intellektualität erschien mir bis zum heutigen Tage als unvollkommene Lebenseinstellung und aus Erfahrung nicht selten arrogant. "

Was mir allerdings auch ein wenig auf diesen selbsternannten Dinosaurier zuzutreffen scheint.
Der predigt letztlich nämlich genauso von der Kanzel herab wie ein Pfarrer.


Von Heike N. am Sonntag, den 7. April, 2002 - 21:46:

Hallo Frank,

ja, das hinterließ auch bei mir einen etwas unangenehmen Nachgeschmack. :-)))


Von Herbert Ferstl am Sonntag, den 7. April, 2002 - 23:25:

Sorry, kann bisher noch (zwingend) keine Kanzel erkennen? Mir gefaellt der Bursche.
Wobei - wenn ich anmerken darf - die Menscheit nicht nur seit Jahrtausenden ueber die Saurier-Knochen unbedarft gestolpert ist, sondern insbesondere auch ueber die Knochen der "Erben der Saurier", den Saeugetieren.
Ein gerfaessiger Tyrannosaurus Rex oder ein riesiger Brachiosaurus sind heute gelaeufige Begriffe. Doch wer wuesste Naeheres ueber ein Indricotherium (dem groessten Landsaeuger aller Zeiten), Ambulocetus oder einen Smilodon? Schliesslich erklaeren wir unser Saeuger-Dasein (vermutlich) mit einem gemeinsamen Glied.
Waere es nicht angemessener, den Kids in den Schulen Wissen zu vermitteln um Pangaea (Urkontinent), Tethys (Urmeer) oder zur Theorie der Plattentektonik, statt GLAUBEN zu indoktrinieren?
Viereinhalb Milliarden Jahre Entwicklungsgeschichte des Planeten Erde und dann in neun Schuljahren nur ein einziger Besuch im Planetarium?


Von dinosaurus am Montag, den 8. April, 2002 - 07:01:

"Sie müssen sich doch nur ansehen, wer dieses Geschwafel in unserem Lande eigentlich verzapft. ...Das sind Leute, die glauben, ihre Halbbildung könnten sie dadurch steigern, daß sie sich, weil es als schick gilt, plötzlich nicht mehr in Deutsch ausdrücken."

Staatsminister im Auswärtigen Amt Helmut Schäfer (FDP), auf einer Podiumsdiskussion in Hanno-ver, 24. 10. 1999.

"Entweder konsequent oder inkonsequent, aber mit dem ewigen Hin und her muß Schluß sein."

(Es geht auch in Deutsch, (*grins*))

MFG

Dinosaurus


Von sire am Montag, den 8. April, 2002 - 08:11:

@ Frank:

Moin. Tja, ich bin nicht der einzige, der wiederzuerkennen ist, würd ich sagen. Und daß viele, die sich als Atheisten empfinden, tatsächlich eher Antichristen sind, scheint mir auch so. Der weitergehende Gottesbegriff ist ja genau das, worauf ich hindeuten wollte. Daß man sich mal von den abgegriffenen Christengottklischees lösen sollte, aufzupassen, daß man nicht Gott, Kirche, Gläubige, abendländische Machthistorie usw. undifferenziert durcheinanderbringt.

@ Herbert:

Mir ist raetselhaft, wie man als Atheist an ein Universum GLAUBEN kann.

Gemeint ist, daß man glaubt, daß es ein Universum gibt. Wie man am Beispiel von Buddhisten sieht, ist es ja auch möglich, etwas anderes anzunehmen (daß das Universum in Wirklichkeit gar nicht da ist, eben nur Illusion). Es kann ein und dieselbe Bedeutung von Glauben sein, zu glauben, daß es ein Universum und außerdem auch Gott gibt. Es ist auch denkbar, beides als identisch aufzufassen: Gott und Universum. Kommt ganz auf die Betrachtungsweise an. Ein Unterschied zwischen dem, was Du "höchstwahrscheinliche Annahme" und "im transzendenten, metaphysischen Sinne" nennst, liegt da gar nicht vor. Es handelt sich nämlich um die höchstwahrscheinliche Annahme von etwas, das im Transzendenten, Metaphysischen angesiedelt ist. Das einzige, das Annahmen auf Physische bezogen von solchen aufs Metaphysische bezogen unterscheidet, ist unser menschliches Sensorium. Was wir tasten, schmecken, riechen, hören, sehen können, bezeichnen wir als physisch. Darüber hinaus, was sich indirekt mithilfe von Geräten über unsere Sinne wahrnehmen läßt und zu dem System gehört, das wir aus der Summe derartiger Erfahrungen konstruieren (Empirie). Es gibt strenggenommen keine Grundlage, Existenz metaphysischer Dinge automatisch als unwahrscheinlich anzunehmen. Das wäre so ähnlich, wie anzunehmen, die Welt wäre immer genau dann dunkel, wenn man die Augen schließt. Tatsächlich ist währenddessen ja nur die eigene Wahrnehmung von der Welt dunkel.

@ Heike:

Anhänglichkeit ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber ich schätze doch sehr das Niveau, auf dem sich hier philosophische Diskussionen abspielen können. Auch wenn ein wenig mehr Offenheit hier und da doch ganz wünschenswert wäre. Grundsätzlich ist die hiesige Offenheit eigentlich fantastisch, nur gewisse Feindbilder werden von manchem etwas krampfhaft gepflegt, scheint mir.

@ dinosaurus:

Du hast es erfaßt. Es geht um Begrifflichkeiten. Worauf ich hindeuten wollte, ist eben gerade, daß man nicht die Worte wichtiger nehmen sollte als das Reale, zu dessen Bezeichnung sie nur dienen sollen und können. Nietzsche hat das unnachahmlich in seinem Essay "Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne" beschrieben. In diesem Sinne greift es viel zu kurz, wenn man nach Gott nur Ausschau hält, indem man allein nach den üblichen, meist eher naiven Klischeevorstellungen vom Inhalt dieses Begriffs geht. Hier kommt es eben darauf an, auch jenseits von Sprache und semantischen Spitzfindigkeiten die Weltgestalt erkennen zu lernen.

Das, was Du bei mir "unbegrenzte Beliebigkeit" nennst, ist in Wirklichkeit der Versuch, die ausgelatschten semantischen Trampelpfade zu verlassen, um naheliegende Verbindungen, Abkürzungen, wenn man so will, zu erkunden. In Deinem kleinen Verriß meines Beitrags scheinst Du, aus welchen Gründen auch immer, zu meinen, ich würde irgendwelche Argumentationsregeln verletzen, indem ich einen Satz herauslöse und ins Rampenlicht stelle, nämlich daß niemand an nichts glauben könne. Was derjenige, der diese Formel zuerst ins Spiel gebracht hatte, damit sagen wollte, spielt doch gar keine Rolle mehr, wenn ich den Satz einfach nur aufgreife, um ein paar neue Gedanken daran aufzuhängen.

Die Behauptung, der Satz Niemand kann an nichts glauben sei eine rekursive Aussage, ist falsch. Was soll daran selbstbezüglich sein? Hast Du vielleicht mit der doppelten Verneinung verwechselt. Wozu der Begriff "Glaube" auch immer taugen mag, er taugt nicht als Argument in einer Auseinandersetzung, deren Gegenstand er ist, schreibst Du. Aber da behandeltst Du nach Belieben den Diskussionsgegenstand mal als solchen, mal als "Argument". So kann man jederzeit behaupten, ein Argument sei nicht zulässig, obwohl es sich einfach nur auf das Thema der Auseinandersetzung bezieht. Eine etwas eigenartige Methode der Dialektik, ich bin geneigt, es eher als einen Trick zu bezeichnen... :)

Sätze wie die folgenden werde ich in die Vitrine zu den anderen Kuriositäten der außerordentlich geschraubten Formulierung legen:

Der GLaube ist eine Spezialkonstellation verschiedener Parameter, die es ja nicht vorauszusetzen, sondern erst mal zu erklären
gäbe.

Insofern halte ich deine ARgumentation vom methodologischen Ansatz her schon für untauglich, um irgendwelche stringenten
ERgebnisse zu produzieren.


Was Du vor allem mit ersterem Satz sagen willst, ist mir noch nicht ganz klar. Hört sich aber ganz interessant an.

Russells "Philosophie des Abendlandes" ist übrigens tatsächlich einigermaßen kurzweilig zu lesen, hab ich auch hier (eine Ausgabe unter dem Titel "Denker des Abendlandes", ist wahrscheinlich das gleiche Buch) und empfehle es ebenfalls.

Anders als der Glaube, der auch tauglich ist für die thumbesten Thoren und die gedankenfaulsten Menschen, abgesehen von den Windhähnen unserer Gesellschaft, die stets ihren Vorteil wittern und nutzen, erschließen sich die Gefilde des Wissens nur durch Mühsal und Befähigung.

Sehr elegant ausgedrückt. Und ich stimme Dir seufzend zu, daß es bestürzend viele bestürzend dämliche Menschen zu geben scheint. Man könnte es mit der Angst bekommen.

Aber es gibt in Wirklichkeit gar nicht den kategorischen Unterschied zwischen Glauben und Wissen (sag ich ja immer wieder). Gerade in diesem Zusammenhang läßt sich das gut verdeutlichen: Etwas in diesem Sinne zu wissen, also Erkenntnis hergeleitet aus etwas, das man nach eigenen Kriterien als evident gelten läßt, ist eigentlich nur Glauben unter neuen Voraussetzungen. Je mehr man lernt - mit Mühsal und Befähigung unter Umständen -, je mehr Erfahrungen man sammelt, aus denen sich durch Verarbeitung ein Sinn destillieren läßt, desto weiter schiebt man gewissermaßen den Glaubenshorizont vor sich her, und was man dabei abgeschritten und als vorläufig sicher markiert hat, das meint man zu wissen.

Ich meine, welche Information gibt es denn, deren Richtigkeit völlig unzweifelhaft ist? Radikal gesehen kann alles ein Traum sein, was sichere Wahrheit nur scheinen kann. Im Traum bin ich ja auch oft überzeugt, ich würde das wirklich erleben, was mir darin widerfährt. Die letzte Sicherheit, die Voraussetzung für ein absolutes, perfektes Wissen wäre, ist nicht zu erlangen. Etwas anderes zu behaupten, das wäre gerade eine falsche Anwendung der platonischen Ideenlehre, also auf eine Weise, die mit Idealbildern auf einer Ebene zu operieren versucht, wo die Ideale nun gerade nicht sind. Davor unter anderem hat Nietzsche in genanntem Aufsatz zu recht gewarnt.


Von Frank am Montag, den 8. April, 2002 - 08:13:

"Sorry, kann bisher noch (zwingend) keine Kanzel erkennen? Mir gefaellt der Bursche. "


Moin Herbert,

ich (zwingend) schon. Seine Beiträge (bis auf den ersten) lesen sich einfach nur arrogant und überheblich. So als hätte er die Weisheit mit Löffeln gefressen. Ich mag sowas nicht.


Von Theo am Montag, den 8. April, 2002 - 10:04:

@sire:
"Wie man am Beispiel von Buddhisten sieht, ist es ja auch möglich, etwas anderes anzunehmen (daß das Universum in Wirklichkeit gar nicht da ist, eben nur Illusion)."
In welcher buddhistischen Schrift steht, daß das Universum eine Illusion ist?


Von dinosaurus am Montag, den 8. April, 2002 - 12:43:

Re Sire

Es gehört zu den guten Gepflogenheiten gedanklicher Argumentation, daß man Begriffe, die Gegenstand der Betrachtung sind, nicht als Argument der Gedankenkette benutzt. Das ist keine Sache der Etikette, sondern der Methodologie, weil es ja leicht zu sehen ist, daß die Unschärfe der Argumente sich im Ergebnis wiederfindet.

Das gleiche gilt für Begriffe, die sich im näheren Umfeld der Metapher finden, und Begriffe, die dazu reziprok sind oder in irgendeiner anderen Wechselwirkung stehen.

Ich kann also nicht den Atheismus mit dem Glauben ableiten, weil sich diese Begriffe gegenseitig bedingen (könnten!).

Darüber hinaus ist unsere Sprache ein Kommunikationsmittel, keine Wahrheitsfindungsmethode. Aussagen auf höherer Ebene, die Begriffe der Umgangssprache enthalten, sind daher als "problematisch" zu bezeichnen. Wenn diese Verwendung unvermeidbar erscheint, ist es guter Brauch, im vorhinein die gedachte Bedeutung zu dezidieren.

Ich habe darauf hingewiesen, daß sich in deiner Argumentenkette Begriffe finden, denen du eine willkürliche oder nicht definierte Bedeutung zumißt (die es nämlich erst zu klären gäbe). Bei dieser Feststellung bleibe ich.

Weiter, daß du aus dem rein Begrifflichen heraus zu Aussagen kommest, die den Bereich des Begrifflichen, nämlich den der reinen Definition, überschreiten und somit eine Aussage zu den Realitäten der Welt aus dem Begrifflichen ableitest. Eine solche Aussagelogik halte ich für unzulässig. Wie du weißt, wird gerade deswegen Kant heftigst gescholten (und zu recht).

Ich möchte hier keine Beiträge "zerreißen" oder böswillig kommentieren, vielmehr nur darauf aufmerksam machen, daß man sich auf eine solche Weise einem Problem nicht nähern kann.

------------------

Das will ich jetzt mal belegen:

"Was soll falsch sein an der Aussage, kein Mensch könne an nichts glauben?"

Du gehst hier offenbar von einer "unmittelbaren Evidenz" aus (hinter der sich viele Tücken verbergen !), denn im folgenden nimmst du diesen Ansatz als ERWIESENEN SACHVERHALT, um weiter darauf aufzubauen.

Kostproben:

Genaugenommen kann man gar nicht nicht an Gott glauben

Die eigentliche Frage ist, welche Religion kommt der Wahrheit am nächsten?

und so weiter.

Da streike ich. Aus den oben angeführten Gründen.

Was soll falsch sein an der Aussage, kein Mensch könne an nichts glauben?

Hier fehlt die Definition dessen, was nun "glauben" bedeuten soll. Weiter wäre darzulegen, woher du die Gewißheit nimmst, eine Aussage für ALLE Menschen zu machen, einschließlich (?) der verstorbenen aus 1 Million Jahren und der noch kommenden Generationen. Die Wissenschaftlichkeit einer solchen Behauptung (Stringenz) wäre wenigstens annäherungsweise darzulegen und so weiter.

Wenn man das alles mit einbezieht, dann müßte man konsequenterweise formulieren:

Wenn wir davon ausgehen (wollen), daß kein Mensch keinen Glauben hat ....

oder

Ich gehe davon aus, daß jeder Mensch einen Glauben hat ...

Und was ist nun das Ergebnis? Daß der Atheist einen Glauben hat. Das ist aber bereits Bestandteil der Ausgangsvermutung.

Ich nehme mir daher die Freiheit, eine solche Aussagelogik als REKURSION zu bezeichnen.

Die daran anschließende Kette, von mir als Beispiel einer HIRNVERBRANNTEN AUSSAGELOGIK angeführt, dreht sich weiter im Kreis :

-->also muß jeder Mensch an etwas glauben .... eine Umkehrung der Verneinung. Logisch problematisch, weil die Zulässigkeit nicht hinterfragt wird

-> also ist der Atheist ein Gläubiger

Das ist doppelt flachgemoppelt, denn der Atheist definiert sich ja als Ungläubiger. WIe du oben in Herberts Beitrag siehst, können Elektronen nur negativ sein, weil sie so definiert sind. Nicht negative Elekronen sind keine Elektronen. Gläubige Atheisten sind keine Atheisten.

Doppelt flachgemoppelt, weil nun aus der begrifflichen Anfangsvermutung eine universelle Aussage über die Reale Welt gemacht wird.

Es gibt Menschen, die im Sinne der positiven Aussagelogik "an nichts" glauben.. ICH bin einer von denen. An "nichts" bedeutet hier an komplexe, existentielle Aussagen. Vielmehr ist diesen Menschen bewußt, daß ihre Vermutungen über solche Dinge eine gewisse Irrtumswahrscheinlichkeit enthalten. Das ist der falsifikatorische Ansatz. Somit verwahre ich mich dagegen, daß mir jemand unterstellt, ich "glaubte" an etwas, was er sich zudem noch so zurechtlegt, wie es ihm gefällt, ohne die formalen Voraussetzungen erfüllt zu haben. Was ich nämlich glabue oder nicht glaube, kann ich immer noch besser beurteilen als jeder andere. Im umgangssprachlichen Sinne glaube ich allerdings daran, daß in Deutschland die Korruption umgeht. Mit einem existenziellen Glauben hat das nichts zu tun, obwohl hier derselbe Begriff verwendet wird.

"Glaube" im Sinne einer willkürlichen Ersatzhandlung für fehlendes "Wissen" ist kein Argument für das Universum. Das Universum braucht das nicht, und wir brauchen das auch nicht. Wir müssen nicht an das Universum "glauben", und die notwendige Folgerung ist auch nicht die von dir angeführte, daß der Atheist, der nicht an das Universum glaubt, somit ein Kandidat für den Buddhismus ist. Das sind alles unhinterfragte Vermutungen, eine Argumentenkette, die immer mehr Unsicherheitsfaktoren auf sich zieht, immer löcheriger wird, um schließlich zu einem ganz unklaren Ergebnis zu führen, wobei man sich fragt: welches denn? Es werden ja viele ERgebnisse produziert, so landläufig mal eins hier und eins da.

Das Universum steht uns wie die Sonne unmittelbar vor Augen, was wir aber davon "wissen", beruht auf der kognitiven Leistung unserer Wissenschaftler. An diese müssen wir allerdings nicht "glauben", sondern jede wissenschaftliche Aussage bezieht sich nicht direkt auf das Wesen der Sache (im platonischen Sinne), sondern steht in Zusammenhang mit den verfügbaren Methoden. Wir können vielmehr sagen: die jetzige wissenschaftliche Vorstellung eines Universums ist die beste, die wir jemals hatten, aus verschiedenen Gründen, z.B. dem, daß sich verschiedene Disziplinen gegenseitig bestätigen (und weil die Fähre auf dem Mond gelandet ist, im gegensatz zu der christlichen Vorstellung, daß der Mond als eine Pappscheibe am Firmament klebt).

Es ist eine substantielle Eigenschaft wissenschaftlicher Aussagen, daß sie irgendwann als überholt gelten werden. Diese Falsifizierbarkeit ist aber kein MANGEL, sondern eine QUALITÄT. Nur der Wunsch nach der ABSOLUTEN WAhrheit, eine der geistigen Verbrechen Platons, läßt diese Eigenschaft als Mangel erscheinen. Tatsächlich ist eine falsifizierbare Theorie (andere gibt es gar nicht) in einem viel höheren Maße nicht unrichtig, als jede metaphysische, deren Grad der Unwahrscheinlichkeit nicht einzuschätzen ist (beziehungsweise ist sie aus diesem Grund vorzuzuziehen: lieber eine Unwahrscheinlichkeit, die ich kenne, als Lotterie spielen). Eine wie schwache Argumentation dieser immer wieder aufgeführte Umstand ist, sieht man anhand des Newton/Einsteinschen Paradigmenwechsels. der "widerlegte" Newton war immerhin so gut, daß man ihn für den Hausgebrauch heute noch heranzieht, weil die Einsteinschen Phänomene im Hausgebrauch eben vernachlässigbar gering sind.

Das Argument: es ist nicht unmöglich, daß ... führt ja keinesfalls zu der Einschätzung, daß JEDE andere Vorstellung nun gleichberechtigt neben einer falsifizierbaren Theorie steht. Das Universum kann auch spontan entstanden sein. Es kann auch aus Antimaterie entstanden sein, und es können auch viele Paralleluniversen existieren. Wie dem auch immer sei: was möglich ist, ist dadurch nicht zugleich wahrscheinlich, und um unser Leben einzurichten, sind solche Erkenntnisse auf absehbare Zeit verzichtbar.

Die Befürworter des Glaubens dehnen den Begriff gern bis zur völligen Unschärfe aus, indem sie sagen: es ist wahrscheinlich, daß es irgendeinen Gott gibt im Sinne von "aber nicht so, wie die gängigen VOrstellungen sind", sondern ganz anders. Ja aber wie denn nun? Wenn ich den Gottesbegriff auf "Die NAturgesetze" reduziere, löst er sich auf.

Unabhängig von der Tatsache, ob es so etwas wie Gott gibt oder nicht, sollten wir unsere persönlichen und gesellschaftlichen Umstände nicht nach Maßgabe einer ganz entfernten Möglichkeit gestalten, sondern nach dem jeweiligen Stand unserer Kenntnis, der ja beruhigenderweise täglich zunimmt.

Zwar kann man den Grundirrtum nicht ausschließen, aber man kann den ewigen Grundirrtum dadurch ausschließen, daß man die Grundlagen falsifizierbar macht. Wenn sich der liebe Gott einmal auf die Idee käme, wahrscheinlicher zu erscheinen als jede andere Theorie (die Madonna von Lourdes ist dazu nicht ausreichend), hat er gute Chancen, in diese Grundlagen mit einbezogen zu werden. Insofern ist deine diesbezügliche Behauptung nicht richtig, weil falsifizierbare Theorien grundsätzlich eben NICHTS ausschließen, nicht mal einen Gott. ALso: wenn die Madonna von Lourdes ab morgen jeden Tag einen Liter Milch gibt, dann sprechen wir uns noch mal. Einverstanden?

Die beste Quelle der Erkenntnis über die Funktionsweise biologischer Systeme ist nicht die Bibel, sondern die Evolution. Wenn wir unsere Gesellscahften nach Regeln einrichten, die der Evolution widersprechen, wird sie über uns hinweggehen. Es gibt kein Gesetz, was das Überleben der Menschheit garantiert. Das sagt uns die Evolution. Und daß 99 Prozent aller existierenden Arten ausgestorben sind. Das ist das Gegenteil dessen, was die Bibel sagt, und daher wundert es auch nicht, daß auch die "Atombombe" ein zulässiges Mittel der Auseinandersetzung sein soll, wie die Kirche ja festgelegt hat. Die Evolution sagt: das laßt ihr mal besser bleiben, sonst gehet es euch wie den Dinosauriern damals.

Die größte derzeitige Bedrohung für die STabilität unserer Systeme ist die Überbevölkerung. Evolution sagt uns, wie das ausgehen wird. Zufall, daß die Kirche gerade auch hier wieder die Probleme nur verschärft? Viele unglückliche Proleten = volle Kirchen?

MFG

Dinosaurus

PS: TU mir den Gefallen und nimm das nicht persönlich (wie das hier schon angeklungen ist). Hart in der Sache zu sein, eine andere Meinung zu haben, hat nichts mit dem ANgriff auf eine Person zu tun.


Von dinosaurus am Montag, den 8. April, 2002 - 12:50:

RE SIRE PS

Ich füge hinzu (das ist eigentlich klar, aber nicht jeder kann jeden Thread lesen), daß das Beispiel einer

HIRNVERBRANNTEN AUSSAGELOGIK

keine Behauptung von dir ist.

Du hast sie nicht aufgestellt, sondern nur als Zitat eines (von mir angeführten) Zitates herangezogen.

Nur damit hier kein Falscher Eindruck entsteht ...

MFG

Dinosaurus


Von sire am Dienstag, den 9. April, 2002 - 00:59:

Deine Ausführungen gefallen mir ziemlich gut, Dinosaurus. Im großen und ganzen bin ich auch Deiner Meinung (vielleicht haben reden wir ein wenig aneinander vorbeigeredet), es gibt nur hier und da ein paar Ecken, mit denen ich nicht ganz einverstanden bin, dazu würd ich gern bei nächster Gelegenheit noch was kommentieren.

Vorweg aber schon mal: Es wäre ganz brauchbar, einen Begriff einzuführen, der das, was Du unter dem Begriff Atheist anführst, besser trifft. Das Kennzeichen eines Atheisten ist nun einmal, daß er nicht an Gott glaubt, das war's. Was Du meinst, scheint eher vom Begriff Agnostiker getroffen zu werden (wie ja bereits angemerkt wurde). Oder gibt es einen Grund, aus dem Du diesen Begriff nicht verwendest?

Wobei ich eben schon grinsen mußte, war die Bezeichnung der Vorstellung, der Mond hänge gleich einer Pappscheibe am Himmel, als "christlich". Solche naiven Vorstellungen hat es in der Vergangenheit überall gegeben, schon vor dem Christentum und auch nach dessen Aufkommen noch anderswo. Das ist es eben, was ich hier immmer mal wieder als reflexhaftes Feindbild zu erkennen meine. Die Religion und das Christentum erst recht werden immer wieder dargestellt, als handele es sich um die Wurzel allen Übels und aller Dummheit. Das ist nun wirklich übertrieben. Auch bedeutende Forscher wie Galilei und Newton standen in christlicher Tradition. Daß damals irgendwelche engstirnigen Kirchenfürsten neue wissenschaftliche Erkenntnisse bekämpften, war eben auch reflexhaft, unüberlegt und hatte nicht wirklich etwas mit Christlichkeit zu tun.


Von dinosaurus am Dienstag, den 9. April, 2002 - 07:52:

Was Du meinst, scheint eher vom Begriff Agnostiker getroffen zu werden (wie ja bereits angemerkt wurde). Oder gibt es einen Grund, aus dem Du diesen Begriff nicht verwendest?
------------------

Ja, es gibt einen Grund: das Gesetz der Denkökonomie. Und noch viele andere Überlegungen (bin auf der ARbeit, verkneife ich mir hier).

Frage: warum sind alle Agnostiker "praktizierende Atheisten"? Was soll der Quatsch? Warum nicht "praktizierende Agnostiker"? Da klemmt es doch.

Wenn ich mich jetzt oute als überzeugter Achloroantropist, wird das Problem deutlicher, denn von diesem Ansatz aus könnte ich sowohl praktizierender Christ als auch praktizierender Buddhist sein (oder irgendetwas anderes).

Ich habe aber zu genau diesem Problem einen Minithread in dieses Forum reingesetzt "Quantentheorie und Agnostizismus", der einen Versuch darstellen solle, einen Ansatz zur Entmystifizierung zu finden.

Im übrigen habe ich den Eindruck, insbesondere durch diverse Mailings mit MSS, daß die Parteiführung der Agnostiker im Entstehen ist, die die ewigen Wahrheiten von der Kanzel verkündet oder doch zumindest die "Spielregeln" vorgibt (was die beiden beleidigten Leberwürste hier in meinem Falle meinten, war nicht die Kanzel, sondern der Katheder, also da liegt ein Denkfehler drin in der Formulierung, und zwar kein kleiner, sondern ein gehöriger, aber das ist mir zu blöd, das jetzt auch noch zu erklären). Wer gegen die Parteimeinung verstößt, der läuft gegen eine Wand.


MFG

Dinosaurus


Von dinosaurus am Dienstag, den 9. April, 2002 - 08:28:

//Daß damals irgendwelche engstirnigen Kirchenfürsten neue wissenschaftliche Erkenntnisse bekämpften, war eben auch reflexhaft, unüberlegt und hatte nicht wirklich etwas mit Christlichkeit zu tun.//

Tut mir leid, das sehe ich ganz anders. Nur weil die Christen im Augenblick nicht brennen (dürfen), sind sie keinesfalls harmlos. "Nicht ihre Liebe, ihre Ohnmacht ist es ..." schrieb schon NIetzsche.

Der christliche Glaube ist ein nicht zufälliger oder unüberlegter, sondern systemimmanenter Angriff auf den menschlichen Intellekt. Du siehst es ja, wie der immer "verteufelt" wird. Ich müßte jetzt Deschner herausholen und könnte dir das von den Anfängen an belegen (käme ein sehr langer Thread dabei raus), kann mir das aber sparen, weil wir an jeder Ecke drüber stolpern.

Was immer der Mensch mittels seiner intellektuellen Fähigkeiten herausfinden mag, so sagt der Glaube, er kann es sich eigentlich sparen, denn die Weisheit ist nur durch den Glauben zugänglich.

Das ist der Primat des Irrationalen, ein Herrschaftsanspruch.

Adolf Hitler hat insofern den Nerv des Katholozismus gut demonstriert (der war nicht umsonst so beliebt), weil er nämlich, was in dieser Auschwitz-Theatralik regelmäßig völlig untergeht, insbesondere die Intellektuellenszene komplett abgeräumt hat. Nur mal eins von 1000 BEispielen: in der Weimarer Republik gab es 1 Million Freidenker (organisierte), heute sind es einige tausend.

Dieser Kulturverlust, der Rückfall in die Barbarei der Geistlosigkeit, der den dumpfen Mief des Adenauer-Deutschland kennzeichnet, hält bis heute vor und wird bestenfalls von einer ebenso hirnlosen Spaßgesellschaft abgelöst.

Die tumbe Mehrheit der Nichtdenker und Mitläufer steht dem Intellekt emotional feindlich gegenüber, bestärkt von ihren Kanzelrednern, und nicht wenige werden mit stiller Genugtuung beobachtet haben, wie der Neunmalkluge Jüdische Arzt von proletigen SA-Leuten ins KZ abgeführt wurde. Der Begriff der Intellektualität ist (gezielte Propaganda tut da ihre Wirkung) emotional negativ besetzt (was glauben die Leute eigentlich, ist die Ursache ihrer Zentralheizung? Der Glaube (*prust*)).

Daß sich Intelligenz im Judentum in höchster Verstärkung findet (Einstein, Freud, aber auch in der Masse), hat den Juden den dreifachen Hass eingetragen.

Das Christentum ist der Anspruch, daß der gottgesalbte Depp gleichberechtigt neben dem Professor steht.

MFG

Dinosaurus

(*der sich hier kurz faßt und skizziert*)


Von Frank am Dienstag, den 9. April, 2002 - 09:30:

*(was die beiden beleidigten Leberwürste hier in meinem Falle meinten, war nicht die Kanzel, sondern der Katheder, also da liegt ein Denkfehler drin in der Formulierung, und zwar kein kleiner, sondern ein gehöriger, aber das ist mir zu blöd, das jetzt auch noch zu erklären).*

Würde mich meine Erziehung nicht darin hindern würde ich jetzt behaupten:
Du bist und bleibst ein Klugscheißer.
Aber aufgrund meiner christlich-konservativ geprägten Erziehung würde ich das natürlich niemals wagen:-)))


Von dinosaurus am Dienstag, den 9. April, 2002 - 09:53:

Re Frank.

Hallo Frank. Ich beuge mich voller Zerknirschung der Kritik, denn so ganz daneben liegst du ja nun wirklich nicht.

Also ich bekenne: ein gewisser arroganter Zug läßt sich bei mir (gelegentlich) nicht leugnen.

Die Ursache sehe ich weniger in meinem durch und durch verdorbenen Charakter (*grins*), sondern sie ist eine Folge der Tatsache, daß ich von allen Seiten Prügel beziehe. Nämlich einmal von den auf ihre Klischees neurotisch geprägten Mainstream-Vertretern, zum anderen aus dem eigenen Lager, wo doch eine beinahe ebenso neurotische Profilierungssucht nicht zu übersehen ist.

Ganz schlimm wird es (ich beobachte mich gelegentlich auch kritisch, selbst wenn du es nicht glaubst), wenn ich zuviel Hoevel gelesen habe. Das färbt irgendwie ab.

Also, ich versuche mich im Sinne einer christlich-konservativen Etikette zu bessern.

MFG

Dinosaurus


PS: Klugscheißer ist o.k. Aber bitte nicht Pfarrrer! Da kriege ich die Vollneurose!


Von dinosaurus am Dienstag, den 9. April, 2002 - 10:07:

Antiintellektualismus als Herrschaftsprinzip?

Was man so findet, wenn man gar nicht danach sucht ...

Also die in der DDR konnten das auch. Wundert aber nicht, denn "Gläubigkeit" gehorcht denselben Gesetzen, ob Histomat oder Christomat.

MFG

DInosaurus

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ZITAT (nicht von mir!):
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Die Formung einer werktätigen Intelligenz in der DDR durch die SED und die sozialistischen Universitäten verfolgte das Ziel, einen Typus von "Antiintellektualismus" zu erziehen, der den politischen Zielen von SED und Diktatur bedingungslos subsumiert war und politische Linientreue mit beruflicher Qualifikation verband, ohne auf Eigenständigkeit, Kritik oder Authentizität zu drängen. Höher qualifizierte Parteisoldaten waren gefragt, die ohne Skrupel eine positive Einstellung zur gesellschaftlichen Umwälzung hatten. Diese werktätige Intelligenz wurde rekrutiert aus den sozialen Schichten von Arbeitern und Bauern, wie die offizielle Sprache lautete, also primär aus sozialen Zusammenhängen, die jeden Bezug zur bürgerlich christlichen aber auch sozialdemokratischen Tradition verloren hatten und die sich mit den sozialistischen Experimenten zu identifizieren schienen. Diese "werktätige Intelligenz", hineingeworfen in die Ostuniversitäten über die Arbeiter- und Bauernfakultäten, über die Lehrerausbildung oder über das gesellschaftswissenschaftliche Grundstudium, umfaßte sehr schnell die Majorität der Studierenden vor allem in den gesellschafts- und erziehungswissenschaftlichen Fächern. Allerdings war auch diese "antiintellektuelle Intelligenz" im Fortgang von Studium und Beruf den Prozessen von "Verbürgerlichung" unterworfen, die sich im Lebensstil, in Vorurteilen und im Opportunismus der doppelten Moral äußerte. Die Verbürgerlichung dieser werktätigen Intelligenz bedeutete zu keinem Zeitpunkt eine Besinnung auf die kulturellen Werte traditioneller Bürgerlichkeit, sondern stellte die Mischung aus Egoismus, Orientierung auf die westliche Konsumwelt und sozialistischer Phraseologie dar. Seit Mitte der fünfziger Jahre kamen aus unterschiedlichen Motiven immer mehr Studierende und Absolventen aus dem Spektrum dieser "werktätigen Intelligenz" in den Westen.


Von Heike N. am Dienstag, den 9. April, 2002 - 12:00:

*(was die beiden beleidigten Leberwürste hier in meinem Falle meinten, war nicht die Kanzel, sondern der Katheder, also da liegt ein Denkfehler drin in der Formulierung, und zwar kein kleiner, sondern ein gehöriger, aber das ist mir zu blöd, das jetzt auch noch zu erklären).*

Ich schätze, ich bin eine der "beleidigten Leberwürste" *grinsel*. Ich habe gelernt, mich bei intellektueller ... hm...nennen wir es doch "Überheblichkeit" ganz entspannt zurückzulehnen und wieder einmal mehr festzustellen, dass die soziale Kompetenz nicht minder wichtig ist als ein fundiertes Fachwissen.


Von dinosaurus am Dienstag, den 9. April, 2002 - 12:47:

Zustimmung, sofern es etwa um Pädagogik geht.

Gegenfrage, ob man mit sozialer Kompetenz auf die Idee kommen kann, daß die Erde keine Scheibe ist. Eratosthenes hatte im 4. vorchr. Jahrhundert schon den Umfang errechnet. Nur daß die den niedergemacht haben als Klugscheißer, und so wurde die Erde wieder zur Scheibe. Ist eigentlich weniger eine Frage von Faktenwissen als der Denkweise, also des grundlegenden Assoziationsmusters.

MFG

der so viel gescholtene Dinosaurus

PS: hierzu könnte ich noch viel schreiben, aber heute habe ich genug Prügel eingesteckt (*seufz*).


Von Heike N. am Dienstag, den 9. April, 2002 - 12:57:

*Gegenfrage, ob man mit sozialer Kompetenz auf die Idee kommen kann, daß die Erde keine Scheibe ist.*

Wer hat denn so einen Mist hier erzählt? :-)))
Es gehört allerdings ein gewisses Maß an sozialer Kompetenz hinzu, will man nicht nur den Eindruck erwecken vom "Lehrerpult" zu referieren (Kommunikationssesminar 1. Stunde).

Freundlichen Gruß
Heike


Von dinosaurus am Dienstag, den 9. April, 2002 - 13:48:

Hallo Heike,

das hast du völlig richtig erkannt, daß ich da völlig unbedarft bin. Weil ich mich für solche Dinge nie interessiert habe. Allerdings sieht man hier doch wieder einmal, daß das Posten im Internet doch den einen oder anderen Denkanstoß vermittelt. Ich stehe wirklich vor dem Rätsel, warum viele Leute so empfindlich sind, daß sie umgehend von der Sache weg auf das Formale und Persönliche ausweichen.

Es kann aber auch sein, daß viele Menschen von unseren Pädagogen (*lächel*) so genervt worden sind, daß sie diesen Ton bereits im Ansatz als abschreckend empfinden (selbst wenn der so nicht gemeint sein sollte).

Also wie gesagt, hier bin ich nicht kompetent. Keine Aussage zur Sache.

Ich fange jetzt gerade mit einem anderen Bereich an, für den ich mich auch niemals interessiert habe, dessen Bedeutung mir aber zunehmend klarer wird. Und hierzu habe ich mir einige Bücher eines "gottlosen Juden" bestellt. Mal sehen, was dabei rauskommt.

MFG

Dinosaurus


Von Heike N. am Dienstag, den 9. April, 2002 - 14:17:

@Dinosaurus

"Ich stehe wirklich vor dem Rätsel, warum viele Leute so empfindlich sind, daß sie umgehend von der Sache weg auf das Formale und Persönliche ausweichen."

Nun, wer jemanden als "beleidigte Leberwurst" bezeichnet und das nur beurteilt anhand seiner persönlichen Interpretation, hat es nicht wirklich anders verdient. :-)))

"Es kann aber auch sein, daß viele Menschen von unseren Pädagogen (*lächel*) so genervt worden sind, daß sie diesen Ton bereits im Ansatz als abschreckend empfinden"

Ich habe selber innerhalb meines Studiums mit Pädagogig beschätigen müssen, war in der Erwachsenenbildung tätig und habe feststellen können, dass eben nur Pädagogen, die in der Lage sind, kommunizieren zu können ihr Wissen vermitteln zu können. Alle anderen sind das, was man Fachidioten nennt. Schulmeisterisch kommt man selten weiter.

Heike N.


Von dinosaurus am Dienstag, den 9. April, 2002 - 14:26:

Tja, liebe Heike ...

Immerhin hat die beleidigte Leberwurst ja gewirkt ... (*grins*)

MFG

der gelegentlich subversive Dinosaurus


Von Heike N. am Dienstag, den 9. April, 2002 - 20:45:

@Dino

Irrtum. Deine klugscheißerische Art hat bewirkt, dass mir meine Zeit zu schade ist, um mich mit dir zu unterhalten. *lächelt* Ist unter meinen Niveau.

Die genüsslich dekadent arrogante Heike


Von sire am Donnerstag, den 11. April, 2002 - 00:16:

Kleiner Off-Topic-Einwurf auch noch mal von mir:

Witzig, über die Empfindlichkeit in Internetforen und Mailinglisten hab ich letztens auch gerade wieder nachgedacht. Ich glaube, da liegt ein Kommunikationsproblem vor, das dadurch bedingt ist, daß Diskussionen im Internet natürlich fast ausschließlich schriftlich stattfinden. Im Vergleich zu "echten" Gesprächen, also mündlich, vor allem solchen, bei denen die Gesprächspartner einander leibhaftig begegnen (im Gegensatz zum gesellschaftlich länger bekannten und besser integrierten Telefon), fallen also in paar Kommikationsmittel weg: Mimik, Gestik, Tonfall. Schrift und Briefe gibt es natürlich schon verdammt lange, aber in Internetforen und E-Mails pflegt man normalerweise einen salopperen Ton, als wenn man sonst Leuten Briefe schreiben würde, vor allem solchen, die man überhaupt nicht kennt, niemals gesehen hat. Sonst könnte man sie ja charakterlich besser einschätzen und Intentionen ihrer schriftlichen Nachrichten besser deuten. Der lockere Umgang mit dem Internet rührt wohl von seiner Leichtigkeit her. Ein normaler Brief, auf echtem Papier, den man extra mit einer Marke versehen und zum Briefkasten befördern muß usw., suggeriert natürlich einen ganz anderen Wert. Die Echtzeit-Rückkopplung beim Chatten gestattet ein direktes Klären von Mißverständnissen, bei einem Forum ist das etwas anders.

Jedenfalls habe ich in eigentlich allen Foren, in die ich etwas länger hineingeschaut habe, dieses Empfindlichkeitsphänomen beobachten können. Das kann manchmal wirklich viel überflüssigen Streß verursachen. Noch schlimmer ist es in englischsprachigen Foren, wo eine Menge Leute sich in einer Sprache äußern, die nicht ihre Muttersprache ist. In diesem Forum hier geraten ja nun mitunter Leute aneinander, die die Grundüberzeugungen des jeweils anderen völlig in Frage stellen oder sogar ziemlich scharf angreifen. Kein Wunder, daß es da zu Aggressionen kommt. Natürlich trotzdem nervig.


Von Frank am Donnerstag, den 11. April, 2002 - 09:51:

"Witzig, über die Empfindlichkeit in Internetforen und Mailinglisten hab ich letztens auch gerade wieder nachgedacht. Ich glaube, da liegt ein Kommunikationsproblem vor, das dadurch bedingt ist, daß Diskussionen im Internet natürlich fast ausschließlich schriftlich stattfinden. Im Vergleich zu "echten" Gesprächen, also mündlich, vor allem solchen, bei denen die Gesprächspartner einander leibhaftig begegnen (im Gegensatz zum gesellschaftlich länger bekannten und besser integrierten Telefon), fallen also in paar Kommikationsmittel weg: Mimik, Gestik, Tonfall. "

Natürlich ist das so. Ein geschriebener Satz wird lange icht von jedem so gelesen wie er in einem echten Dialog mit entsprechender Betonung aufgefasst würde. Das führt immer wieder zu Mißverständnissen, die einfach einkalkuliert werden müssen. Aber ich habe den Eindruck, dass sich viele dieses Phänomen auch zu Nutze machen um sich auf eine überhebliche und arrogante Art und Weise selbst in Szene zu setzen, was sie im "echten Leben" wahrscheinlich nicht tun und eventuell auch gar nicht schaffen würden. Hier spielt nämlich auch der Gesamteindruck der jeweiligen Person eine signifikante Rolle, was im Internet nicht der Fall ist. Außerdem argumentieren die meisten Internetuser aus dem Schutz der Anonymität heraus und daher agressiver und rücksichtsloser als sie es sich in einem persönlichen Gespräch miteinander wahrscheinlich jemals erlauben würden.


Von Theo am Donnerstag, den 11. April, 2002 - 12:07:

Das ist ja alles schön und gut, aber ich habe von sire immer noch keine Antwort erhalten.
Seit wann glauben Buddhisten, daß das Universum eine Illusion ist? Bzw. bei welcher Glaubensrichtung wird das gelehrt?


Von dinosaurus am Donnerstag, den 11. April, 2002 - 12:51:

Ich glaube, daß es bei uns keine intellektuelle Kultur gibt, und daß dies noch eine Spätfolge des Hitlerregimes ist. Ob Forschung, Kunst, Presse: nach dem Krieg rückte die zweite Garnitur ein, wie man belegen kann, weil allein der Kulturverlust durch die Abräumung der Juden gar nicht ersetzt werden konnte (ganze Universitätsabteilungen mußten schließen), und weil in das Adenauer-Deutschland überhaupt keine Kritik hineinpaßte. Schon von daher ist der Begriff negativ besetzt worden. Kritik hat sich als Kritikchen zu äußern, alles schön im Rahmen bitte... Damit wird genau das abgeschnitten, was das beste Kriterium des menschlichen Geistes ist: aufbrechen, infragestellen, über die eingefahrenen Gleise hinaus, jede Autorität hinterfragen. Diese Qualität ist in Deutschland Tabu.

Vielmehr ist man in Deutschland auf eine Weise harmoniesüchtig, daß die Auseinandersetzung in der Sache jederzeit mit der Person verbunden wird, der man dann, man ist ja Gutmensch, ohne Zusammenhang zur Sache moralisierende Verweise erteilt.

Wie tief sich dieses Denken schon verfestigt hat, möchte ich mal mit einer Gegenfrage demonstrieren: Ist es nicht vollkommen gleichgültig für den Gehalt an INFORMATION, ob jemand polemisch ist oder arrogant oder rassistisch oder sexistisch oder sonst irgendwas? Eine Aussage ist etwas für sich, und hat mit der Person nichts zu tun.

Statt dessen finden wir, daß im öffentlichen Disput eine kompromißlose Meinung und eine in der Sache unerbittliche Auseinandersetzung bereits als Kriterium einer Ungehörigkeit gilt, und daß nicht der Gehalt der Aussage, sondern die Darstellung der Harmonie daß Maß des Erfolges darstellt. Daher sieht man insbesondere der Sabberwelt der Medien, überhaupt niemals kritische Geister. Über Leute wie zum Beispiel Deschner darf nicht einmal berichtet werden, obwohl dessen Lebenswerk ja wohl das jedes Theologen mühelos in den Schatten stellt, von der Qualität, aber keine Zugeständnisse an das Gutmenschengesabbere macht. Er sagt sogar von sich: ja, ich bin polemisch. Das reicht den Leuten schon, um mit dem Finger auf den zu zeigen, ohne jemals eine Zeile gelesen zu haben.

Karriere macht in Deutschland nicht der besser qualifizierte, sondern derjenige, der die sozialen Bezugssysteme besser für sich ausnutzt. Der Begriff des "Fachbeamten" beispielsweise ist gleichzusetzen mit einer aussterbenen Art. Wir finden diese geistig beschnittenen als Vertreter der Sekundärtugenden, denen schon von daher jede kritische Intelligenz ein Dorn im Auge ist, weil sie den Vergleich scheuen. Ein Chef stellt selbstverständlich nicht den besten Mitarbeiter ein, sondern einen, den er sich ausrechnen kann, gleichgültig, wie die Qualifikation sein mag.

Aus diesem komplexen Gefüge heraus, das ich hier nur andeute, gibt es in Deutschland eine Intellektuellenfeindlichkeit. Dazu paßt, daß die Ausbildung der übermeisten Menschen auf Wissensgebieten erfolgt, die nach "weichen" Parametern, eigentlich muß man sogar sagen, Laberkriterien, strukturiert sind. Weiter erfolgt eine "Aufwertung" von Qualifikationen nicht durch umfassendere Ausbildung, durch höhere Anforderungen, durch Schweiß und Fleiß, schon der Gedanke gilt als "elitär" und "arrogant", sondern duch Etikettenwechsel. Ein Beispiel von tausenden: die ehemaligen Fachhochschullehrer sind jetzt "Professoren", worauf hin die echten Professoren eiligst nachlegen mußten zum Univ. Professor. Eine Inflation der Begriffe ohne materielles Substrat. Darunter leidet auch die Sprache, daß sich jeder aufplustert, ohne das was dahintersteckt. Man lasse sich mal den Begriff: Supergau auf der Zunge zergehen oder AOK-Die Gesundheitskasse. Laber, Sabber.

Die Unwissenheit der deutschen Schüler und Erwachsenen, auch der Lehrer, in den NAturwissenschaften ist flächendeckend und monströs, Pisa gibt nur einen kleinen Abklatsch davon. Ich behaupte, daß 50 Prozent unserer Abiturienten weder die Einsteinsche Theorie (die erste, ist die einfachere) noch die Heisenbergsche Relation überhaupt einigermaßen zutreffend beschreiben könnten, ganz zu schweigen von den mathematischen Grundlagen. 50 Prozent ist eher niedrig gegriffen. Es können auch 98 Prozent sein. Wer prüft so etwas nach? Keiner. Weil das zu peinlich wäre. Ein Realschüler kann mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 Prozent keinen Dreisatz lösen. Schwere Sprachmängel in der schriftlichen Formulierung sind auch bei Abiturienten eher die Regel als die Ausnahme. Ein Lehrer der alten Schule, der es wagen würde, was er eigentlich machen müßte, 90 Prozent einer ARbeit mit Mangelhaft zu bewerten, wird als nicht tragbar abgeschoben, weil man die Objektivität längst der Gutmenschensabberei geopfert hat.

Industriestandort Deutschland!

Wie Adolf Hitler schon sagte, als man ihn darauf aufmerksam machte, daß eine ganze Abteilung der Chemie geschlossen werden müßte, würde man denn nun die (jüdischen) Professoren ins KZ bringen:

Dann machen wir eben 100 Jahre ohne CHemie weiter.

Aber in Harmonie!

Gruß

Dinosaurus


Von Frank am Donnerstag, den 11. April, 2002 - 13:36:

"man ist ja Gutmensch, "

Was ist ein Gutmensch?

"Ist es nicht vollkommen gleichgültig für den Gehalt an INFORMATION, ob jemand polemisch ist oder arrogant oder rassistisch oder sexistisch oder sonst irgendwas? "

Ich kann hier nur für mich sprechen. Und MIR ist es eindeutig NICHT gleichgültig. Wenn ich mich unterhalte oder auch ins Inet poste geschieht das in der Regel in meiner Freizeit. Und da überlege ich mir schon, ob ich lieber mit dem vielleicht sachlich fundierteren Wissen eines arroganten Selbstdarstellers debattiere oder mit jemandem, bei dem ich das Gefühl habe auf einer Ebene zu diskutieren. Ersteres betrachte ich als Verschwendung meiner recht knapp bemessenen Freizeit.

"Daher sieht man insbesondere der Sabberwelt der Medien, überhaupt niemals kritische Geister. Über Leute wie zum Beispiel Deschner darf nicht einmal berichtet werden, obwohl dessen Lebenswerk ja wohl das jedes Theologen mühelos in den Schatten stellt"

Dieser Meinung bin ich zwar ebenfalls, aber die Medien betrachte ich als Sonderfall. Sie spiegeln m.E. nicht die tatsächlichen in der Mehrheit der Bevölkerung vorhandenen Meinungen (auch nicht die gößerer Minderheiten)wider, sondern propagieren lediglich eine konstruierte dem vorgegebenen "Mainstream" folgende öffentliche Meinung.


Von dinosaurus am Donnerstag, den 11. April, 2002 - 19:51:

Ich habe mir das noch mal durch den Kopf gehen lassen und muß sagen, die Kritik ist in Ordnung.

Die Ursache der Verärgerung von meiner Seite liegt zwar ganz woanders, nämlich in der aktuellen politisch-gesellschaftlichen Situation, aufgrund derer eine Bemerkung mein Nerv getroffen hat, aber so wie es auf dem Tisch liegt, bin ich derjenige, welcher ...

Na ja.

Kommunikation im Internet ist eben so eine Sache. Jeder neuen Möglichkeit steht eben immer eine gleichgroße Problematik gegenüber.

Ich würde zwar auch kein arrogantes ... vorziehen, aber ein unbedachter Überzeugungstäter ist mir immer noch lieber als ein mit allen Wassern gewaschener Heuchler, wie man sie im politischen Betrieb fast regelmäßig beobachten kann. Insbesondere, und das wollen wir doch mal nicht vergessen, weil es hier nicht darauf ankommt, wer was weiß, weil wir das alle ja hobbymäßig betreiben und nichts beweisen müssen, sondern auf die Übermittlung einer Intention. Wie leicht man bei solchen Gelegenheiten über die Stränge schlägt, mag dem einen zwar unvorstellbar vorkommen, der da mehr Routine hat, für den anderen ist das aber möglicherweise eine ÜBerraschung. Es ist auch eine Sache des Temperaments: der eine wägt und ist bedächtig, der andere schmeißt das in Echtzeit raus. Am besten wäre es wohl, wenn mancher Thread erst am nächsten Tag rausginge, aber welcher? Wie der Psychiater schon sagte: die Hälfte meiner Patienten könnte ich als geheilt entlassen, wenn ich nur wüßte ...Hinterher ist man immer schlauer. Aber das würde dem Medium nicht gerecht, es hat seine eigene Dynamik, unangedachte Seiteneffekte, die sich wohl erst nach und nach bemerkbar machen werden.

Im übrigen ist derjenige notwendigerweise der am leichtesten zu kritisierende, der sich am meisten hinauslehnt mit seinen Ansichten, weil es ja sehr leicht ist, etwas abzubeißen, weshalb in vielen Foren die sichere Deckung der Kurzkommentare selten verlassen wird, was aber keine Inhalte schafft.

Die Problematik hat ja Russell schon sehr schön zusammengefaßt: "Es kann kein Mensch ohne Vorurteile ein interessante Geschichte schreiben, falls es einen solchen Menschen überhaupt gibt."

MFG

Dinosaurus

Den Russell würde ich gern weiter übersetzen, im Hinblick auf das Politikgeschiebe heutzutage, daß vollständige Ausgewogenheit gleichbeutend ist mit dem durch das Entropiegesetz vorhersehbaren Endzustand.


Von Heike N. am Donnerstag, den 11. April, 2002 - 20:14:

@Dino

"Im übrigen ist derjenige notwendigerweise der am leichtesten zu kritisierende, der sich am meisten hinauslehnt mit seinen Ansichten, weil es ja sehr leicht ist, etwas abzubeißen, weshalb in vielen Foren die sichere Deckung der Kurzkommentare selten verlassen wird, was aber keine Inhalte schafft."

Ich habe nichts an deinen Ansichten kritisiert, habe sogar nachgefragt, weil ich mich damit nicht auskenne. Zu blöd war mir lediglich die Art und Weise. Das ist ein Unterschied.

Heike N.


Von Herbert Ferstl am Donnerstag, den 11. April, 2002 - 23:34:

was das beste Kriterium des menschlichen Geistes ist: aufbrechen, infragestellen, über die eingefahrenen Gleise hinaus, jede Autorität hinterfragen. Diese Qualität ist in Deutschland Tabu.

Exakt thematisiert!

Ploetzlich DENKEN - dass man einen Schaedel hat!
(und dabei nicht den ganzen Verstand verliert). :-)))
Meist "schiessen" die Gedanken durch den Kopf. Besonders bei den Deutschen... stagnierendes Blut?

"Die Skepsis ist eine Uebung in Entfaszination". (E.M. Cioran).

Gruesse
Herbert


Von Herbert Ferstl am Freitag, den 12. April, 2002 - 00:33:

Zitat:

Ihr sagt, die gute Sache sei es, die sogar den Krieg heilige? Ich sage euch:
der gute Krieg ist es, der jede Sache heiligt (Nietzsche 1967 I: 575).


In den Parlamenten brueten die Tauben, und die Falken auf der Empore spreizen die Faenge. Wer hoerte nicht aus ihren Beteuerungen, sie ruesten fuer die Sicherung des Taubenfriedens, die altvertraute Wahrheit, dass sie den Frieden taubruesten (Horstmann 1985: 7).

Der Mensch...
...dasas Untier ist in der Tat "ein Attentat [der Natur] auf sich selbst" (Cioran 1977: 65).


Von dinosaurus am Freitag, den 12. April, 2002 - 11:38:

Hallo Herbert!

Jetzt sind wir ganz vom Thema ab, ich habe meinen Freispruch zweiter Klasse erhalten (danke Heike) und daher können wir nun ganz ungeniert weitermachen.

"Die Skepsis ist eine Uebung in Entfaszination". (E.M. Cioran).

Ist jemand mit dem Cioran verwandt oder verschwägert? Nein? Also dann behaupte ich jetzt mal, das genaue Gegenteil ist der Fall.

Ich stelle es immer wieder fest, daß mit jedem Götzen, den wir in Gedanken vom Podest stoßen, der Blick auf viel faszinierendere Dinge frei wird, schon von daher, weil es die bestimmungsgemäße Funktion dieser Götzen ist, den Blick zu verstellen. Also ist eine Erweiterung des Blickfeldes der logischere Schluß.

Statt daß wir uns etwa vorstellen, wie Gott als erstes den Walfisch in das Meer setzte (vor 6000 Jahren), ganz nett, aber ruckzuck ist der untergetaucht und dann steht man da ... ist es doch unglaublich viel faszinierender, sich die kleinen lustigen protobionten vorzustellen, wie sie da, neben dem Walfisch, herumschippern, und sich zu überlegen, welcher von diesen BurschInnen :-))) unser(e) Urahn(in) gewesen sein könnte.

Was in der Genesis für meine Begriffe recht lieblos auf zwei Seiten abgehandelt wird, entwickelt sich zu einem ganz ungeheuerlichen Szenario von Formen und Farben, von creaturen der seltsamsten Art, und allein bei dem Versuch der Vorstellung, was drei Milliarden Jahre sein könnten, da kann es einem schon eiskalt den Rücken herunterlaufen.

Ehrfurcht braucht keine Götzen!

MFG

Dinosaurus


Von Kurt am Sonntag, den 14. April, 2002 - 03:00:

@Dino

auch auf die Gefahr hin, daß ich eins auf meine intelektuell nicht sehr hochstehende Nase bekomme, so möchte ich doch noch meine Meinung zu diesem Thread einbringen.

Du sagst z.B.

"Karriere macht in Deutschland nicht der besser qualifizierte, sondern derjenige, der die sozialen Bezugssysteme besser für sich ausnutzt."

Ist das wirklich nur in Deutschland so? Ich denke, das ist allen Hominiden (nur diesen?)eigen. Das Alpha-Männchen einer Pavianherde z.B. wählt sich als Assistenten nicht etwa seinen schärfsten Konkurrenten aus (der ja offensichtlich die 2-besten (oder auch nicht) Voraussetzungen u. Ambitionen für die Führung hat), sondern mehrere schwächere Männchen, die durch Brosamen (gelegentlicher Sex mit rangniederen Weibchen) bei Laune gehalten werden, ihm selbst kaum gefährlich werden, aber durch die Übermacht auch den Konkurrenten in Schach halten. Ich denke, da spielt die Macht des egoistischen Genes eine gewichtige Rolle, aber das nur am Rande.

Du schreibst außerdem:

"Eratosthenes hatte im 4. vorchr. Jahrhundert schon den Umfang errechnet. Nur daß die den niedergemacht haben als Klugscheißer, und so wurde die Erde wieder zur Scheibe."

Außerdem sagst Du:

"Ich würde zwar auch kein arrogantes ... vorziehen, aber ein unbedachter Überzeugungstäter ist mir immer noch lieber als ein mit allen Wassern gewaschener Heuchler,..."

Wir wissen natürlich nicht, welchen Charakter Eratosthenes hatte, aber wenn er ein arrogantes ... (ich nehme an, Du meinst das A-Wort) war, dann hat sein Wissen und seine Überzeugung der Menschheit (und ihm?) nichts gebracht. Es ist ökonomisch u. ökologisch unvernünftig, seinen überlegenen Intellekt u. sein herausragendes Wissen durch arrogantes Auftreten der Allgemeinheit zu verwehren indem bei dieser durch dieses Auftreten eine Aversion geschürt wird. Die Länge dieses Threads ist Beweis genug, denn dieser beschäftigt sich fast überwiegend nicht mit dem eigentlichen Thema, sondern mit den Auswirkungen eines solchen Verhaltens. Somit ist mein bis jetzt verfaßtes Posting (fast) ebenso doppel-ö-unvernünftig. Nutze bitte Dein Intellekt u. Wissen effizenter, dann haben alle was davon. Vielleicht willst Du aber nur Dein Ego streicheln? ;-) (kleine Boshaftigkeit von mir, bitte nicht persönlich nehmen).

So, nun zum eigentlichen Thema (@ Alle).

Besser hätte ich es gefunden, wenn die Überschrift als Frage formuliert gewesen wäre, sie wäre dann provokant genug, allerdings mit dem Angebot zur Falsifikation (was bis jetzt m.E. zu kurz kam).

Mir mißfällt die nicht deffinierte Eigenschaft "bessere" Weltanschauung. Es gibt dazu noch einen Superlativ (die beste W.). Also, was ist schlecht und was ist gut (mit allen Steigerungen)? M.E. könnte man als "das Beste" bezeichnen, womit sich weitestgehendst alle Menschen einverstanden erklären könnten (kleinster gemeinsamer Nenner). Dies sind nach m.M. die Menschenrechte. Wer diese nicht akzeptieren kann, fällt für mich in der Skala auf den niedrigsten negativen Wert (am Schlechtesten). Atheismus ist grundsätzlich noch kein Garant für eine menschenrechtliche Einstellung, aber auch nicht zwangsläufig eine menschenverachtende (womit ich den Ausführungen von MSS nicht folge). Jedoch jeder Gläubige, welcher Gottes Gebot über die Menschenrechte stellt od. stellen möchte (und das sind nach meinen Erfahrungen nicht wenige), hat die SCHLECHTESTE WELTANSCHAUUNG (siehe 11.September 2001)!

Wie könnte dies geändert werden? Ich behaupte mal (provokativ), daß dies nur durch ein globales Verbot von Religionsunterricht für präpubertäre Kinder (Aufnahme durch die UN in den Kinder-/Menschenrechten) zu erreichen ist, ergänzt durch einen Ethikunterricht für alle. Die Menschenrechte sind m.E. die EINZIGE Basis für ein besseres und friedlicheres (mehr wäre utopisch) Zusammenleben der Menschen.

Viele Grüße
Kurt


Von Frank am Sonntag, den 14. April, 2002 - 12:53:

"Wie könnte dies geändert werden? Ich behaupte mal (provokativ), daß dies nur durch ein globales Verbot von Religionsunterricht für präpubertäre Kinder (Aufnahme durch die UN in den Kinder-/Menschenrechten) zu erreichen ist, ergänzt durch einen Ethikunterricht für alle. Die Menschenrechte sind m.E. die EINZIGE Basis für ein besseres und friedlicheres (mehr wäre utopisch) Zusammenleben der Menschen. "

Wer Hunger hat, hat keine Zeit über Menschenrechte nachzudenken. Wer verzweifelt ist und keine Zukunft mehr für sich oder seine Ideale sieht interessiert sich ebenfalls nicht mehr für Menschrechte. Jemand, der bereit ist zu sterben weil er das Weiterleben als die eindeutig schlechtere Alternavie betrachtet, macht sich über Menschenrechte genausowenig Gedanken. Und wenn er es dennoch tut, dann in der Erkenntnis das es sich dabei um reine Heuchelei handelt. Eine Änderung ist nur durch eine weitgehende wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Gleichstellung aller Menschen zu erzielen.

P.S. Dem Hungernden ist es in der Regel egal, ob er verhungert, erschossen wird, oder bei einem Selbstmordanschlag ums Leben kommt.
Die fundamentlistische Religion ist daher m.E. ein geeignetes Instument um solche Gefühle zu kanalisieren und in die reaktionären Bahnen zu lenken die zu Terror, Mord und Vertreibung führen.


Von Kurt am Sonntag, den 14. April, 2002 - 14:08:

@ Frank,

"Wer Hunger hat, hat keine Zeit über Menschenrechte nachzudenken."

Kann ich so nicht zustimmen, denn über seinen Glauben denkt der Not leidende umso intensiver nach. Nur so sind die fanatischen Irrläufer erklärbar. Es liegt also nicht an der mangelnden Zeit, sondern an dem falschen Gleis, auf das die Menschen in der Kindheit gestellt werden. Zudem meinte ich eigentlich vorrangig, daß erst einmal die Satten sich die Menschenrechte verinnerlichen sollten, wobei diese nur die Basis sein kann. Eine darauf aufbauende humanistische Ethik, welche sich in politische u. praktische Taten umsetzen läßt, sind m.E. ebenso erforderlich.

"Jemand, der bereit ist zu sterben weil er das Weiterleben als die eindeutig schlechtere Alternavie betrachtet, macht sich über Menschenrechte genausowenig Gedanken."

Warum sollte der Freitod die bessere Alternative sein, doch nur, weil solche irren Ideen (Paradies nach dem Tod) von Kindheit an in den Gehirnen eingebrannt werden.

"Eine Änderung ist nur durch eine weitgehende wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Gleichstellung aller Menschen zu erzielen."

Eben! Um das aber erreichen zu können, muß sich in den Köpfen der Menschen einiges ändern.

Viel Grüße
Kurt


Von Frank am Sonntag, den 14. April, 2002 - 14:32:

"Kann ich so nicht zustimmen, denn über seinen Glauben denkt der Not leidende umso intensiver nach. Nur so sind die fanatischen Irrläufer erklärbar. "

Aus einer westlichen Denkweise heraus mag man glauben es ist so wie Du sagst. Nur leidet in diesem Land kaum jemand wirklich Not. Wir sind also eigentlich gar nicht in der Lage nachzuvollziehen wie ein verzweifelter hungriger Mensch denkt. Aufgrund von persönlichen Erfahrungen, weiß ich aber, dass ein verzweifelter Mensch zu allererst NUR an die Ausweglosigkeit seiner verzweifelten Lage denkt und keineswegs an tiefsinnigere Dinge wie Religiösität.

"Warum sollte der Freitod die bessere Alternative sein, doch nur, weil solche irren Ideen (Paradies nach dem Tod) von Kindheit an in den Gehirnen eingebrannt werden. "

Vielleicht aber auch nur um endlich Ruhe zu haben, nach einem Leben voller grausamer Realitäten, denen sich der verzweifelte Mensch einfach nicht mehr gewachsen sieht?
Ich behaupte die meisten Selbstmörder sind keine religiösen Fanatiker, sondern Atheisten. Allerdings ist ein Hungerleidender mit etwas Brot oder Reis m.E. ziemlich leicht zu ködern für jede Art von religiöser Indoktrination.


Von Heike N. am Sonntag, den 14. April, 2002 - 21:48:

Hallo Frank,

"Ich behaupte die meisten Selbstmörder sind keine religiösen Fanatiker, sondern Atheisten."

Was treibt einen radikal-islamistischen Fanatiker zum Selbstmord-Anschlag? 100%ig kein Atheismus, sondern eine Hörigkeit seinem Glauben gegenüber bzw. den Personen, die diesen Glauben lehren/vermitteln.
Dieses Phänomen ist übrigens nicht nur im Islam zu beobachten. Es gab ebensolche Fanatiker im frühen Christentum.


Von Frank am Sonntag, den 14. April, 2002 - 22:55:

"Was treibt einen radikal-islamistischen Fanatiker zum Selbstmord-Anschlag?"

Gegenfrage: Was treibt einen Menschen dazu zum radikal-islamistischen Fanatiker zu werden?
(Abgesehen von meiner Meinung, dass ich noch lange nicht jeden in den Medien angeführten angeblich radikal-islamistischen Selbstmordattentäter auch tatsächlich für einen solchen halte.)


Von Kurt am Sonntag, den 14. April, 2002 - 22:59:

@Frank

"Nur leidet in diesem Land kaum jemand wirklich Not."

Welches Land meinst Du damit? Aus dem anschließenden Satz vermute ich mal, daß Du unseres Land bzw. die westlichen Industriestaaten meinst.

"Wir sind also eigentlich gar nicht in der Lage nachzuvollziehen wie ein verzweifelter hungriger Mensch denkt. Aufgrund von persönlichen Erfahrungen, weiß ich aber, dass ein verzweifelter Mensch zu allererst NUR an die Ausweglosigkeit seiner verzweifelten Lage denkt und keineswegs an tiefsinnigere Dinge wie Religiösität."

...vor allem auch, weil uns auch das entsprechende religiöse Grundlagenwissen fehlt, wie es den Kindern in den Koranschulen von Pakistan, Sudan usw. vermittelt wir. Das perfide ist, daß diese Koranschulen die Eltern der Kinder damit ködern, daß für ihre Kinder auch leiblich gesorgt wird, so daß die Eltern einen Esser weniger versorgen müssen. Das ist das gleiche Muster wie im Mittelalter, wo die Klöster keine Nachwuchssorgen hatten oder in der Kollonial- u. Missionszeit, als in den afrikanischen Kollonialstaaten die Hüttensteuer eingeführt wurde, ausgenommen innerhalb der Missionsstationen (das nur am Rande). Die von frühester Kindheit erfolgte Konditionierung ist wirksam in allen Lebenslagen, auch in der größten Not. Daß dies bei Dir nicht der Fall war, lag wohl an einer schwächeren religiösen Ausrichtung (Auswendiglernen des Buches). Zudem scheint mir Deine Aussage bezüglich der Ausweglosigkeit nicht schlüssig zu sein. Gerade der religiös motivierte Freitod im Kampf gegen s.g. Ungläubige IST ein Ausweg.

"Vielleicht aber auch nur um endlich Ruhe zu haben, nach einem Leben voller grausamer Realitäten, denen sich der verzweifelte Mensch einfach nicht mehr gewachsen sieht?"

Spekulation, ich bezweifle, daß dies mit einer anderen, m.E. der besten Konditionierung erfolgen kann. In allen mir bekannten Zeugnissen von Naturvölkern ist mir eine solche Selbstaufopferung mit gleichzeitigem destruktivem Verhalten gegen Mitmenschen aufgrund einer Idee noch nie aufgefallen.

"Ich behaupte die meisten Selbstmörder sind keine religiösen Fanatiker, sondern Atheisten."

...und ich behaupte, daß Selbstmörder psychisch krank sind, die meißten aus dem Grund, weil sich ihre religiöse Konditionierung mit der Realität nicht mehr kongruieren läßt. Ein Atheist bzw. Agnostiker, welcher sich bewußt mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat und den Theismus als Irrweg erkannt hat, ist m.E. nicht suizidgefährdet, da keine metaphysischen Versprechungen ihn locken können.

"Allerdings ist ein Hungerleidender mit etwas Brot oder Reis m.E. ziemlich leicht zu ködern für jede Art von religiöser Indoktrination."

Meine Rede (sieh oben), deshalb meine Forderung nach einem Verbot der religiösen Prägung von Kindern.

Viele Grüße
Kurt

PS: Jetzt klappt es wieder, ich schreibe aber doch im anderen Thread weiter. Der hier ist mir zu lang.


Von Frank am Sonntag, den 14. April, 2002 - 23:07:

P.S. Ich schrieb übrigens nicht die meisten SelbstmordATTENTÄTER sind Atheisten, sondern die meisten Selbstmörder sind es.


Von Heike N. am Montag, den 15. April, 2002 - 10:36:

Hallo Frank,

"P.S. Ich schrieb übrigens nicht die meisten SelbstmordATTENTÄTER sind Atheisten, sondern die meisten Selbstmörder sind es."

Ja, hast du natürlich. Ich versuchte nur dahinter zu kommen, ob wirklich alle, die den Freitod wählen, das aus nicht-religiösen Motiven tun. Betrachte ich hier aber meine eigene Bezeichnung "Freitod", erübrigt sich die Frage nach dem Motiv von Selbstmordattentätern, die entsprechend manipuliert wurden und den Tod nicht frei wählen können.

Gruß
Heike


Von Frank am Montag, den 15. April, 2002 - 13:47:

"Ich versuchte nur dahinter zu kommen, ob wirklich alle, die den Freitod wählen, das aus nicht-religiösen Motiven tun. "

Hallo Heike,

in der Mehrzahl auf jeden Fall. Aber es gibt mit Sicherheit auch Fälle in denen die Motive religöser Natur sind.
(Da gab's mal einen Film mit einer schwangeren irischen Katholikin, die nicht verheiratet war. Sie konnte die "Last" nicht ertragen und wählte letztlich den Freitod. Den Titel hab ich leider vergessen)
Allerdings ist es grundsätzlich so, dass die Religionen den Selbstmord verteufeln. Das müssen sie aber auch, denn die Angst vor dem Tod ist ja schließlich ihre Existenzgrundlage.

Gruß Frank


Von dinosaurus am Montag, den 15. April, 2002 - 17:42:

Hallo Frank!

Danke für die Prügel. Ihr habt jetzt endgültig einen Prozeß der Läuterung in mir in Gang gesetzt. Es ist offensichtlich so, daß bestimmte Dinge in mir einen Reflex auslösen. Und spreize ich mein Gefieder. Also stimmt da was nicht. Werde mal drüber grübeln ...

Das mit den Affen sehe ich auch so. Nur daß in einer solchen Horde keine zusätzlichen günstigen Bedingungen für Duckmäuser geschaffen werden. Und keine Propagandamaschine und keine Religion die Verhältnisse verschärfen.

---------

Im übrigen noch mal zur Intelligenz: ich habe von kritischer Intelligenz gesprochen. Es ist also damit nicht die Menge, sondern die Richtung gemeint. Es gibt ja sehr viele Professoren, die hochintelligent sind, aber vollständig angepaßt, also niemals eine Meinung verkünden würden, die irgendetwas vom System in Frage stellt. Das meine ich. Da fehlt es in Deutschland. Kirchenkritik? Ist doch schon der erste Schritt zum Ende der Karriere, weil da nur solche Typen sitzen.

Das ist ein echtes Problem und hat mit euren Frozzeleien nichts zu tun!

Ich lese gerade Hoevels (kann ich nur bestens empfehlen), der mich mal wieder aufbaut (der denkt noch gnadenloser als ich, also der radikalisiert eher, kein Abwiegler => siehst du, so einer ist unter das SPD Berufsverbot gefallen). Der hält die Kirche für die "gefährlichste reaktionäre Propagandamaschine der Welt".

Ist doch erfrischend ausgewogen, oder?

MFG

Dinosaurus

PS: Ich glaube allmählich immer mehr, daß der Atheismus eine Methode ist, eine Krankheit zu heilen. Also eine Therapie, und keine Weltanschauung.

Und der Agnostizismus kann es auch nicht sein. Dazu Hövels (zum Empiriokritizismus):

"Das Wahre wahr und das Richtige richtig zu nennen, sei Dogmatismus, auch den offensichtlichsten Blödsinn noch für möglicherweise wahr zu halten, sei Toleranz".


Von A.A. am Montag, den 15. April, 2002 - 22:40:

Hallo Dinosaurus!
Bist Du ein arbeitsloser Sozialschmarotzer oder woher nimmst du dir die Zeit aus Büchern abzuschreiben und hier als eigene Erkenntnis zu verkaufen? Oder hast du im Lotto gewonnen? Dann geniesse dein Leben (sex,drugs& rock'n roll).
Gruss, Dein anonymer Alkoholiker.


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